Das Leben der Juden
22.3.2012, 18:39 UhrAus dieser Unkenntnis resultieren auch viele Ressentiments, ja zuweilen sogar Feinseligkeit. Aufklärung ist deshalb immer gut. Altlandrat Georg Rosenbauer, der sich seit vielen Jahren mit dem Judentum befasst, hat dazu vor Mitgliedern des Vereins für Heimatkunde Gunzenhausen referiert.
Der Umgang mit dem Thema ist immer schwierig. Das sagt Rosenbauer auch im Blick auf einige Ungeschicklichkeiten von Politikern. Beispielsweise hat die völlig missglückte Rede des früheren Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger dazu geführt, dass er seinen Platz räumen musste.
„Das Judentum, das es früher in unserem Landkreis gegeben hat, existiert nicht mehr.“ Rosenbauer, der schon lange Jahre mit Charlotte Knobloch, der früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, befreundet ist und in seiner Zeit als Landtagsabgeordneter Kontaktmann der CSU-Fraktion zu den jüdischen Gemeinden in Bayern war, hat als Ehrengast wiederholt an jüdischen Familienfeiern teilgenommen.
Heute leben in Deutschland rund 200.000 Menschen jüdischen Glaubens. Viele davon sind sogenannte „Kontaktjuden“, die in den letzten Jahrzehnten in der Russland und den anderen ehemals sowjetischen Länden gelebt haben und die wegen ihres Statuses ausreisen durften. Allerdings ist dabei, so berichtet Rosenbauer, nicht immer alles „koscher“ abgelaufen. Aus Petersburg weiß man, dass von jüdischen Stellen gegen Geld Bescheinigungen ausgestellt wurden.
Auf der ganzen Welt gibt es heute orthodoxe und liberale Juden. Nach den Vorstellungen der Konservativen kann nur Jude sein, dessen Mutter eine Jüdin ist. Die Begründung ist auch in Franken verständlich: „Vater kann auch der Nachbar sein.“ In liberalen Gemeinden (beispielsweise in Bamberg) gibt es heute sogar eine Rabbinerin. „In der orthodoxen Gemeinde in München wäre das nicht denkbar“, sagt Rosenbauer.
Die Gemeinden, die es früher m Altlandkreis gegeben hat (z.B. in Markt Berolzheim, Gunzenhausen, Heidenheim, Muhr, Hainsfarth, Steinhart, Cronheim) waren alle orthodox orientiert, wobei es auch unter ihnen die „Trauscheinchristen“ gab wie in den christlichen Gemeinden. Nicht alle Juden sind am Schabbat (dem heiligen Samstag) in die Synagoge gegangen, sondern höchstens an den hohen Feiertagen. Sie nahmen es auch mit den Speiseregeln (kein Schweinefleisch) nicht ganz so genau.
Interessant ist, dass es im Gegensatz zu den Christen bei den Juden keine religiöse Instanz gibt, die sie aus der Gemeinde ausschließen kann. Auch der örtliche Rabbiner hat dazu nicht das Recht. Rosenbauer: „Wer Jude ist, der bleibt es bis zu seinem Ende.“
Öffentlicher Ehevertrag
Die Beschneidung des männlichen Nachwuchses wird in den orthodoxen Gemeinden als Festakt begangen, wobei die Männer miteinander tanzen und die Frauen nur zuschauen dürfen. Wer heiratet, dessen Ehevertrag wird in der Synagoge öffentlich verlesen, damit jemand Einwände vorbringen kann, der Ansprüche an das Paar hat. Die „Bar Mitzwa“ („Sohn der Pflicht“) und „Bat Mitzwa“ (Tochter) ist die Erlangung der Religionsmündigkeit der Jugendlichen, die mit einem Fest begangen wird. Dazu gibt es in der Synagoge eine klare Sitzordnung. Jeder spricht ein Zitat aus dem Alten Testament.
Recht verkommen und verschlampt erscheinen die jüdischen Friedhöfe. Das aber ist keinesfalls ein Ausdruck von Unordnung, sondern ist Teil jüdischer Ordnung. Die Beschriftung der Steine ist immer gegen Osten gerichtet. Jüdische Menschen werden stets noch am Tag ihres Todes beerdigt, und zwar in einem Sack und nicht in einem hölzernen Sarg. Dahinter steht die Philosophie, dass der Mensch auch im Tod noch Kontakt zum Boden haben soll.
Während der Beerdigung wird auf dem Friedhof nicht gesprochen. Das Gebet („Kaddisch“) des Rabbiners spricht er in aramäischer Sprache (nicht hebräisch). Für Christen und Andersgläubige ist es die größte Ehre, die ihnen widerfahren kann, wenn sie jüdische Tote mit Erde zudecken dürfen. Zu den Sonderheiten gehört auch, dass der Rabbi den Frauen keine Hand reicht, was von Christen oftmals als ein Akt der Unanständigkeit angesehen wird. Stattdessen verneigt er sich wiederholt und tief. Grund: das Blut der Frauen gilt im Judentum als unrein.
Viele Juden ärgert es, wenn sie in einem Atemzug mit Israel genannt werden, was für Rosenbauer durchaus verständlich ist, denn: „Die meisten haben nichts mit dem Staat Isreal zu tun, sie fühlen sich als Deutsche.“ In Israel leben übrigens an die 120 Nationalitäten. Jeder Jude hat das Zugangsrecht nach Israel, aber nicht alle Juden sind auch Israelis.
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