Bär von Neumarkt: Ein Verwandlungskünstler ohnegleichen

André Ammer

2.3.2019, 10:05 Uhr

"Berlin 453 km" lesen die Verkehrsteilnehmer, wenn sie den Kurt-Romstöck-Ring in Neumarkt stadtauswärts befahren und den berühmten Bären von Neumarkt passieren. Eine lokale Berühmtheit ist die knapp 90 Zentimeter hohe und auf einem wuchtigen Sockel thronende Bronzestatue vor allem deshalb, weil unbekannte Spaßvögel sie seit vielen Jahren immer wieder neu ausstaffieren.

Während der Wintermonate wird das tierische Maskottchen der Neumarkter Altstadt regelmäßig warm mit Jacke, Handschuhen, Mütze und Schal eingepackt, zum Faschingsendspurt trägt Meister Petz mal ein rosa Ballettröckchen, mal ein Cowboy-Outfit, und im Sommer verwandelt sich der Berlin-Bär über Nacht schon mal in eine Seebärin und präsentiert sich im Sinne der Gendergerechtigkeit im knallbunten Bikini.

Und weil der so wandlungsfähige Geselle inzwischen Kultstatus genießt, haben ihm die Neumarkter Nachrichten vor geraumer Zeit eine eigene Facebook-Seite eingerichtet, auf der er das lokale Geschehen von seiner bärigen Perspektive aus kommentiert. Die Neumarkter Lokalredaktion unserer Zeitung ist auch deshalb so nah dran am Geschehen, weil man von deren Büro fast hinüber schauen kann zu dem possierlichen Tierchen. So dauert es meist nicht lange, bis das neueste Outfit entdeckt wird.

Die Geburtsstunde des Bären von Neumarkt schlug im Dezember 1989, wenige Wochen nach der Öffnung der Berliner Mauer. Auf Initiative des damaligen Oberbürgermeisters Kurt Romstöck (CSU) wurde der Bronzenachguss einer Skulptur des Berliner Künstlers und Restaurators Hildebert Kliem angeschafft und auf dem mittleren Grünstreifen der zentralen vierspurigen Verkehrsachse durch Neumarkt aufgestellt.

Viele Geschwister

Der schwergewichtige Import aus der Bundeshauptstadt hat viele Brüder, denn Nachbildungen von Kliems Schöpfung aus dem Jahr 1967 stehen in vielen Städten im In- und Ausland. Das Original war ein Geschenk des Bundes der Berliner und Freunde Berlins an Islands Hauptstadt Reykjavik, wo es seinen Platz vor der deutschen Botschaft hat. Kopien der Tierskulptur mit den nach vorne gereckten Pfoten stehen unter anderem in Santiago de Chile, im US-amerikanischen Dallas und auf Helgoland.

Wann der Bär von Neumarkt zum ersten Mal in einer nächtlichen Guerilla-Aktion eingekleidet wurde, weiß heute niemand mehr so genau. Und auch wer für die teils überaus pfiffigen Aktionen verantwortlich zeichnet, ist bis heute unbeantwortet geblieben. Im Verdacht stehen unter anderem die Schüler der benachbarten Gymnasien, doch die Kostümideen und auch der Stil und der Aufwand der Verkleidungsaktionen sind zu unterschiedlich, als dass man sie einer einzigen Gruppe zuordnen könnte.

So bezieht der oberpfälzer Kult-Bär zwischendurch auch politisch Position und trug während des Höhepunkts der Flüchtlingskrise ein T-Shirt mit der Aufschrift „Refugees welcome“. Ein anderes Mal mutierte er zum Gefähr-Bär mit Antifa-Hemd und Schild. Außerdem huldigt er zeitweise seiner Fußball-Leidenschaft, wenn er sich mittels FCN-Fanklamotten als Clubbärer outet oder seiner alten Liebe Hertha BSC huldigt und ein paar Tage lang blau-weiße Mütze und Schal trägt.

Bisweilen schlägt der Berliner Jung auch ein wenig über die Stränge, etwa wenn er als Rastafari einen dicken Joint in der Pfote hält oder wegen anderer bärauschender Substanzen wie einer Halben Bier oder einer Pulle Schnaps einen schlimmen Lebärschaden riskiert. Und einmal war definitiv Schluss mit lustig, als das Neumarkter Maskottchen wegen eines um die Hüften geschnallten Sexspielzeugs zum Saubären wurde.

Schnell wurde damals das Corpus delicti von den Mitarbeitern des städtischen Bauhofes entfernt, ansonsten aber sieht die Stadtverwaltung die Verkleidungsaktionen ziemlich gelassen. Nur wenn ein Outfit massiv gegen die guten Sitten verstoße, schreite man ein, erklärt Stadtsprecher Franz Janka.

Meist aber zeigt der Bär von Neumarkt durchaus Stil und Taktgefühl, etwa im Januar 2017 als Alt-Oberbürgermeister Kurt Romstöck im Alter von 91 Jahren starb. Zum Gedenken an den Politiker, der ihn einst in die Oberpfalz geholt hatte, trug der Berliner Einwanderer damals mehrere Tage lang eine schwarze Krawatte.

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