TiG Bamberg inszeniert "Die Unzertrennlichen"
10.12.2015, 09:49 UhrZu Besuch bei Marina und Günther. Sie, die attraktiv-sittsame Grundschullehrerin, er der aufstrebend-technikaffine Beamte. Ihr ganzer Stolz: die neue, 600.000 Euro teure Eigentumswohnung. Der lang ersehnte Ausgangspunkt für eine idyllische, kleinbürgerliche Zukunft! Eigentlich. Denn mit jeder weiteren Szene wird dem als Besucher eingebunden Zuschauer bewusst: Unzertrennlich sind in dieser schmucken Hütte nur zwei Gesellen - die afrikanischen Papageien der Gattung Agarpornis.
Da Günther (Thomas Paulmann) zunächst das Gästezimmer vorbereiten muss, übernimmt Marina (Olga Seehafer) die Einführung. Betont affektiert berichtet sie vom neuen Eigenheim, den sich liebevoll umsorgenden Papageien und dem nervigen Tablet ihres Mannes. Stets bedacht, die aufgesetzte Fassade zu wahren, bietet sie den Zuschauern Getränke an und erzählt und erzählt. Peinliche Gesprächspausen zwischen ihr und ihrem Mann werden hinweggelächelt, Liebesbekundungen werden zur Floskel. Repetitiv verkündet, erscheinen sie dem Zuschauer zunehmend als konfirmativ geäußerte Wunschvorstellung und nicht als Realität.
Bevor Günthers Erinnerungen an ein Zeltabenteuer (natürlich mit einer Verflossenen und dem Zuschauer) zu viele Risse in die kolportierte, intakte Fassade der jungen Eheleute bringen, sorgt Marina im Wechselspiel mit dem Publikum für eine improvisierte Nachahmung einer Kennenlernszene späterer Eheleute. Diesmal fallen die Schlagworte "Gefängnis", "offenes Hemd" und "wilder Kuss".
In der Folge entsteht ein Zwiegespräch der beiden, in welchem der geneigte Zuschauer fortwährend Zeuge allerlei Nettigkeiten, später Uneinigkeiten und schließlich handfesten Boshaftigkeiten gegenüber dem Partner wird. Aus den unzertrennlichen Papageien im Hintergrund wird metaphorisch schnell das Damoklesschwert einer zur Zweckgemeinschaft bis zum Tode verdammten Generation Y. Stets bedacht auf die besonnene Auslebung eigener Bedürfnisse bei gleichzeitiger zielorientierter Lebensführung mit Optimierungsgebot.
Vom Preußen im Papagei und einenden Feindbildern
Freilich gebietet es diese zielorientierte Lebensführung in einer Partnerschaft zu leben. Schließlich ist das ach so tolle Wohnzimmer, ja schlicht das ganze Haus – ironischer Weise bestehend aus zwei Stühlen und einem Christbaum – alleine zu groß, zu teuer, zu einsam. Oder, um es im Sinne der Papageien zu verdeutlichen: Während Marina (naiv) von Liebe faselt, meint Günther (unterkühlt, rational) den "Preußen im Papagei" erkannt zu haben.
Kein Streitthema wird ausgelassen, gleich ob Schwiegermütter, Freunde oder Urlaubsziele. Aus Rückversicherungen werden Vorführungen, höhnische Nachfragen oder Themenwechsel. Für Entspannung sorgen die im Duett vorgetragenen und gekonnt von Jakob Fischer an der Gitarre begleiteten Liebeslieder. Sind die musikalischen Mittel aufgebraucht, darf gemeinsam mit dem Zuschauer Cluedo gespielt werden. Schließlich und endlich ist da ja auch noch der einende Feind (Nachbar!). Denn nach wie vor gilt: Die Fassade ist in jedem Fall zu wahren.
Während die Spielstätte in der Inszenierung von Nina Lorenz deutlich in den Hintergrund rückt, weiß die improvisierte Einbindung der Zuschauer amüsierend zu gefallen. Paulmann, ein neuer Mann beim TiG, überzeugt in der Darstellung alltäglicher Ehezerwürfnisse und findet in Seehafer eine kongeniale Partnerin. Dennoch wird das Publikum mit einem betrüblichen Denkanstoß entlassen: Das Gästebett im Nebenzimmer ist in Wahrheit kein Gästebett. Wie viele Schwächen des anderen kann man, ob Partner oder Papagei, aushalten und gemeinsam lösen?
Die Unzertrennlichen von Thomas Paulmann
Inszenierung Nina Lorenz
KLAngwerkstatt Seggelke & Schwenk, Obere Königstr. 15, Rückgebäude
Weitere Spieltermine: 9., 12., 16., 17., 18. Dezember,
Beginn jeweils 20 Uhr, Einlass 19.15 Uhr.
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