München, Venedig, Bad Windsheim

24.1.2019, 13:56 Uhr
München, Venedig, Bad Windsheim

© Foto: Stefan Blank

Als Thomas Oppermann in einen Wintermantel gehüllt die Seegasse entlangspazierte, das Rathaus in Augenschein nahm, lief der Schulleiter des Stellergymnasiums Uwe Nickel neben ihm. Im August dieses Jahres war dies mehrere Tage lang ebenfalls so. "Wir beide gehören zu den Verrückten", sagte Oppermann, dessen erster Stopp bei seinem Premierenbesuch in Bad Windsheim das Gymnasium war. "Es war aber ein großartiges Erlebnis. Wenn ihr euch mal richtig was vornehmen wollt. Das wäre was." Gemeint war die Alpenüberquerung, bei der er und Nickel sich kennengelernt hatten.

Der Schulleiter saß an einer Bergspitze, erholte sich kurz von den Wanderstrapazen des sogenannten Traumpfads über die Alpen, als ein Mann mit Sonnenbrille seinen Weg kreuzte, ihn grüßte. Dieser Wanderer, der mit einem Professor aus Hamburg unterwegs war, sah aus wie Thomas Oppermann. Nickel fragte den Professor kurz darauf: "Das ist doch Thomas Oppermann, oder?" Und so kamen der Schulleiter und der Bundestags-Vizepräsident ins Gespräch, sie übernachteten auf den gleichen Hütten, frühstückten zusammen, trafen sich zum Pausemachen. Schließlich vereinbarten sie einen Besuch von Oppermann in der Kurstadt und so redete der ehemalige SPD-Fraktionschef im Bundestag am Mittwochmorgen über Demokratie und Europa, Brexit und Populismus, aber auch die Legalisierung von Cannabis.

In seiner rund eine halbe Stunde dauernden Rede beschäftigte sich Oppermann mit der Frage: "Was ist eigentlich los in Deutschland?" Von innen her betrachtet sehe man vor allem die Probleme. "Die meisten Menschen auf der Welt sehen aber von außen auf Deutschland und sehen ein wunderbares Land." Oppermann sprach frei und die meisten Schüler lauschten so still und interessiert, wie sie wohl auch viele Lehrer selten erlebt hatten. "Unser politisches System wird von zwei Seiten unter Druck gesetzt", erklärte Thomas Oppermann. "Durch Populismus von innen und Nationalismus von außen." Kompromisse seien nichts Schlechtes, kein Zeichen von Schwäche. Und: "Populisten haben für kein Problem eine Lösung, aber für jedes Problem einen Schuldigen." Dieses Sündenbock-Schema halte er für gefährlich, sagte der 64-jährige Niedersachse. Zudem habe der Brexit seine Meinung zu Volksentscheiden verändert. "Ich bin da skeptischer geworden." Die Rede und auch die Fragerunde der Schüler im Anschluss bezeichnete Stellvertretender Schulleiter Dr. Bruno Kuntke später als "Parforceritt durch verschiedene Themen", Nickel als "emotional" und Bürgermeister Bernhard Kisch habe der Vortrag beeindruckt und motiviert.

Die Fragen der Schüler beschäftigten sich mit den Themen Tempolimit auf Autobahnen, Große Koalition, die Zukunft der SPD, Migrationspolitik, Wahlrecht und der Alternative für Deutschland. Zur Legalisierung von Cannabis sagte der Bundestags-Vizepräsident lachend: "Ich habe schon lange keins mehr geraucht." Von einer allgemeinen Legalisierung halte er aber nichts. "Wenn alle kiffen, wird die Welt dadurch auch nicht besser. Da trinke ich lieber einen anständigen Frankenwein."

Oppermann nahm sich im Anschluss noch Zeit für Fotos mit den Schülern und Gespräche in kleinen Runden, zeigte sich höflich und sehr interessiert, ehe er sich zu Fuß mit seinem Wandergenossen Nickel und Kisch auf den Weg zum Rathaus machte. Dabei erhielt er allerlei Informationen zu Gebäuden und die Region, die er "unglaublich interessant" nannte. Im Sitzungssaal hörte sich Oppermann noch einen Werbeblock von Kisch über die Stadt und von Landrat-Stellvertreter Dr. Bernd Schnizlein über den Kreis sowie Wünsche an die Bundespolitik an. Kisch sprach den Stillstand am ehemaligen Telekom-Gebäude an der Johanniterstraße an, Schnizlein die Kreiskliniken, zu denen Oppermann den Tipp gab: "Behalten Sie beide. Lassen Sie sich nicht einreden, sie bräuchten nur eine."

Bevor sich der Vizepräsident mit seinem Bundestags-Kollegen Carsten Träger auf den Weg weiter nach Ammerndorf machte, trank er zwar nicht wie beim Blick auf das Marmolata-Massiv einen Heuschnaps, hatte aber noch Lob für die Kurstadt parat. "Es ist eine große Bereicherung und Ehre für mich, Bad Windsheim kennenlernen zu dürfen." Und zu seinem Alpen-Überquerer-Kollegen Nickel: "Uwe, Du hast eine tolle Stadt, eine tolle Schule, es macht Spaß, hier zu sein."

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