"Weisse Wölfe Terrorcrew": Freispruch vom Hauptvorwurf
14.12.2018, 16:55 UhrZwei wesentliche Tatvorwürfe, nämlich Bildung einer kriminellen Vereinigung und Störung des öffentlichen Friedens, haben sich nach Ansicht der Richter nicht nachweisen lassen – ebenso wenig, dass die Beschuldigten Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsheime planten. "Ich will aber dem Eindruck entgegenwirken, dass es sich hier um harmlose junge Menschen handelt", sagt Manfred Schmidt, Vorsitzender der Staatsschutzkammer.
Die vier Angeklagten zwischen 24 und 39 Jahren, die sich zur "Weiße Wölfe Terrorcrew" zusammengeschlossen hatten, verbrannten ein Banner mit der Aufschrift "Stammheim ist bunt" und warfen einen Gullideckel gegen die Glastür des Bamberger Cafés "Balthasar", einem beliebten Treffpunkt linker Aktivisten. Einer bestellte aus Polen rund 80 Kilogramm illegalen Sprengstoff, darunter vier Kugelbomben, mit denen man leicht Autos in die Luft jagen kann. Zwei der Beschuldigten drohten dem Wachmann einer Flüchtlingsunterkunft an, diese anzuzünden. "Die Leute werden nicht mehr an 'Rostock 1992' denken, sondern an 'Bamberg 2015'", soll einer getönt haben.
Am Vatertag 2015 waren die Vier im Zentrum Bambergs unterwegs, zwei von ihnen trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Bossmodus", wobei das Doppel-S wie die SS-Rune aussah, halb verdeckt von einem "Zensiert"-Schild. Sie provozierten wahllos Passanten und verprügelten drei junge Männer, die sie für Linke hielten.
Ein 33 Jahre alter Angeklagter, der sich vor allem bei jener Schlägerei hervortat, wird zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Er sitzt bereits in Zusammenhang mit einem anderen Körperverletzungsdelikt seit rund einem Jahr in U-Haft. Seine Ehefrau (39), die in der Partei "Die Rechte" aktiv ist, muss wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung 1875 Euro (125 Tagessätze zu je 15 Euro) Geldstrafe zahlen.
Ein 26-Jähriger wird zu einem Jahr und fünf Monaten Bewährungsstrafe verurteilt und muss als Auflage 2000 Euro an den Weißen Ring überweisen. Ihm rechneten die Richter hoch an, dass er ein umfassendes Geständnis ablegte und als Einziger Schmerzensgeld an die Geschädigten zahlte. Der jüngste Angeklagte, 24 Jahre alt, erhält ein Jahr und elf Monate Bewährungsstrafe und muss 1600 Euro an den Weißen Ring spenden.
Im Rahmen der Ermittlungen wurden 13 Terabyte Daten, darunter 1,3 Millionen WhatsApp-Nachrichten und 500.000 Telekommunikationsverbindungen, ausgewertet. Die Richter vernahmen rund 60 Zeugen. Dass die genannten Straftaten dem Willen einer Gruppe mit festen Führungsstrukturen geschuldet waren, ergab sich aus der umfangreichen Beweisaufnahme nicht. "Der Straftatbestand 'Bildung einer kriminellen Vereinigung' ist schwer nachzuweisen", fasst der Vorsitzende zusammen. Auch Staatsanwalt André Libischer hatte diesen Anklagevorwurf nicht aufrechterhalten.
Aufschlussreich waren die Chats in der WhatsApp-Gruppe trotzdem. Mehrfach schrieben Mitglieder, dass Asylbewerberunterkünfte brennen müssten und dass die Antifa "plattzumachen" sei. Nach der Prügelei mit den vermeintlichen Linken war von einem "hinterhältigen Angriff der Antifanten" die Rede. Die angeblichen hinterhältigen Angreifer, die sich übrigens als Polizisten in Zivil herausstellten, trugen zahlreiche Prellungen, Schürfwunden und weitere Verletzungen davon. Von Blessuren der angeblich hinterhältig Angegriffenen ist nichts bekannt.
Weitere WhatsApp-Kommentare zu der Schlägerei lauteten: "Denen werden wir zeigen, wer die Stadt regiert!", "Wir werden eine eigene SA aufstellen. Nationaler Sozialismus jetzt!" oder "Geil war's allemal, die haben richtig auf die Fresse bekommen!" Richter Schmidt meint: "Das zeigt, wes Geistes Kind die Angeklagten sind."
Das Medieninteresse am Prozessauftakt im Oktober war groß gewesen. Einige Tage zuvor waren in Sachsen und Bayern sieben mutmaßliche Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppe "Revolution Chemnitz" festgenommen worden. Sie sollen bewaffnete Angriffe auf Ausländer, Politiker und Journalisten ins Auge gefasst haben. Die "Weiße Wölfe Terrorcrew" hatte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) 2016 verboten.
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