Bayern: Neue Spezialeinheit im Kampf gegen Kinderpornografie

Martin Müller

Redaktion Metropolregion Nürnberg und Bayern

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2.9.2020, 17:47 Uhr
Die Nachfrage nach kinderpornografischem Material ist riesig. Auch die Ermittler räumen ein, dass sie beim Kampf gegen die weltweiten Strukturen erst am Anfang stehen.

© imago images/photothek Die Nachfrage nach kinderpornografischem Material ist riesig. Auch die Ermittler räumen ein, dass sie beim Kampf gegen die weltweiten Strukturen erst am Anfang stehen.

Fünf Terrabyte an Daten stellten die Ermittler im März 2019 sicher, nachdem sie den Würzburger Logopäden Oliver H. festgenommen hatten. Darunter rund 500.000 Fotos und Videos, die sexuellen Missbrauch an Kindern zeigen.

Der 38-Jährige hatte selbst solche Videos produziert und sich in zwei evangelischen Kitas mindestens 64 Mal an Kindern vergangen, die zwischen zwei und sechs Jahre alt sowie oft körperlich oder geistig behindert waren. Dafür wurde er zu einer Haftstrafe von elf Jahren und vier Monaten verurteilt. Seine Verteidiger zogen gerade die eingelegte Revision zurück, das Urteil ist rechtskräftig.


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Neben den Bildern und Videos fanden die Ermittler aber auch Zigtausende Chatprotokolle von Unterhaltungen des Würzburgers mit anderen Tätern und Nutzern.

Aus dem Knast wurde ein Darknet-Forum betrieben

„Das war unser wertvollster Ermittlungsansatz“, betonte Mario Huber, Leiter des Dezernats Cybercrime beim Bayerischen Landeskriminalamt. Anfangs arbeiteten fast alle 60 Mitarbeiter des Dezernats an dem Fall – mit Ergebnissen, die unfassbare Zustände offenbaren.

So konnten sie die Handynummer des Betreibers eines Darknet-Forums für Kinderpornografie ermitteln. Es war eine österreichische Nummer. Als das österreichische BKA den Fall weiter bearbeitete, konnten es die Ermittler kaum fassen: Das Handy befand sich in einem Gefängnis in Wien. „Das Kinderpornografie-Forum wurde aus einer Wiener Haftzelle betrieben, mit einem dort versteckten Laptop“, sagte Huber, und zwar von bereits einschlägig vorbestraften Pädophilen. Weitere Häftlinge halfen mit, indem sie bei Freigängen USB-Sticks oder Prepaid-SIM-Karten besorgten.


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Auch ein Schweizer konnte identifiziert werden, der den fünfjährigen Sohn einer alleinstehenden Mutter, zu der er Kontakt hatte, sexuell missbraucht hatte. Als die Schweizer Polizei den Mann festnahm, stand ein erneuter Missbrauch unmittelbar bevor. „Wenn die Polizisten nur eine Minute später gekommen wären, wäre es schon zu spät gewesen“, verdeutlichte Huber.

Durch die Bearbeitung des Würzburger Materials wurden bislang 44 männliche Tatverdächtige namentlich identifiziert, davon 27 in Deutschland (die meisten Fälle in Nordrhein-Westfalen und Bayern).

"Die Ermittlungen sind praktisch nie zu Ende"

Bei 20 Usern gelang noch keine abschließende Identifizierung. In 13 Fällen laufen noch konkrete Ermittlungen gegen bis namentlich noch unbekannte Täter. Durch den Würzburger Fall kamen Ermittlungen nicht nur in den europäischen Nachbarländern, sondern auch in Mexiko, Ecuador, Jordanien, Tunesien oder den Philippinen ins Rollen.

„Bei Kinderpornografie sind die Ermittlungen praktisch nie zu Ende. Aus jeder sichergestellten Festplatte ergeben sich neue Spuren, die zu neuen Tätern und Opfern führen“, betonte der Bamberger Oberstaatsanwalt Thomas Goger. „Bei unseren Anstrengungen sind wir immer noch am Anfang. Was in unseren Statistiken auftaucht, ist nur ein kleiner Teil der tatsächlichen Fälle“, meinte Goger.

Deswegen wird der Kampf gegen Kinderpornografie im Internet in Bayern intensiviert. Bislang gibt es bei allen 22 Staatsanwaltschaften spezialisierte Staatsanwälte für diesen Bereich. Zusätzlich kümmerten sich vier Staatsanwälte einer Arbeitsgruppe bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) in Bamberg um besonders komplexe und aufwändige Fälle.

"Hinter jedem Bild steckt unvorstellbares Leid"

„Wir wollen den Verfolgungsdruck auf die Täter weiter erhöhen. Hinter jedem Bild steckt unvorstellbares Leid eines Kindes“, sagte Justizminister Georg Eisenreich (CSU) bei der Vorstellung von Bayerns neuer Spezialeinheit gegen Kindesmissbrauch.

„Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet“ (ZKI) heißt sie. Konkret bedeutet das, dass aus den vier Staatsanwälten bei der ZCB nun acht werden. Goger wird das ZKI leiten. „Ein Schwerpunkt wird die Verfolgung von Betreibern und Nutzern von Darknet-Foren sein“, sagte Eisenreich.

Eisenreich begrüßte zwar, dass sexueller Missbrauch von Kindern nun von einem Vergehen zu einem Verbrechen hochgestuft werden soll, forderte aber weitere Änderungen ein. So solle das Betreiben von Kinderpornografie-Plattformen im Internet zu einem eigenen Straftatbestand werden. „Wenn jemand nur die technische Infrastruktur dafür bereitstellt, kann er sonst nur schwer zu belangen sein“, verdeutlichte Bayerns Justizminister.

Plädoyer für Vorratsdatenspeicherung

Außerdem plädierte er klar für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. 2019 sollen aus den USA mehr als 2000 deutsche IP-Adressen, die bei der Verbreitung von Kinderpornografie auffällig geworden waren, an das Bundeskriminalamt gegangen sein. Diese konnten allerdings keinen konkrete Personen mehr zugeordnet werden.

„Ich verstehe die Widerstände nicht. Es geht ja nur um die Zuordnung von IP-Adressen, nicht um die Inhalte“, meinte Thomas Janovsky, Generalstaatsanwalt in Bamberg.

Der Großteil der kursierenden Bilder und Videos ist zwar seit Jahren im Umlauf, doch die Szene dürstet ständig nach neuen, so noch nicht gesehenen Aufnehmen, wie Mario Huber vom LKA veranschaulichte: „Die Brutalität des Materials, das neu angefertigt wird, hat zugenommen.“