Anti-Corona-Plan der Frankenland-Klinik: Virus bleibt bislang vor der Tür

20.3.2021, 06:00 Uhr
Anti-Corona-Plan der Frankenland-Klinik: Virus bleibt bislang vor der Tür

© Foto: Günter Blank

"Es war früher schon netter", sagt Dr. Rainer Tischendorf mit Blick auf die aktuelle Situation in seinem Haus. Gleichwohl blickt der Chefarzt der Frankenland-Klinik mit erkennbarem Stolz, vor allem aber erleichtert auf die vergangenen zwölf Monate zurück, ist es doch bisher gelungen, die Reha-Klinik vergleichsweise gut durch das Pandemie-Jahr zu steuern.

Bei Mitarbeitern wie Patienten gab es bis dato nur vereinzelte Infektionsfälle mit dem Coronavirus, die Weiterverbreitung wurde stets verhindert. Wie dies im gemeinsamen Kraftakt aller Beteiligten gelungen ist, schilderte das Hygieneteam der Klinik gegenüber der WZ. Zu diesem Trio gehören neben Tischendorf noch Dr. Wulf-Rüdiger Herzog, Oberarzt und Hygienebeauftragter des Hauses, sowie Thomas Löffler, Pflegedienstleiter und Hygienefachkraft der Klinik.

Die Formel für den Erfolg der Klinik – sie ist eine von acht der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (DRV) – scheint einfach: Ein stimmiges Hygienekonzept und dessen stringente Durchsetzung, dazu etwas Glück. Tatsächlich betrieben das Trio sowie die berufsgruppenübergreifende Hgyienekommission vom Anbeginn der Pandemie viel Aufwand in puncto Prävention und Aufklärung.

Kaum war im März 2020 der Katastrophenfall festgestellt, machten sich die hauseigenen Handwerker an die Arbeit, schnitten eilends besorgte Plexiglasplatten zu und platzierten sie in Halterungen auf den Tischen im Speisesaal. Ergebnis: Jeder zweite Platz bleibt frei, die Patienten sitzen diagonal versetzt hinter Scheiben. Gespeist wird in zwei Schichten, in der 20-minütigen Pause wird gelüftet und desinfiziert. Außerhalb von Patientenzimmern herrscht Maskenpflicht, Patienten wie Mitarbeiter müssen überall im Haus Maske tragen – auch während der Therapie.

Dies sind nur einige der Maßnahmen, welche frühzeitig umgesetzt wurden, durchaus gegen Widerstände seitens der Patienten, wie sich Tischendorf erinnert. Mittlerweile gebe es kaum noch Klagen, vielmehr zögen die Mitarbeiter und die meisten Patienten hervorragend mit.

Eines der Hauptinstrumente zur Corona-Prävention sind die Schnelltests. Patienten werden bei der Aufnahme, fünf Tage später und danach wöchentlich getestet, um auch "schlummernde Infektionen", wie Herzog den Zustand zwischen Infektion sowie Ausbruch und Übertragung beschreibt, frühzeitig zu erkennen. Die Mitarbeiter werden ebenso getestet, wer wie auch immer gearteten Kontakt zu einem Infizierten hatte, sogar eine Woche lang täglich vor Arbeitsbeginn. Ohnehin gilt in der Klinik, was Tischendorf so zusammenfasst: "Jeder wird getestet, der eine gewisse Zeit im Haus verbringt."

Dies hat dazu geführt, dass bislang zwar sechs Patienten und drei Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet wurden, das Virus aber nie im Haus weitergetragen wurde. Dank des Hygienekonzepts wurde noch kein Mitarbeiter zur Kontaktperson der Kategorie 1 erklärt, alle konnten weiterarbeiten. Der jüngste Fall trat erst diese Woche auf, als dank der engmaschigen Testreihen ein Patient positiv getestet wurde. Er war nach einer Operation zur Anschlussheilbehandlung in die Klinik gekommen, Tests bei der Entlassung aus der Akut- wie bei der Aufnahme in der Reha-Klinik waren negativ, wenige Tage später offenbarte ein Test die Infektion und der Patient wurde zurückverlegt.


Kiliani-Klinik in Bad Windsheim übernimmt Intensivpatienten von Unikliniken


Die Schnelltests sind nicht das einzige Mittel, das die Klinik zur Prävention nutzt. Es geht damit los, dass jeder Patient bei der Aufnahme eine schriftliche Information mit Verhaltensregeln erhält. Die obligatorische Begrüßung und kleinere Vorträge wurden in die Mehrzweckhalle verlegt, große Vorträge werden via Hausfernsehen verbreitet. Über den Kanal werden auch alle Patienten informiert, sobald ein Infektionsfall in der Klinik bekannt wird.

Mit Schaudern erinnern sich Rainer Tischendorf, Wulf-Rüdiger Herzog und Thomas Löffler an den ersten Corona-Fall im Haus. Es war der Pfingstsamstag 2020: Trotz aller Maßnahmen war ein Patient positiv auf das Virus getestet worden. Dann ging es schnell, erinnert sich Herzog. Mit Unterstützung von Dr. Thomas Baumeister, Leiter des Gesundheitsamts in Neustadt, sei es gelungen, Abstriche der Kontaktpersonen umgehend in ein Labor der Uni Erlangen zu bringen, schon am Sonntag kam die Entwarnung. Ohnehin ist das Trio vom Hygieneteam angetan von der Kooperation mit Gesundheitsamt, Impfteams und Landratsamt.

