Black Friday: So beeinflusst Corona die Schnäppchenschlacht
27.11.2020, 11:19 UhrHerr Professor Tripp, heute ist Black Friday. Haben Sie schon eine Einkaufsliste?
Christoph Tripp: Meine Familie und ich sind ganz typische Verbraucher. Wir kaufen, wie die meisten Kunden, teils online, teils im stationären Handel. Das hängt ganz von der Tagessituation und der Verfügbarkeit ab. Und jetzt Ende November rückt ja auch das Thema Weihnachten in den Blick.
Black Friday, Cyber Monday – in den Wochen vor Weihnachten ballen sich ja ganz offensichtlich die Aktionstage des Handels...
Tripp: Sie kommen genau zu dem Zeitpunkt, an dem man den Verbraucher darauf stoßen möchte: Ddenkt bitte an Weihnachten. Der Black Friday wurde vom stationären Handel in den USA ausgelobt. Die Online-Händler haben darauf mit dem Cyber Monday reagiert. Mittlerweile werden ganze Wochen darum gebaut. Das hat auch den Hintergrund, dass die Logistik eine große Herausforderung ist. Es ist für den Handel besser, wenn er das Weihnachtsgeschäft entzerrt. Alleine in Deutschland liefern die Paketdienste am aufkommensstärksten Tag vor Heilig Abend etwa 20 Millionen Pakete aus. Das heißt, von 40 Millionen Haushalten bekommt vor Weihnachten jeder zweite Haushalt an diesem Tag eine Sendung aus dem Online-Handel. Ein weiter wichtiger Grund für Aktionen wie Black Friday ist es, das Budget der Kunden frühzeitig zu sichern.
Befeuert der Black Friday eine neue „Geiz ist geil“- Mentalität?
Tripp: Das Thema „Geiz ist geil“ spielt nicht mehr „die“ große Rolle. Die Endverbraucher handeln natürlich preisorientiert. Sie schauen aber auch auf Qualität, informieren sich, wo die Ware sofort verfügbar ist und welcher Händler wie zuverlässig ist. Das kann der Online-Versand sein, der schnell liefert und unkomplizierte Retouren ermöglicht. Das kann aber auch der Händler vor Ort sein, bei dem ich mich gut beraten fühle.
Kleinere Einzelhändler können sich oft nicht an solchen Rabattschlachten beteiligen. Was können sie tun, um Kunden in ihre Läden zu locken?
Tripp: Sie sollten sich darauf besinnen, was sie wirklich gut können. Das ist hoffentlich Sortimentskompetenz, Beratung und der Kontakt zum Kunden. In einigen Bereichen, zum Beispiel in Bekleidungsgeschäften und im Elektronikhandel, ist das aber nicht mehr überall der Fall. Der Einzelhandel hat hier in der Vergangenheit zu stark auf die Kosten geschaut und Personal eingestellt, dass nicht die Begeisterung und die Kompetenz hat, die es eigentlich bräuchte. Der Kunde ist heute durch das Internet bestens informiert. In vielen Fällen weiß er über das Produkt mehr als der Verkäufer bzw. die Verkäuferin und ist dann enttäuscht von der Beratungskompetenz.
Sehen Sie Chancen für den Einzelhandel?
Tripp: Die größte Chance der lokalen Händler ist, nah beim Kunden zu sein. Ob online oder stationär – er ist in der Lage, dem Kunden ein Angebot zu machen und es noch am gleichen Tag zu erfüllen. Belieferung am gleichen Tag, das schafft momentan noch fast kein großer Online-Händler. Amazon arbeitet massiv an diesem Thema. Die Bedürfnisse des Kunden müssen in den Mittelpunkt gerückt werden. Dazu müssen Händler ihr Geschäftsmodell anpassen. Problematisch ist, dass der stationäre Handel den Online-Handel noch immer als Feind und Gegner betrachtet. Es ist schon lange nicht mehr so, dass der Kunde sich im stationären Handel beraten lässt und dann im Online-Handel kauft. Das belegen zahlreiche Studien. Im Gegenteil: Der Kunde informiert sich heute häufig online und kauft dann im Geschäft. Einzelhändler müssen überlegen, wie sie den Online-Handel in ihr Geschäftsmodell mit einbringen. Und sie müssen auch Social-Media-Kanäle bedienen, um ihre Kunden zu erreichen. Nur einen Online-Shop anzubieten, reicht nicht. Ein kleiner Händler hat nicht die Reichweite und die Streuung wie große Plattformen.
