Neuer Untersuchungsausschuss kommt
Der Bombenanschlag des NSU in Nürnberg rückt jetzt in den Fokus
28.3.2022, 13:50 UhrDie Fraktionen von Grünen und SPD sind sich sicher: Wäre die Tat damals aufgeklärt worden, hätten Morde verhindert werden können.Neun Menschen ausländischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin haben die Rechtsterroristen des NSU in den Jahren 2000 bis 2007 getötet, alleine drei der Morde geschahen in Nürnberg, weitere zwei Todesopfer gab es in München.
Weil längst nicht alle Hintergründe geklärt sind und die Opferfamilien lange Zeit einem Martyrium durch falsche Verdächtigungen der Ermittlungsbehörden ausgesetzt waren, drängen Grüne und SPD im Bayerischen Landtag auf einen zweiten Untersuchungsausschuss im Freistaat. "Die Dichte der Morde in Bayern sagt etwas aus", betont Cemal Bozoglu, Rechtsextremismus-Experte der Grünen. Doch viele Fragen seien nicht beantwortet und die Bürgerinnen und Bürger sorgten sich deshalb um ihre Sicherheit.
Dabei hätte man Taten wahrscheinlich verhindern können, ist Bozoglu überzeugt, wenn man beim Anschlag auf die Kneipe "Sonnenschein" in der Nürnberger Scheurlstraße in die richtige Richtung ermittelt hätte. Dort war im Sommer 1999 eine Taschenlampe explodiert, die der junge türkische Pächter auf der Toilette gefunden hatte.
Er war selbst in den Verdacht der Polizei geraten. Doch tatsächlich stammte der Sprengsatz aus der Bomben-Bastel-Werkstatt des NSU-Kerntrios um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in Jena. Der Zusammenhang war erst im Jahr 2013 während des NSU-Prozesses gegen Beate Zschäpe und weitere Mitangeklagte bekannt geworden.
Kein Ermittler sei 1999 darauf gekommen, dass die Nürnberger Rohrbombe baugleich gewesen sei mit denen, die man bereits 1998 bei dem Kerntrio gefunden hatte, kritisierte Bozoglu. Auch als ein ähnlicher Sprengsatz im Jahr 2001 in der Kölner Propsteigasse explodierte und eine Nagelbombe 2004 in der Kölner Keupstraße hochging, hätten die Fahnder keinen Zusammenhang hergestellt.
Deshalb soll der Untersuchungsausschuss auch beleuchten, warum die Sicherheitsbehörden fast alle Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund der Mordserie ignoriert hatten.
Das gemeinsame Rechercheteam von Nürnberger Nachrichten und Bayerischem Rundfunk hat zudem aufgedeckt, dass der junge Kneipenwirt aus der Scheurlstraße auf Fotos von 115 Beschuldigten und Verdächtigen im NSU-Verfahren später die Ehefrau eines Mitangeklagten von Beate Zschäpe wiedererkannt hat. Es sei unklar, ob diesen Hinweisen auf mögliche Mittäter oder Mittäterinnen "mit der gebotenen Gründlichkeit nachgegangen wurde", sagten Grüne und SPD. Sie wollen dies nun ab Anfang Mai im neuen Untersuchungsausschuss beleuchten.
Arif Tasdelen, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion aus Nürnberg, sagte, die Einsetzung eines solchen Gremiums sei ein "historischer Tag" für alle, die aufklären wollen. Zudem sei man dies den Opferfamilien schuldig.
Tasdelen hatte noch am 8. Juni 2005 die Imbissbude von Ismail Yasar in der Scharrerstraße in Nürnberg besucht und mit Yasar zusammen einen türkischen Tee getrunken. Als er am darauffolgenden Morgen abermals dort vorbei gekommen sei, habe er Polizeibeamte und die Spurensicherung gesehen: Kurze Zeit vorher war Yasar erschossen worden. Erst über sechs Jahre später kam heraus, wer die Mörder waren.
Toni Schuberl, rechtspolitischer Sprecher der Grünen und künftiger Vorsitzender des neuen Untersuchungsausschusses, verwies darauf, dass die Stadträte von Nürnberg und München ebenfalls neue parlamentarische Untersuchungen gefordert hatten. Man werde sich auch auf das Helfernetzwerk konzentrieren und rechtsextreme Netzwerke ins Auge fassen, mit denen der NSU womöglich Kontakt gehabt habe.
Am 28. April wird sich der Verfassungsausschuss des Landtags mit einem zweiten Untersuchungsausschuss befassen, das Plenum wird ihn dann am 11. Mai einrichten. Danach wollen Grünen und SPD, die auch von der Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern "konstruktive Mitarbeit" signalisiert bekommen haben, so Schuberl, bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 in 15 Monaten "qualitativ gut und hochwertig" (Tasdelen) an der Aufklärung arbeiten. Dabei soll auch die Frage geklärt werden, ob ein zentrales Archiv zu den Bayern betreffenden Aspekten des NSU-Komplexes geschaffen werden kann.
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