Belegschaft übt scharfe Kritik
„Blinder Aktionismus“? Unternehmen aus Franken will 70 Stellen streichen - trotz guter Auftragslage
01.03.2025, 09:16 Uhr
Am 21. Februar hat der oberfränkische Werkzeugmaschinenbauer Waldrich Coburg angekündigt, dass er aktuell wichtige Schritte plant, um seine Wettbewerbsfähigkeit sicher zu können. Die Verwaltung hat trotz stabiler Auftragslage umfassende Sparmaßnahmen angekündigt. Grund dafür seien die Zukunftsaussichten des Unternehmens, welche wegen "rasanten Kostensteigerungen" in den letzten Jahren sowie dem fortschreitenden gesellschaftlichen und politischen Wandel negativ seien.
"Als Einzelfertiger haben sich die Rahmenbedingungen immer weiter verschlechtert, dass wir die bisherige Produktionstiefe nicht mehr wirtschaftlich aufrechterhalten können", erklärt Geschäftsführer Uwe Herold der jüngst veröffentlichten Pressemitteilung.
Nach einer Umstrukturierung plant das Unternehmen nun kleinere und mittelgroße Maschinenteile langfristig an externe, möglichst regionale Partnerfirmen auszulagern. Die mechanische Bearbeitung von Großteilen soll im Standort im Hahnweg erhalten bleiben und zudem personell aufgestockt und ausgebaut werden.
Insgesamt werden durch die Maßnahmen 70 Stellen in der Fertigung und im Fertigungsumfeld gestrichen. Bis Ende 2025 will man die Belegschaft auch mit einem Freiwilligenprogramm reduzieren, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Auch sei es notwendig, konsequent an der "Konkurrenzfähigkeit zu arbeiten" sowie die zentrale Kostenposition für Material und Personal "zu verbessern".
"Blinder Aktionismus": Belegschaft ist schockiert
Wie das Unternehmen mitteilt, wurden die Mitarbeiter von den Maßnahmen im Rahmen einer Versammlung informiert. Seitdem befinde man sich auch im aktiven Dialog. Mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft wolle man zügig verhandeln, um Klarheit für die Beschäftigten und Planungssicherheit für das Unternehmen zu erzielen.
Gleichzeitig meldet die IG Metall (IGM) Coburg, dass Betriebsrat wie Mitarbeiter "zutiefst schockiert über die geplanten Maßnahmen des Unternehmens" sind. "Die fehlende rechtzeitige Information und Beratung über die geplanten Maßnahmen sowie das Vorgehen der Geschäftsführung zeigen eine alarmierende Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen und Ideen der Belegschaft", wird Betriebsratsvorsitzende Jürgen Schindhelm von der Gewerkschaft zitiert. Der Geschäftsführung wirft die IG Metall wegen der Nichteinbeziehung des Betriebsrates und der Belegschaft "blinden Aktionismus" vor.
Die reine Entlassung von Personal sei keine Lösung - IG Metall und Betriebsrat fordern deswegen, dass die Geschäftsführung ein "nachvollziehbares Zukunftskonzept sowie einen tragfähigen Geschäfts- und Finanzplan" für die nächsten Jahre vorstellt. Auch soll die gute Auftragslage endlich in Ergebnisse umgewandelt werden, betont Nicole Ehrsam, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Coburg.
Arbeitnehmerseite fordert Entlassung von Geschäftsführung
Neben dem direkten Kontakt zum chinesischen Eigner Beijing No. 1, um sich umfassend zur Strategie austauschen zu können, fordert die Arbeitnehmerseite, dass der derzeit geltende Ergänzungstarifvertrag und die aktuellen Zahlungen aus dem Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie eingehalten werden. Zudem fordert man den Rücktritt des Geschäftsführers Uwe Herold.
Der unterzeichnete Ergänzungstarifvertrag gilt noch bis Ende 2025 und schließt eine betriebsbedingte Kündigung eigentlich aus. Auf Anfrage der Redaktion erklärt Ehrsam, dass man Gespräche anbiete und alle Kanäle offen halte. Seitens Belegschaft werde die Entscheidung der Geschäftsführung aber als überstürzt und gar "kopflos" gewertet. Das Vertrauen der Belegschaft habe die Geschäftsführung dadurch verloren, sagt die 1. Bevollmächtigte - auch weil man der Firma durch Ergänzungstarifverträge seit 2006 etwa 30 Millionen Euro "geschenkt" habe. Wie Ehrsam erklärt, hatte die Belegschaft sich beispielsweise bereiterklärt, kürzer zu arbeiten, sodass das Unternehmen weniger Ausgaben hatte.
Waldrich Coburg: Tarifniveau sei nicht verkraftbar
Die Arbeitnehmerseite glaubt deswegen, dass auch weitere Zugeständnisse seitens der Belegschaft nicht dazu beitragen würden, dass es der aktuellen Geschäftsführung gelingt, das Unternehmen in die Gewinnzone zu bringen. Die Sparmaßnahmen könnten zudem das gesamte Unternehmen gefährden.
Das Unternehmen möchte zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Stellung zu den Forderungen der Belegschaft nehmen. Wie ein Pressereferent mitteilte, möchte man erst nach den internen Verhandlungen mit konkreten Ergebnissen an die Öffentlichkeit treten. Grundsätzlich müsse sich Waldrich Coburg als mittelständisches Unternehmen aber die Frage stellen, ob ein solches "gewerkschaftstarifliches Niveau" zu hoch sei und für das Unternehmen überhaupt verkraftbar ist. Die von der Gewerkschaft errechneten 30 Millionen Euro an Ersparnissen durch Zugeständnisse der Belegschaft seien seitens Geschäftsführung aber nicht nachvollziehbar.
Die Leitung weist zudem den Vorwurf, dass ihre Entscheidungen unüberlegt seien, von sich. Auf Anfrage erklärt ein Pressereferent, dass der von der Gewerkschaft geforderte Zukunfts- und Finanzplan bereits vorliegt und auch der IGM Coburg vorgelegt wurde.
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