Das ist aber eine ganz schön große Herausforderung für viele Geschäftsleute.
Tripp: Es gibt viele Initiativen, zum Beispiel vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE), aber auch aus den Wirtschaftsförderungen der Kommunen. In einigen Mittelstädten gibt es zum Beispiel Projekte, die versuchen, gebündelte Bestellmöglichkeiten und Lieferservices zu schaffen. Der Einzelhandel muss Modelle entwickeln, die eine Brücke zum Kunden bauen.
Viele Kunden scheuen sich aus Angst vor einer Covid-19-Ansteckung, in die Innenstadt zu gehen. Wie wirkt sich die Pandemie auf unser Einkaufsverhalten aus?
Wir haben schon seit vielen Jahren deutlich weniger Frequenz in den Innenstädten. Corona hat diese Entwicklung beschleunigt. Menschen, die früher nie online eingekauft haben, tätigen jetzt Einkäufe über das Internet. Oder sie gehen ganz gezielt in ein Geschäft, kaufen die Produkte, die sie brauchen, und sind dann froh, wenn sie wieder raus sind. Das macht den Händlern natürlich zu schaffen.
Beim entspannten Bummel kauft man ja auch mal etwas, was man gar nicht auf der Liste hatte...
Tripp: Frequenz heißt für den Händler, er hat mehr Möglichkeiten, mit dem Kunden in Kontakt zu treten und ihm etwas zu verkaufen. Der Kunde kommt wegen eines Produkts und ich kann ihm noch etwas anderes anbieten. Ein typischer Fall für Bedarfsweckung ist ein Ikea-Einkauf. Da möchte man eigentlich nur einen Schrank kaufen und geht mit einem gefüllten Einkaufswagen wieder raus. Städte wie Nürnberg leben natürlich auch von solchen Impulskäufen. Die Kunden lassen sich sehr gerne von der Atmosphäre in der Innenstadt inspirieren.
Hat die Nürnberger Innenstadt überhaupt eine Zukunft?
Tripp: Nürnberg hat eine der attraktivsten Innenstädte Deutschlands. Der stationäre Handel hat hier natürlich eine Zukunft. Noch wird der größte Teil des Kundenbudgets in den Geschäften ausgegeben, auch wenn sich das verschiebt. Sie werden einen überzeugten Online-Käufer zwar nicht von den Vorzügen eines Ladengeschäfts überzeugen können, aber es gibt auch unter den jungen Leuten viele, die einen Einkaufsbummel in der Stadt und die Atmosphäre schätzen. Aber die Frequenzen sind insgesamt rückläufig. Der HDE rechnet wegen Corona mit bis zu 50 000 Geschäftsschließungen bundesweit. Ob es so weit kommt, wird sich zeigen, aber es kommt sicherlich zu einer Art der Bereinigung.
Woher kommt der Black Friday und was bringt er?
Wie reagieren Städte wie Nürnberg darauf?
Tripp: Fast überall ist festzustellen, dass es keine übergeordnete Strategie gibt, wie die Innenstadt der Zukunft aussehen soll. Man versucht, einzelne Bereiche zu optimieren. Aber eigentlich bräuchte man eine Gesamtsicht. Es gibt wichtige strategische Fragen, die nur abhängig voneinander beantwortet werden können. Dazu gehört zum Beispiel ein Mobilitätskonzept aber auch die Frage, wer bringt mir die Kunden-Frequenz, die Kaufhäuser wie Karstadt und Kaufhof nicht mehr bringen. Wohnen, Gastronomie und Kultur gehören auch zu einem solchen integrierten Zukunftskonzept dazu. In Nürnberg ist viel Potential da, aber wenn man nur an kleinen Schräubchen dreht, wird man nicht erfolgreich sein.