Bamberger Ärzteteam hilft bei Wiederaufbau in Nepal
15.6.2015, 15:45 UhrEine derartige Unternehmung bedarf sorgfältige Planung und einen Mann, der dem Unterfangen vom "Backoffice" zu Hause den Rücken frei hält. Schnell war dem Team von Bambergers "FriendCircle WorldHelp" klar, dass diese Rolle Frank Schmitz zufallen sollte – wohingegen ein fünfköpfiges Team um den Chirurgen Michael Dykta nach Nepal aufbrechen würde.
Um die Effizienz der Hilfe bereits von der Heimat aus zu erhöhen, initiierten Frank und Co. eine Spendenaktion für Schlafsäcke und Zelte, deren Resonanz die Erwartungen gehörig übertraf: "Das war der Wahnsinn. Die Leute sind unglaublich hilfsbereit, insbesondere wenn sie wissen, wohin ihre Hilfe fließt.", freut sich Alexandra Schmitz.
Mit einer Empfehlung des Bürgermeisters, kiloweiße Übergepäck, einigen Befürchtungen aber noch mehr Hoffnungen machen sich Alexandra, Florian Dykta und Jürgen Lütke-Wenning am 9. Mai als Team 1 auf den Weg Richtung Himalaya. Michael Dykta und die Nürnbergerin Katrin Glöckle verstärkten die Gruppe ab dem 21. zusätzlich.
Über Delhi erreicht man per Inlandsflug Patna, eine Stadt im indischen Bundesstaat Bihar. Beim Verlassen des Flughafens erwartet das Team neben einem Kontaktmann bereits die indische Hitze mit 41 Grad. Per Minitruck und Jeep geht es – mit weiteren indischen Helfern auf der Ladefläche – nach Raxaul an die südliche Grenze Nepals. Dass unterwegs aufgrund der schlechten Straßen die Elektrik am Jeep ausfällt, ist für das erfahrene Team nicht mehr als eine Randnotiz.
Todesangst beim Erdbeben
Anders verhält es sich mit dem zweiten großen Erdbeben, dass die Himalaya-Region am 12. Mai, 17 Tage nach dem ersten, erfasst. Hier hat das Team Glück im Unglück: Aufgrund schlechter Wechselkursbedingungen entscheidet man sich in das zweieinhalb Stunden entfernte Motihari weiterzuziehen. Dort ist das Ausmaß des Bebens schwächer, statt 7.2 hat es eine Stärke von 5,2 auf der Richterskala. Der Wechselstube sind solche Werte egal, sie erbebt und wackelt trotzdem. Immer wieder schreit man den Gästen auf Hindi zu: "Raus! Sofort raus!" Fünfundzwanzig Sekunden hält das Beben an. Alexandras Bruder Florian befindet sich zu diesem Zeitpunkt in immenser Gefahr: auf einem Hausdach – in drei Meter Höhe. Alexandra berichtet von Todesangst um ihn: "Man hat in seinen Augen die Ratlosigkeit gesehen, ob es nun das geringere Übel wäre oben zu bleiben, oder in die Tiefe zu springen.", erzählt sie. Glücklicherweise bleibt Florian unverletzt.
Über tausend Familien erhalten Nahrungsmittel
Der Schock ist überwunden, trotzdem "fühlt sich die Erde noch minutenlang an wie ein schwankendes Boot". Beim Ex-Bürgermeister von Raxaul hat man zuvor bereits 15 Tonnen Reis und 15 Tonnen Mehl bestellt. Außerdem noch 3.500 Liter Trinkwasser. Das ergibt 3.000 Pakete lebenswichtige Hilfe. Doch gerade diese bereiten dem derzeit vierzehnköpfigen Team bis zur Zielregion Gorka die größten Schwierigkeiten. "Unser Banner war eine Einladung für endlose militärische Kontrollen auf der Wegstrecke, für 55 Kilometer haben wir 20 Stunden gebraucht", schildert Alexandra.
An der Regierungsstation will man das Team zwingen, alle Hilfsgüter auszuhändigen, bei einer Weigerung droht man gar mit Gefängnis. Ein Unding, nicht zu wissen, wohin die Hilfe gelangt. Man befürchtet Korruption, doch ein Kompromiss bringt den Durchbruch. Er ist eine absolute Ausnahme. In Begleitung einer wachsamen Regierungsbeamtin dürfen die Güter vor Ort selbst verteilt werden. Glücklicherweise hat sie ein sonniges Gemüt und verfasst am Ende sogar einen Dankesbrief für die Unterstützung. Die Zahlen sprechen Bände: Rund 1.200 Familien können mit Nahrung versorgt werden.
