Das Großprojekt Stadt-Umland-Bahn polarisiert weiter
5.1.2015, 06:00 UhrEs war ein großer Abend für die Freien Wähler, dieser 30. März. Ihr Kandidat Martin Oberle, ein Polit-Quereinsteiger, hatte zwei Wochen zuvor nicht nur den SPD-Bewerber Christian Pech und den Grünen Manfred Bachmayer aus der Stichwahl um den Landratsposten geworfen. Mit 47 Prozent im Stechen gegen CSU-Sieger Alexander Tritthart erlitt der Karpfen-Experte eine grandiose Niederlage.
Entsprechend in Feierlaune waren die „Parteilosen“ bis in die Nacht in Oberles Wohnort Kieferndorf bei Höchstadt. Es wurde über Koalitionen spekuliert, denn die Partei des künftigen Landrats hatte in der Kreistagswahl keine Mehrheit errungen. Und die alte Koalition aus SPD, Freien Wählern und Grünen hatte sich — auch um die Stadt-Umland-Bahn gemeinsam voranzubringen — schon weit vor der Kommunalwahl weiterhin Treue geschworen.
Die Macher der FW, allen voran die „graue Eminenz“ Gerald Brehm, Höchstadts Bürgermeister, wähnten eine „Minderheits-Regierung“ mit wechselnden Mehrheiten und einen Vize-Landrat Martin Oberle.
Eine knappe Woche später stand in unserer Zeitung die so ganz andere Realität zu lesen: In geheimen Treffen hatten die Kreis-Spitzenleute aus CSU und SPD eine Große Koalition im Kreistag ausgehandelt, der Treue-Schwur war Makulatur und der neue stellvertretende Landrat hieß Christian Pech (SPD), der in der Landratswahl gerade 18,13 Prozent der Stimmen geholt hatte. Die 13 Sitze der Sozialdemokraten verhelfen dem schwarzen Landrat Tritthart seither zur Mehrheit in dem 60er-Gremium.
Es hilft, sich diese Vorgänge zu vergegenwärtigen, will man die Entwicklung um das wichtigste Thema der Kreispolitik verstehen. Immerhin stellen die Freien Wähler nach der Kommunalwahl viele Bürgermeister im Landkreis, und Wortführer Gerald Brehm gewann die Wahl in seiner Stadt Höchstadt genauso unangefochten wie dies in Herzogenaurach dem SPD-Mann und glühenden StUB-Befürworter German Hacker gelang.
Herzogenaurach, Ziel von 14 500 Einpendlern täglich, wäre Endstation eines der ersten Gleisstränge der Nahverkehrs-Bahn. Höchstadt, die alte Kreisstadt, würde, wenn überhaupt, erst in einer späteren Ausbaustufe ans StUB-Gleis kommen. Die Machbarkeits-Studie, von den Freien Wählern jüngst erstritten, steht noch aus.
Der vermeintliche Gegensatz zwischen Nutznießern und Draufzahlern beim Jahrhundertprojekt hat von Anfang an den öffentlichen Diskurs bestimmt. Mit der Entwicklung des Verfahrens ist er tiefer geworden — in einem Landkreis, der, zusammengesetzt aus reichlich gegensätzlichen Gebieten, sich vier Jahrzehnte nach seiner Gründung immer noch schwertut mit der Identitätsfindung.
Grundsätzlich positiv
Bereits im alten Kreistag hatte die von Brehm angeführte FW-Fraktion im Kreistag 2012 durchgesetzt, das Ja zur StUB und zur Gründung eines Zweckverbands als deren Träger von Förderzusagen von Bund und Land von 90 Prozent der förderfähigen Kosten abhängig zu machen. Dabei hatten die Freien aber stets ihre grundsätzlich positive Haltung dem Projekt gegenüber betont.
Mit dem Ausscheiden des inzwischen zum Altlandrat ernannten Eberhard Irlinger — der erklärte StUB-Skeptiker verließ kurz nach der Kommunalwahl auch seine Partei, die SPD — gingen die Verhandlungen weiter und zeitigten einen ersten „Zuschuss-Erfolg“: Bayern stockte seine Förderzusage von 20 auf 30 Prozent auf. Mit den 60 Prozent aus dem Bundesprogramm, das allerdings dreifach überzeichnet ist und ausläuft, rechnen sich die laut Kreistagsbeschluss nötigen 90 Prozent hoch.
Nicht für die Freien Wähler im Landkreis. Sie weisen darauf hin, dass nur Gleise gefördert werden, die ein eigenes Bett haben, nicht jedoch Schienenstränge in bestehenden Straßen, und fordern „echte 90 Prozent“ Zuschuss-Zusagen.
Am 25. November traten die Bürgermeister von Höchstadt, Adelsdorf, Röttenbach und Kalchreuth zusammen mit der — Höchstadter — Kreisvorsitzenden Irene Häusler vor die Presse und starteten ein Bürgerbegehren. Die Einwohner sollen sich gegen die StUB und gegen die Gründung eines Zweckverbands aussprechen.
Während sich die potenziellen Verbandspartner Nürnberg und Erlangen in ihren jeweiligen Stadträten für den Einstieg in Zweckverband und Planung entschieden, sammelten die Initiatoren mehr als die für die Zulassung eines Bürgerentscheids nötigen 5200 Unterschriften. Landrat Alexander Tritthart (CSU) bekam sie am 19. Dezember vor der Kreistagssitzung vorgelegt, in der über den Beitritt zum Zweckverband entschieden werden sollte. Folge: Die zentrale Frage des politischen Jahrs 2014 wird erst 2015 beantwortet werden.
Das Bürgerbegehren hatte heftige Reaktionen ausgelöst. Die Kreistagsfraktionsspitzen trafen sich beim Landrat zur Aussprache, es gab offene Briefe und Pro-StUB-Erklärungen von Bürgermeistern aller Couleur, auch von Parteilosen.
Probe für Zusammenhalt
Eins wird diese in der Gebietsreform aus den alten Landkreisen Höchstadt und Erlangen zusammengefügte Gebietskörperschaft wohl weiter bewegen: In der Kontroverse um den Einstieg in dieses Jahrhundertprojekt wird der Zusammenhalt der Kreisgemeinden auf eine harte Probe gestellt. Beispiel: Erstmals seit mindestens 20 Jahren wird mit dem Nutzen einer Kreis-Investition für einzelne Gemeinden argumentiert, stellen Höchstadter bzw. Adelsdorfer die Frage, warum sie mitzahlen sollen, obwohl die StUB ihren Bürgern angeblich gar nicht zugutekommt.
Und erstmals seit mindestens 20 Jahren hört man Herzogenauracher laut darüber nachdenken, warum sie mit ihrer Kreisumlage — immerhin ein Drittel der gesamten Einnahmen des Landkreises — das defizitäre Höchstadter Kreiskrankenhaus mitzahlen, das ihren Bürgern ebenfalls nichts nützt. Alte Gräben.
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