Mahnwache in Bamberg gedenkt den Opfern von Hanau

22.8.2020, 17:57 Uhr
Mahnwache in Bamberg gedenkt den Opfern von Hanau

© Felix Schwarz

Ein Anschlag, der die Republik schockierte und für bis heute anhaltende Diskussionen sorgt: Am 19. Februar schoss ein Mann auf der Straße, in einem Kiosk sowie vor und in Shishabars auf Menschen. Dabei starben neun Personen, sechs weitere trugen Verletzungen davon. Alle Todesopfer haben Migrationshintergrund. Im weiteren Verlauf des Anschlags brachte der Täter seine Mutter und sich selbst um. Das Bundeskriminalamt (BKA) bewertet die Tat als eindeutig rechtsextremistisch.

Vor dem Anschlag verbreitete der Täter eine Schmähschrift im Internet. Darin schrieb er über seinen Lebensweg, sein rassistisches, islamfeindliches, antisemitisches und von verschiedenen Verschwörungstheorien geprägtes Weltbild und rief zum gewaltsamen Kampf und zur Vernichtung der Bevölkerung ganzer Staaten auf. Die Tat löste eine Debatte über die Bekämpfung von Rechtsextremismus und das Waffenrecht in Deutschland aus.

Damit die Opfer nicht in Vergessenheit geraten, initiierte das Bamberger Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus" eine Mahnwache am Bamberger Gabelmann, an der etwa 60 Personen teilnahmen. Die Teilnehmer hielten die Hygienevorschriften überwiegend ein. Neben einer Schweigeminute und Audioaufnahmen von Verwandten der Opfer gab es mehrere Redebeiträge.

Jede und jeder muss sich an die eigene Nase fassen

Hilal Tavsancioglu berichtete von ihren persönlichen Erfahrungen mit Rassismus. Wiederholende Fragen nach der "wahren" Herkunft und Witze im Alltag täten weh, auch wenn sie nicht explizit rassistisch gemeint sind. Aus ihrer Sicht werde Rassismus angelernt und könne deshalb ebenso wieder verlernt werden. "Dafür muss Rassismus offen diskutiert und kritisiert werden", so Tavsancioglu.

Hanau sei nur die Spitze des Eisbergs, Rassismus stelle ein strukturelles Problem in Deutschland dar. "Es braucht konkrete Handlungen und konkrete Solidarität. Gegen Vorurteile, Witze und Benachteiligungen sollte jede und jeder ankämpfen und sich manchmal auch an die eigene Nase fassen. Durch Demos und Mahnwachen können wir den öffentlichen Druck erhöhen", führte Tavsancioglu aus. "Hanau darf sich nicht wiederholen."

Günther Pierdzig kritisierte das Handeln der Sicherheitsbehörden: "Egal ob die Anschläge des NSU, der Fall Walter Lübcke oder Anschläge auf Synagogen: Die Täter werden als Einzeltäter verharmlost." Pierdzig ist der Auffassung, dass Rassismus in Deutschland System habe und nicht konsequent genug dagegen vorgegangen werde. Rassismus könne zum Faschismus führen. "Faschismus ist jedoch keine Meinung, sondern ein Verbrechen."

Kritik am Ankerzentrum in Bamberg

Max B. äußerte sich kritisch über die Debattenkultur in Deutschland. Solange Themen wie eine Leitkultur oder Patriotismus in der Diskussion stünden, werde Rassismus Teil der Gesellschaft bleiben. Aus seiner Sicht werde dieser von Teilen des politischen Spektrums unterstützt. "Die Täter vernetzen sich im Internet und planen Anschläge. Hier muss der Staat stärker durchgreifen."

Thomas Bollwein vom bayerischen Flüchlingsrat hinterfragte den Umgang mit Migrantinnen und Migranten aus dem Balkan. "Menschen aus dieser Region werden als Wirtschaftsflüchtlinge stigmatisiert. Viele werden ohne Prüfung abgeschoben. Die Anerkennungsquote liegt bei gerade mal 50 Prozent", so Bollwein. Zudem nahm Bollwein das Ankerzentrum in Bamberg ins Visier. Dort gebe es Sicherheitskräfte, die mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werden könnten. Diese Probleme würden von der Politik unzureichend bekämpft werden.

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