Dampfsterilisator für das eigene Medical-Camp
In Birgunj wird Team 2 (Michael Dykta und Katrin Glöckle), verstärkt von zwei indischen Krankenschwestern, in Empfang genommen. Unterwegs haben sie weiteres medizinisches Gerät wie einen Dampfsterilisator und eine Trage sowie Werkzeuge zum Wiederaufbau organisiert.
Der Bergführer und Übersetzer Mingmar berichtet, dass das Gebiet um Sunkhani vom ersten Beben komplett verschont geblieben sei, seit dem Erdbeben am 12.5. jedoch fast völlig zerstört sei. Die Landschaft gleicht einem Geröllfeld. Etwa 200 Menschenleben hat das letzte Beben hier gefordert. Mit vereinten Kräften eröffnen alle zusammen ein medizinisches Camp mit Aufnahmestation und OP-Raum in diesem Ort. Allein am ersten Tag können 200 Patienten erstversorgt werden. "Neunzig Prozent der Fälle waren internistischer Natur, aber beim Rest waren Michaels chirurgische Fähigkeiten gefragt", erläutert Alexandra. Die folgenden Tage gleichen einem "Behandlungsmarathon". Besonders schwere Fälle werden an das nächstgelegene Krankenhaus weitergegeben. Zum Wiederaufbau werden derweil Hammer, Sägen, Nägel und Ähnliches an 1.650 Familien in neun umliegenden Dörfern ausgegeben.
Man arbeitet unter Entbehrungen, bei drei, vier Stunden Schlaf. Oftmals nur zusammengehalten von Chai oder Cola. "Es ist beeindruckend, wie sehr der Geist doch den Körper kontrollieren kann.", beschreibt Alexandra eine ihrer Erfahrungen. Auch das Militär unterstützt jetzt bei allen Aufgaben. Dem Stromgenerator mit Mehrfachsteckdose kommt eine weitere zentrale Bedeutung für die Einheimischen zu: Aufladen des Handys. Mag dies aus westlicher Perspektive zunächst seltsam anmuten, geht es aber darum, Verwandte über das eigene Wohlergehen zu unterrichten. Obwohl die Menschenschlange auch am letzten Tag nicht zu enden scheint, gelingt es bis zum Nachmittag auch den letzten Patienten zu versorgen und die Wiedereinreise nach Indien anzutreten.
Wiederaufbau beginnt – Ronja erhält neues Zuhause
Als persönliches Highlight beschreibt Alexandra den Kontakt mit einem kleinen, etwa elfjährigen Mädchen, vom Team "Ronja" genannt. Offenbar traumatisiert will sie keine Rupien annehmen oder sprechen. Als sie verschmutztes Flusswasser trinkt, wird man aktiv und beginnt sie zu versorgen. "Sie hat sieben Reisteller verputzt, mein Bruder schafft gerade zwei", unterstreicht Alexandra die schwierige Situation des Mädchens. Da trotz intensiver Suche keine Verwandten auffindbar sind, der kleinen "Ronja" aber seitens der Einheimischen eine tendenziell indische Herkunft zugesprochen wird, reist sie mit dem Team wieder zurück an die Grenze Indiens. Zur großen Erleichterung aller "FriendCircle WorldHelp"-Mitglieder kann ihr dort ein Platz in einem beschaulichen Heim mit sieben anderen Kindern vermittelt werden.
Nach knapp drei Wochen in der Krisenregion zieht Alexandra ein positives Fazit. "Es ist faszinierend, wie mit vergleichsweise wenig finanziellem Aufwand so vieles bewegt werden kann". Neben der Zurverfügungstellung von medizinischer Grundversorgung war vor allem folgender Eindruck wirksam: Gleich nach der sorgsamen Verteilung der Werkzeuge beginnt der Wiederaufbau. Außerdem bleiben Alexandra "unglaublich fleißige und hilfsbereite nepalesische Menschen" in Erinnerung. Die positive Resonanz aus der Heimat sei für das Team stets ein wahnsinniger Motivator gewesen.
Im August übernimmt die Nürnbergerin Katrin Glöckle die Nachbereitung der Hilfsmission für den "FriendCircle WorldHelp" vor Ort. Dabei ist auch der Besuch der kleinen "Ronja" geplant.
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