Welt-Down-Syndrom-Tag: "Es wird ihnen zu wenig zugetraut"
21.03.2021, 06:00 UhrDer siebenjährige Luke tobt mit seiner Schwester auf dem Trampolin. Er will unbedingt die Arschbombe zeigen und hüpfen auf einem Bein kann er auch, wie er stolz erzählt. Er lacht viel, er ist ein fröhliches Kind, aber auch ein besonderes. In seinen Körperzellen ist das Chromosom 21 drei statt zwei Mal vorhanden. Trisomie 21 heißt diese Genmutation. Der Sonntag – der 21. März – ist deshalb nicht von Ungefähr der Welt-Down-Syndrom-Tag.
Adele Snel sagt. "Wir sind eine glückliche Familie." Die 46-Jährige hat zwei erwachsene Söhne, als Nachzügler kamen der Luke und die dreijährige Enna dazu. Erst nach der Geburt hat sie erfahren, dass Luke das Down-Syndrom hat. "Das ist ein einschneidendes Erlebnis", sagt sie. Umso mehr ist es ihr wichtig, dass Frauen gut begleitet werden in dieser Situation, dass Ärzte und Schwestern entsprechend geschult sind.
Sie habe kämpfen müssen, damit sie mit ihrem Kind zusammen in eine Würzburger Klinik verlegt wurde, nicht kurz nach der Geburt von ihm getrennt wurde. Die Ärzte fürchteten, dass Luke Folgeerkrankungen haben könnte. Eine junge Mutter hätte sich das vielleicht nicht getraut. "Wenn du dein Kind im Arm hast und in seine Augen schaust, dann liebst du es und es liebt dich", beschreibt sie ihre Erfahrung.
Genau die richtigen Worte
In der Missio-Kinderklinik in Würzburg, die mehr Erfahrungen mit Kindern mit Down-Syndrom habe, sei sie dann auf eine Schwester getroffen, die genau die richtigen Worte fand. Wie ihr Mut gemacht wurde, habe sie bis heute geprägt. Und Adele Snel will auch anderen Müttern Mut machen, ihr Kind trotz Down-Syndrom zu bekommen. "Warum soll ich nicht leben dürfen?" Das hätten auch Menschen mit Down-Syndrom, die durchaus für sich selber sprechen können, schon so hart formuliert.
Finanzielle Bedenken müssten kein Grund für eine Abtreibung sein, es gebe viele Hilfen. Am Anfang hätte sie auch nicht gewusst, was ihr alles zusteht. Deshalb wünscht sie sich noch mehr und besser gebündelte Informationen. Unterstützung gibt es, wie von der Ansbacher Elterninitiative, der sie selbst angehört.
Nicht jedes Down-Syndrom ist gleich. Es gebe Folgeerkrankungen wie Herzprobleme oder Epilepsie, von denen Luke keine hat. "Diese Eltern sind für mich die wahren Helden", sagt Adele Snel. Von einer leichten Lernbehinderung bis zu starker geistiger Beeinträchtigung reicht das Spektrum an Einschränkungen. Es gebe immer noch ein nicht zeitgemäßes Denken darüber, was Menschen mit Trisomie 21 alles nicht können. "Es wird ihnen zu wenig zugetraut. Man muss halt immer dranbleiben", aber "es geht unheimlich viel", sagt Adele Snel über die Förderung von Luke und anderen Kindern.
Akzeptanz ist heute größer
Laut der Internetseite des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte kommt bei 650 Geburten in Deutschland ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt. Sichtbar sind viele aber nicht, auch wenn die Akzeptanz heute größer ist. "Ich möchte mehr Kinder mit Behinderung in der Gesellschaft", plädiert Snel für Inklusion. Es gebe derzeit ein "verzerrtes Bild von Normalität". Sie findet zwar toll, was in der Franziskusschule geleistet werde, Luke soll aber eine Regelschule besuchen.
Im Kindergarten St. Elisabeth in Bad Windsheim hat sie gute Erfahrungen gemacht. Für die anderen Kinder ist es "ganz normal", dass Luke dabei ist. Sie ist überzeugt davon, dass es eine Bereicherung für Kinder ist, mit Gleichaltrigen mit Behinderung zu tun zu haben. Wenn etwas nicht klappt, dann müsse man kreativ werden. Luke ist eben "kein genormtes Kind". Aber: "Er leidet nicht an Trisomie 21, er hat sie." Luke sei nicht "der Behinderte", sondern in erster Linie einfach der Luke, ein Mensch mit einer Behinderung. Ihrer Erfahrung nach leben Menschen mit Trisomie 21 sogar eher zufrieden, sind für so vieles dankbar und haben eine innere Freude. Natürlich sei Luke aber auch mal frustriert, so wie jeder andere Mensch auch.
Für ihren Sohn wünscht Adele Snel sich ein möglichst selbständiges und glückliches Leben. Ihre größte Sorge ist, dass er an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird, dass Menschen oder Arbeitgeber sich vor ihm verschließen. Damit das nicht so ist, tut sich alles, was sie kann, und hofft auf die anderen Menschen. "Jeder ist Gesellschaft."
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