Christian Schmidt: "Es ist einfach zu viel Milch auf dem Markt"

8.4.2016, 11:14 Uhr
Christian Schmidt:

© Gabriele Graßl

Herr Schmidt, was hat die Misere auf dem Milchmarkt aus ihrer Sicht ausgelöst?

Christian Schmidt: Es ist einfach zu viel Milch auf dem Markt. Die Nach­frage ist zwar ganz anständig, doch das Angebot auf dem Weltmarkt und auch in Europa ist viel zu groß. Das Auslaufen der Milchquote hat zu ho­hen Investitionen geführt. Die Inve­stitionskredite müssen jetzt bedient werden. Je geringer der Deckungs­beitrag pro Liter Milch, desto mehr Milch müssen die Betriebe absetzen. Deshalb haben wir diese absurde Produktionsspirale nach oben. Es wird nicht weniger produziert, wenn der Preis fällt, sondern meist noch mehr.

Viele Milchbauern, auch in der Re­gion, haben Existenzängste und for­dern Hilfe von der Politik. Wie gehen Sie damit um?

Schmidt: Ich kann diese Ängste ver­stehen. Das Milchgeld war früher fast ein fixer Ertrag. Dann kam die Milchquoten-Regelung vor 32 Jahren. Seit gut einem Jahr müssen sich die Bauern jetzt in einem freien Markt behaupten, auf dem die Schwankun­gen im Moment extrem hoch sind. Das Problem ist nur: Der Wunsch nach schnellen, einfachen Lösungen ist groß, doch die gibt es einfach nicht. Der Staat kann nicht alles len­ken. Eine staatliche Mengensteue­rung, die manche als Lösung erach­ten, sind auf globaler und EU-Ebene auf einem offenen Markt nicht mehr möglich.

Was können Sie dann überhaupt für die Landwirte tun?

Schmidt: Ich will, dass wir bei den Molkereien ansetzen und sie unter­stützen, die Steuerung der Produk­tionsmenge besser in den Griff zu be­kommen. Im Moment liegen die Risi­ken, die den Milchpreis und die Ko­sten betreffen, alleine beim Erzeuger. Da müssen wir etwas ändern. Der Bauer als Erzeuger muss in der Wert­schöpfungskette bessergestellt wer­den. Das geht auch über eine Ver­schärfung des Verbotes von Verkäu­fen unter dem Einstandspreis. Wir haben zudem ein Liquiditätshilfepro­gramm mit einem Volumen von rund 70 Millionen Euro aufgelegt. Außer­dem haben wir die Beiträge zur land­wirtschaftlichen Unfallversicherung in 2016 um zusätzlich 78 Millionen Euro gesenkt. Die Direktzahlungen der EU sind eine weitere wichtige Einkommenssicherung für die Land­wirtschaft in Deutschland.

Hört sich so an, als wenn schnelle Besserung erst einmal nicht zu er­warten ist ...

Schmidt: Kurzfristig wohl eher nicht. Die Milchpreisverhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel vor kurzem haben erst einmal eine weite­re Verschlechterung gebracht. Lang­fristig sprechen die wachsende Welt­bevölkerung und neue kaufkräftige Märkte aber schon für eine Entspan­nung der Marktlage. Deswegen wür­de ich aktuell dringend empfehlen, mit großen Investitionen vorsichtig zu sein. Man muss einfach sagen: den Milchbauern geht es gerade echt schlecht. Keine Frage. Es ist existen­ziell für viele Milchbauern, dass der Preis wieder hochgeht. Dafür tragen alle Verantwortung, vom Verbrau­cher bis zum Erzeuger. Wir alle dür­fen aber bitte nicht glauben, dass der Staat alles zum Guten wenden kann. Der Markt muss funktionieren.


 

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