Anti-Corona-Plan der Frankenland-Klinik: Virus bleibt bislang vor der Tür

© Foto: Günter Blank

Die Verfügbarkeit des zur Umsetzung des Hygienekonzepts nötigen Materials hinkte den ehrgeizigen Vorstellungen der Klinik gerne mal hinterher. Erst mangelte es an Schutzmasken, später an Schnelltests, ganz nebenbei stieg der Preis für eine Box Einweghandschuhe schon mal von drei auf 15 Euro, nennt Thomas Löffler nur einige der Widrigkeiten.

Neben Abstands- und Hygieneregeln müssen Patienten diverse Einschränkungen in Kauf nehmen. So gilt ein generelles Besuchs- und Beurlaubungsverbot. Patienten dürfen sich nicht einmal im Kurpark mit Angehörigen treffen und der Wochenend-Trip nach Hause: gestrichen.

Mehr als 95 Prozent der Patienten verhalten sich vernünftig, sagt Rainer Tischendorf. Ausnahmen bestätigen die Regel. Etwa jene sieben Männer, welche vor einigen Wochen Besuch von der Polizei bekamen, als sie im Kurpark dem Genuss von Alkohol frönten und Musik hörten. Sie wurden von der Klinikleitung ebenso nach Hause geschickt wie eine Frau, die mit ihrem Partner eine Spritztour im Auto unternahm, im Handschuhfach ihren Zimmerschlüssel vergaß und dies gestand.

Angebot umstrukturiert

Das therapeutische Angebot der Klinik wurde in Teilen umstrukturiert. So wurden Gruppen gedrittelt. Für die Therapeuten bedeutet dies Mehrarbeit, weil sich ihre Arbeitszeit schnell mal bis in den Abend hineinzieht, für die Patienten verbessert sich sogar die Qualität der Therapie, weil die Gruppen kleiner sind.

Patienten mit Schuppenflechte müssen laut Herzog derzeit auf einen "Erlebnisfaktor" verzichten. Weil die Franken-Therme geschlossen ist, müssen sie für ihre Solebäder mit Wannen vorlieb nehmen. Das sei nicht vergleichbar mit dem Schweben im Salzsee, die Photo-Sole-Therapie sei dank einer Solestandleitung zwischen Therme und Klinik aber nicht beeinträchtigt. Gravierender sind die Auswirkungen für externe Nutzer der Klinikeinrichtungen. Die Rheumaliga etwa bleibt ebenso außen vor wie teilstationäre Patienten, ambulante Reha-Maßnahmen sind ausgesetzt. Auch die ärztliche Ambulanz wurde heruntergefahren.

Sehr hohe Auslastung

So läuft der Betrieb in der Klinik mit Einschränkungen, aber er läuft – auch seit Ausbruch der Pandemie ohne Unterbrechung. Laut Sandra Skrzypale, Pressesprecherin der DRV Nordbayern, war das 187-Betten-Haus 2020 zu 74,6 Prozent belegt – nach 99,7 Prozent 2019. Der Rückgang ist auch der Tatsache geschuldet, dass zur Einhaltung der Hygiene- und Infektionsschutzvorgaben nur 160 Betten zur Verfügung stehen, die anderen 27 befinden sich auf Station 2, welche zur Isolierstation umgewidmet wurde. Verbleibt eine maximale Belegungsquote von 85,6 Prozent. Am 11. März war das Haus zu 83,4 Prozent belegt.

Besagte Isolierstation war vor Jahresfrist zur Herausforderung geworden. Infolge einer Verfügung des Gesundheitsministeriums wurden dort über ein Vierteljahr hinweg jeweils bis zu zehn "multimorbide Leute" (Tischendorf) respektive "Pflegefälle der höchsten Kategorie" (Herzog) betreut: Bewohner von Pflegeheimen, welche nach Krankenhausaufenthalten für die Dauer ihrer Quarantäne aufgenommen wurden, weil viele Heime noch keine Isolierstation hatten. Mitarbeiter von Pflege und Physiotherapie der Klinik schoben hier Nachtschichten.

Anti-Corona-Plan der Frankenland-Klinik: Virus bleibt bislang vor der Tür

© Foto: Günter Blank

Die Pandemie ist nicht vorbei, die Zwischenbilanz von Chefarzt Tischendorf Folgende: "Es war spannend, aber es war auch schön, weil es geklappt hat, weil die Aufgaben gelöst werden konnten." Und es habe die Berufsgruppen im Haus zusammengeschweißt, denn die Aufgaben konnten nur im interdisziplinären Zusammenwirken gelöst werden.

Aktuell läuft die Impfung der Mitarbeiter. 50 wurden bereits erstmals im Haus geimpft, etwa zehn haben dies anderweitig erledigt, 80 weitere sollten gestern ihre erste Spritze bekommen, doch der zwischenzeitlich wieder aufgehobene Impfstopp für das Präparat von Astrazeneca hat für Verzögerung gesorgt. Nächste Woche geht es weiter, hofft Herzog und spricht von einer fast hundertprozentigen Impfbereitschaft.

Optimistischer Blick

So blicken die Drei vom Hygieneteam allen Widrigkeiten zum Trotz optimistisch in die Zukunft ihrer Klinik. Die Warteliste kann das Haus auf zehn Monate hinaus füllen. Und Tischendorf setzt auf die Nachhaltigkeit umsichtigen Handelns: "Ich habe das Gefühl, dass trotz der Einschränkungen die Patienten sich hier wohl und sicher fühlen, weil sie merken, dass das Maximale getan wird, damit sie sich nicht infizieren."

Gegen anders geartete Ängste haben auch Tischendorf, Herzog und Löffler bislang kein adäquates Mittel. So hat eine Frau ihre Reha nicht angetreten, weil sie keinen Schnelltest machen wollte. Ihre Befürchtung zur Begründung: Die Klinik verkauft ihre DNA an die CIA. Gar nicht nett.