"Ausnahmesituation": So wird das kommende Uni-Semester in Bayern
28.8.2020, 05:52 UhrSpicken ist diesmal noch schwieriger. Schon unter normalen Umständen müssen Studenten in den Prüfungen weit genug voneinander weg sitzen, damit sie nicht abschreiben können. Jetzt kommt auch noch Corona dazu.
Lange Zeit war deshalb überhaupt nicht klar, ob und wie in diesem Semester Klausuren möglich sind. "In dieser Ausnahmesituation müssen wir praktikable und pragmatische Lösungen finden", hatte Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler gleich zum Semesterbeginn angekündigt. "Wir wollen größtmögliche Verlässlichkeit, Sicherheit und Chancengleichheit gewährleisten."
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Bei Online-Prüfungen ist es nicht fair, wenn ein Student zu Hause eine schnelle Internetverbindung hat, ein anderer aber nur eine langsame. Eine wohnt womöglich noch bei ihren Eltern im stillen Kinderzimmer. Eine andere im lauten Studentenwohnheim.
"Im April mit den Planungen begonnen"
Aber auch Präsenz-Klausuren in der Hochschule sind ungerecht, wenn Teilnehmer Bedenken haben, sich mit Sars-Cov-2 zu infizieren. Es gibt Studierende mit Grunderkrankungen wie Diabetes oder Asthma, die derzeit lieber freiwillig einen großen Bogen um den Campus machen.
"Wir haben gleich im April mit den Planungen begonnen, wie die Prüfungen ablaufen können", erklärt Christina Zitzmann. Als Vizepräsidentin der Technischen Hochschule in Nürnberg ist sie für Studium und Lehre zuständig. Zwar konnte jeder Professor bei den Vorlesungen selbst entscheiden, wie er seine Inhalte digitalisiert und mit den Studenten in Verbindung bleibt. Die Prüfungen haben aber rechtliche Konsequenzen. Da geht es um Fristen und Abschlussnoten, deshalb muss alles ganz genau geklärt sein. "Wir haben in unseren Gremien Sonderregeln verabschiedet, damit die Prüfungsformen geändert werden können", sagt Zitzmann.
Googeln ist diesmal erlaubt
Wo immer möglich, sollten die Professoren Hausarbeiten statt Klausuren schreiben lassen, damit die Studenten das alleine daheim erledigen können statt mit Hundert anderen gleichzeitig in einem Hörsaal zu sitzen. Die Hochschule hat den Prüfungszeitraum, der sonst bis Mitte Juli dauert bis Ende August verlängert, um alles zu entzerren. "Wir haben elektronische Fernprüfungen erprobt und neue Formen entwickelt", erzählt Zitzmann. Darunter waren etwa sogenannte "Take-home-" und "Open-book-exams". Dabei bekommen die Studierenden eine Aufgabe geschickt und dürfen zu Hause all ihre Unterlagen für die Lösung zu Rate ziehen, Bücher, Skripte, Mitschriften, Formelsammlungen. Sogar googeln ist möglich, es kann ja niemand kontrollieren.
"Es geht darum, zu überprüfen, ob sie ihr Wissen auch anwenden können und auf neue Fragestellungen übertragen", sagt Zitzmann. "Das fand ich gut! Wir sollten grundsätzlich hinterfragen, ob das nicht manchmal der bessere Weg ist." Über Online-Plattformen der Hochschule waren aber auch Multiple-Choice-Tests möglich.
Mensa auf der Insel Schütt genutzt
Es gab Hochschulen in Bayern, die Prüfungen mit Anwesenheit in diesem Sommer sogar ganz verboten haben. An der Technischen Hochschule Nürnberg waren sie erlaubt. Die Mehrheit der Professoren hat das auch genutzt. "Allerdings waren die zulässigen Plätze enorm reduziert", erzählt Zitzmann.
In einem Saal, in dem sonst 400 sitzen, durften nur 100 rein. Deshalb ist die Hochschule ausgewandert und hat größere Räume in der Stadt gemietet. "Wir haben die Mensa auf der Insel Schütt genutzt, einen Gemeinschaftssaal in der Gartenstadt und die Turnhalle der Wilhelm-Löhe-Schule, die noch von den Abiturprüfungen bestuhlt war."
Die Friedrich-Alexander-Universität hat sogar eine der Messehallen in Nürnberg gemietet, um eine Prüfungen mit bis zu 1500 Studierenden gleichzeitig unter Einhaltung aller Infektionsschutzauflagen schreiben zu können.
Die Prüflinge durften nur mit Mund-Nasen-Schutz zu ihrem Platz gehen, der Sitzplan wurde vorher festgelegt. Die Unterlagen waren bereits ausgeteilt. Jeder Student hatte nach vorne, hinten, links und rechts 2,1 Meter Abstand. Außerdem durfte nur teilnehmen, wer eine Selbstauskunft unterschrieben hat, dass er gerade nicht in Quarantäne sein muss und auch keine typischen Corona-Anzeichen wie Husten oder Fieber hat.
Eigenes Zimmer wegen Schnupfen
"Wir hatten Studenten mit Heuschnupfen, die verunsichert bei mir angerufen haben", sagt Zitzmann. Sie erinnert sich an eine Kandidatin, die am Morgen ihrer wichtigen Abschlussprüfung plötzlich Halsweh und Schnupfen hatte. "Für sie haben wir dann einen extra Raum getrennt von allen anderen hergerichtet." Der Aufwand hat sich gelohnt: "Wir hatten bislang keinen Coronafall", sagt die Vizepräsidentin. "Wir sind wirklich froh, dass sich alle so auf diese Situation eingelassen und mitgezogen haben."
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Auch für die Zukunft will sie die bisherigen Prüfungsformen überdenken. "Ich fand es gut, dass wir gezwungen waren, das Gehabte zu hinterfragen", sagt Zitzmann. Nicht alle, aber einige Professoren haben dadurch Neues gewagt. "Andere Länder sind, was digitales Prüfen angeht, schon viel weiter, da sind wir in Deutschland noch hinterher und müssen aufholen." Gerade für die ausländischen Studierenden, die aktuell nicht einreisen können, oder auch langfristig für Austauschstudenten, die vielleicht noch eine Prüfung nachholen müssen, würde das vieles erleichtern.
Damit niemand durch die ungewohnte Lage benachteiligt ist, hat das Wissenschaftsministerium entschieden, diesen Sommer nicht als Fachsemester zu werten. Das bedeutet, das es sich nicht auf die Fristen der Studenten auswirkt, etwa für die Regelstudienzeit und die Bafög-Förderung. Wer gerade nicht zu einer Prüfung antritt, darf sie trotzdem noch einmal mehr wiederholen.
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