Astrazeneca kommt zurück: Das System funktioniert

Christine Thurner

E-Mail zur Autorenseite

18.3.2021, 18:57 Uhr
Der Nutzen von Astrazeneca übersteige das Risiko bei weitem, so die Einschätzung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA. 

© JOEL SAGET, AFP Der Nutzen von Astrazeneca übersteige das Risiko bei weitem, so die Einschätzung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA. 

Das Aufatmen ist riesig: Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hält das Astrazeneca-Vakzin für sicher und empfiehlt, weiter damit zu impfen. Zwar ist nicht ganz ausgeschlossen, dass Astrazeneca in sehr seltenen Fällen lebensgefährliche Thrombosen auslösen kann. Doch selbst wenn, so die Einschätzung der Experten nach einer erneuten Überprüfung aller verfügbaren Daten, übersteige der Nutzen die möglichen Risiken bei weitem.

Es ist eine gute Nachricht, in vielerlei Hinsicht. Zum einen für die Impfkampagne in Deutschland, die jetzt nicht noch mehr Zeit verliert als ohnehin schon. Hätte die EMA Astrazeneca aus dem Rennen genommen, hätte das den Impfplan in Deutschland um mindestens einen Monat zurückgeworfen. Gerade jetzt, wo die täglichen Infektionszahlen sehr deutlich die dritte Welle dokumentieren, wäre das ein schwerer Rückschlag gewesen.

Der gesamte Vorgang ist aber auch ein guter Grund für mehr Vertrauen in Impfstoffe und deren Sicherheit. So verunsichernd der Impfstopp für viele war und womöglich noch ist, er hat etwas Wichtiges bewiesen: Das System funktioniert. Nicht nur, dass die auffälligen Thrombosen durch das Monitoring schnell aufgefallen sind und überprüft werden konnten; auch das in Deutschland zuständige Paul-Ehrlich-Institut, das den Impfstopp Anfang der Woche empfohlen hatte, erarbeitete seine Bewertung unabhängig von den Erwartungen der Politik.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler agierten vielleicht sogar übervorsichtig. Gefälligkeiten für die Regierenden, ein immer wieder geäußerter Vorwurf, sind von dem Bundesinstitut jedenfalls nicht zu erwarten. Es geht rein um die fachliche Expertise.

Hausärzte schnell einbinden

Nur: Kommt diese positive, vertrauensfördernde Botschaft an, oder bleibt doch das Misstrauen, das Astrazeneca von Anfang an begleitet hat? Es wird, das ist sicher, viel Aufklärung auf allen Ebenen nötig sein.
Beim heute anberaumten Impfgipfel und in den nächsten Tagen muss das vorrangige Ziel nun sein, Astrazeneca schnellstmöglich wieder freizugeben und den Fahrplan für Impfungen in den Hausarztpraxen einzuhalten. Letztere werden nach dem Impfstopp sogar noch wichtiger: Hausärztinnen und Hausärzte sind diejenigen, die verunsicherte Patienten am besten individuell beraten und verloren gegangenes Vertrauen wieder aufbauen können.

Angst, dass die Dosen nun nicht mehr an den Mann oder die Frau gebracht werden können, muss wohl niemand haben. Laut einer aktuellen Umfrage hält immer noch etwa die Hälfte der Bevölkerung Astrazeneca für vertrauenswürdig. Und sollte sich doch ein Akzeptanz-Problem zeigen, hat die Politik einen einfachen Hebel in der Hand: Für Astrazeneca könnte die Impfreihenfolge weiter gelockert werden, Jüngere könnten eher zum Zug kommen. Interessenten wird man genug finden.

Verwandte Themen