Bauer sucht Hof: "Kupplerin" will Höfesterben bremsen

André Ammer

Region und Bayern

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29.4.2020, 06:00 Uhr
Bauer sucht Hof:

© Foto: Oliver Berg/dpa

Tagsüber arbeitet Martina Schaff in Vollzeit für einen Großhändler für Apothekenbedarf, doch am Abend betätigt sie sich gerne als "Kupplerin". Seit drei Jahren betreibt die Tochter eines Landwirts ein Internet-Portal, auf dem sie landwirtschaftliche Existenzgründer und nach einem Nachfolger suchende Hofbesitzer zusammenbringt.

"Ich bin auf einem Vollerwerbsbetrieb in einer ländlichen Gegend aufgewachsen, doch nach der Schulzeit wurde das Leben in der Stadt für mich interessant", erzählt die mittlerweile in Stuttgart lebende Schaff. Und da auch ihre beiden Geschwister andere Pläne hatten, übergab der Vater den Bauernhof vor einigen Jahren an einen jungen Landwirt. Dabei bekam die junge Frau hautnah mit, wie kompliziert das Thema außerfamiliäre Hofübergabe sein kann.


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"Da prallen oft ziemlich unterschiedliche Vorstellungen aufeinander", erklärt Martina Schaff. Doch das Grundproblem sei, dass es da zwei Parteien gebe, die sich zwar suchen, aber oft nicht finden. Deshalb gründete sie die Plattform "Hof-gesucht-gefunden", damit nicht noch mehr landwirtschaftliche Betriebe von der Bildfläche verschwinden.

Das Höfesterben hat sich zwar verlangsamt, doch gerade in den traditionellen Größenklassen von zehn bis 50 Hektar Nutzfläche nimmt die Zahl der Betriebe nach wie vor ab. Nicht nur wegen der schwierigen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft, sondern auch wegen der oft ungeklärten Frage der Nachfolge.

Auch an den Bauern ist der gesellschaftliche Wandel nicht spurlos vorübergegangen. Früher war es ungeschriebenes Gesetz, dass der Älteste den Hof zu übernehmen hatte. Die Generationenfolge war meist gesichert, oft über Jahrhunderte, doch auch auf dem Land sind kinderreiche Familien seltener geworden. Darüber hinaus ergreift der Nachwuchs oft andere Berufe, weil er in der Landwirtschaft keine sichere Perspektive sieht. Oder weil er keine Lust hat, so wie Eltern und Großeltern sieben Tage die Woche um fünf Uhr aufzustehen, um das Vieh zu versorgen.

Gut ausgebildete Landwirte

Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche junge und gut ausgebildete Landwirte ohne Hof, die den Einstieg in die praktische Landwirtschaft wagen möchten. Leute wie Stephen Wertsch, der im Nebenerwerb einen mobilen Hühnerstall im Nürnberger Land betreibt und gerne einen Betrieb übernehmen würde. "Klein aber fein" ist dabei das Motto des gelernten Agrar-Betriebswirts für Ökolandbau. "Mehr als 20 bis 30 Hektar brauchen wir nicht", sagt der 39-Jährige, dessen Frau Katharina Agrarwirtschaft studiert hat, also ebenfalls "vom Fach" ist.

Das Paar hat sich in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Höfen angeschaut, doch in den meisten Fällen ist die Übernahme an den laut Stephen Wertsch "völlig überzogenen Preisvorstellungen" der Anbieter gescheitert. Viele Hofeigentümer würden nicht einsehen, dass nicht der Verkehrswert, sondern der Ertragswert eines Betriebes die Richtschnur für die Übergabe sein müsse. "Die Beträge, die da verlangt werden, lassen sich einfach nicht erwirtschaften", kritisiert der dreifache Familienvater. Oft treffe man auf Erbengemeinschaften, die vor allem Geld sehen wollten und gar kein so großes Interesse an der Zukunftsfähigkeit des angebotenen Hofes hätten, erzählt Wertsch, der sich für seinen Traum vom eigenen Hof nicht überschulden will.

"Viele junge Existenzgründer, die gerade ihr Studium abgeschlossen haben und vielleicht sogar noch Bafög-Schulden abzahlen müssen, haben natürlich gar nicht das Eigenkapital, um einen fremden Betrieb übernehmen zu können", weiß Christian Vieth, der das Vermittlungsportal "Hof sucht Bauer" betreibt. Deshalb sucht der gelernte Agraringenieur bei der Beratung von Anbietern und Interessenten oft nach anderen Wegen bei der Hofübergabe. Zum Beispiel ein lebenslanges Wohnrecht auf dem Hof für die Vorbesitzer.

Zwischen einem und fünf Jahren dauert es nach Vieths Erfahrungen, bis eine außerfamiliäre Hofübergabe geregelt ist. "Das ist ein Prozess, der Zeit braucht. Da geht es auch um Vertrauen, das erst wachsen muss", erzählt der Berater. Schließlich seien mit einem Hof, der oft über viele Generationen hinweg im Familienbesitz war, Emotionen und Erinnerungen verbunden. Das Erbe wollen die Hofbesitzer in guten Händen wissen.

Allzu romantische Vorstellungen

Deshalb gehen die Vorstellungen oft nicht nur beim Geld weit auseinander. Manche Interessenten haben auch ein bisschen zu romantische Vorstellungen vom Landleben. "Es gibt auch völlig branchenfremde Interessenten, bei denen man erst mal Aufklärungsarbeit leisten muss", erklärt Martina Schaff. Quereinsteigern empfiehlt sie, erst mal stundenweise am Wochenende oder im Urlaub bei dem Hofanbieter mitzuarbeiten, um zu sehen, ob man für dieses Leben überhaupt geschaffen ist.

Zurzeit sind etwa 80 Gesuche und 60 Angebote auf "Hof-gesucht-gefunden" online, und die Zahlen gehen laut der Betreiberin langsam aber stetig nach oben. Vor allem aus Bayern und Baden-Württemberg habe sie viele Anzeigen, erzählt Martina Schaff. Der Großteil der Interessenten sei an überschaubaren Betriebsgrößen interessiert, wolle nachhaltige Landwirtschaft beziehungsweise Biolandbau betreiben.

Unter anderem die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hat viele junge Existenzgründer in ihren Reihen, die mit dem Credo "Wachse oder weiche" nicht viel anfangen können. "Wir sehen den Einsatz von Fremdkapital sehr kritisch", sagt Isabella Hirsch, die fränkische Bezirksvorsitzende der AbL. Zumal die Preise für landwirtschaftliche Nutzflächen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind. "Da verpachtet ein Hofbesitzer seine Felder lieber an den expandierenden Nachbarbetrieb als an einen potenziellen Hofgründer, der sich finanziell vielleicht übernehmen würde", erklärt AbL-Sprecher Ulrich Jasper.

Stephen und Katharina Wertsch halten jedoch weiter die Augen offen und sehen sich unter anderem im Internet nach geeigneten Betrieben um, deren Besitzer die Philosophie des Paares in Sachen Nachhaltigkeit teilen. "Das Wichtigste ist, dass man sich sympathisch ist und dass man merkt, dass aus der Beziehung etwas Gutes entstehen kann", erklärt Christian Vieth. Manche der von ihm beratenen Landwirte sagen, das sei wie verliebt sein.

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