Der Wolf wird im Freistaat wieder heimisch werden

18.8.2015, 12:09 Uhr
Der Wolf wird im Freistaat wieder heimisch werden

© Patrick Pleul (dpa)

Es war wohl ein Wolf, der im Juni im nördli­chen Landkreis Wunsiedel ein Reh gerissen hatte. Offiziell bestätigt wurde dies aller­dings nicht. In einer Erklärung des bayerischen Umweltministeriums vom Juni hieß es: "Wie das beauftrag­te Labor mitteilte, war das genetische Signal der insgesamt vier Proben zu schwach für eine eindeutige Zuord­nung. Damit bleibt offen, ob es sich bei dem Verursacher um einen Wolf oder ein anderes hundeartiges Tier gehandelt hat."

Christian Hierneis, Wolfsexperte beim BN in Bayern, nimmt dies zum Anlass, um einmal mehr vor übereil­ten Schlussfolgerungen zu warnen. "Ein großer Canide kann natürlich auch ein wildernder Hund sein – einen ganz ähnlichen Fall hatten wir davor in Niederbayern." Dennoch: Der Wolf wird über kurz oder lang auch im Freistaat Bayern (wieder) heimisch werden. "Es tau­chen immer mehr Berichte über Sich­tungen und auch Beweise in den Foto­fallen auf."

So war im Mai ein freilau­fender Wolf in eine Fotofalle im Natio­nalpark Bayerischer Wald getappt; einen Monat zuvor hatten Waldarbei­ter bei Zorneding nahe München ein gerissenes Reh aufgefunden. Der Gen­test brachte damals Erstaunliches zutage: "Der hier verantwortliche Wolf stammte nicht – wie die meisten anderen nachgewiesenen Individuen – aus Italien: Sondern er ist der Ost­population zuzurechnen, kam also möglicherweise von der Lausitz her­ab", berichtet Hirneis.

Die Bundesregierung nannte auf Anfrage der Grünen unlängst eine Zahl von 25 bis 30 Wolfrudeln, die es auf deutschem Boden gebe. "Das heißt, es sind heute nach konventionel­ler Rechnung bereits zwischen 200 und 300 Individuen in Deutschland heimisch", schätzt Hirneis. Darin nicht enthalten sind "Ausflüg­ler", die aus dem südlichen Alpen­raum oder aus dem Osten nach Deutschland kommen. "Wölfe kennen keine Grenzen und wandern weit", gibt der BN-Fachmann zu bedenken.

Offizielle Zahlen für Süd­deutschland gibt es der­zeit keine; das heißt, es gibt keine bestätigten Nachweise über ein in Bay­ern lebendes Rudel – bis jetzt. "Das große Problem ist nach wie vor, dass es mit dem Managementplan für den Wolf nicht voran­geht", moniert Hierneis. Bislang sei nur die Stufe 1 ausgearbeitet, die sich mit durchziehenden Wölfen befasst; die Stufe 2, die den Umgang mit einzelnen sesshaften Wölfen regeln soll, ist nach wie vor nicht fertiggestellt; von Stufe 3 – dem Umgang mit sesshaften Rudeln samt Nachkommen – ganz zu schweigen.

"Das ist schon frustrie­rend", meint Hierneis – der 2006 maß­geblich an der Ausarbeitung eines ers­ten Managementplans zum Thema "Bär" für den Bund Naturschutz betei­ligt war. Aber die Verhandlungen mit den vielen "Bedenkenträgern" im Frei­staat seien komplex. "Es wird unter anderem diskutiert, den Wolf aus dem Vollschutz herauszunehmen und in gewissen Bereichen eine streng kon­trollierte Bejagung nach dem Jagd­recht zuzulassen." Doch Hierneis ist skeptisch, ob sol­che Regelungen wirklich der Weisheit letzter Schluss sind. "Es wird einfach von verschiedenen Seiten viel Panik geschürt."

Auf der anderen Seite füh­re eben der nicht fertige Management­plan zu einer Situation, "in der der Wolf machen kann, was er will. Und wenn dann doch mal etwas passiert, wird der Aufschrei entsprechend groß sein", befürchtet Hierneis. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung könnten die Sonderermitt­lungseinheiten sein, die im Zusammen­hang mit getöteten Luchsen im Bayeri­schen Wald derzeit gefordert werden. "Kein normal ausgebildeter Polizist kennt sich wirklich mit Umweltstraf­taten aus", meint Hirneis. "Und das ist denen auch nicht vorzuwerfen, da müssen Spezialisten ran." Eine solche Einheit könnte darüber hinaus auch eine Schutzfunktion im Fall plötzlich auftretender Wölfe ein­nehmen – für Menschen wie für Tiere. Hierneis: "Das Problem ist: Die Politik will das Thema meiner Mei­nung nach nicht aufgreifen, weil man sich damit nur die Finger schmutzig machen kann."

Erst dieser Tage ist im Bayerischen Wald bei Grafenau ein Luchs überfah­ren und getötet worden. Das Tier sei beim Überqueren der Bundesstraße 533 von einem Auto erfasst worden, teilte die Polizei am Dienstag mit. Durch den heftigen Aufprall wurde der Luchs sofort getötet. Der Luchs ist die größte freilebende Wildkatze in Bayern. Natürliche Feinde hat das vom Aussterben bedrohte Tier nicht. Trotzdem breitet sich der Luchs im Freistaat nicht aus. Der Jagdverband schätzt ihre Anzahl auf eine kleine zweistellige Menge. Mitte Mai waren im Bayerischen Wald vier abgetrennte Pfoten von zwei getöteten Luchsen gefunden worden.

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