Der Wolf wird im Freistaat wieder heimisch werden
18.8.2015, 12:09 UhrEs war wohl ein Wolf, der im Juni im nördlichen Landkreis Wunsiedel ein Reh gerissen hatte. Offiziell bestätigt wurde dies allerdings nicht. In einer Erklärung des bayerischen Umweltministeriums vom Juni hieß es: "Wie das beauftragte Labor mitteilte, war das genetische Signal der insgesamt vier Proben zu schwach für eine eindeutige Zuordnung. Damit bleibt offen, ob es sich bei dem Verursacher um einen Wolf oder ein anderes hundeartiges Tier gehandelt hat."
Christian Hierneis, Wolfsexperte beim BN in Bayern, nimmt dies zum Anlass, um einmal mehr vor übereilten Schlussfolgerungen zu warnen. "Ein großer Canide kann natürlich auch ein wildernder Hund sein – einen ganz ähnlichen Fall hatten wir davor in Niederbayern." Dennoch: Der Wolf wird über kurz oder lang auch im Freistaat Bayern (wieder) heimisch werden. "Es tauchen immer mehr Berichte über Sichtungen und auch Beweise in den Fotofallen auf."
So war im Mai ein freilaufender Wolf in eine Fotofalle im Nationalpark Bayerischer Wald getappt; einen Monat zuvor hatten Waldarbeiter bei Zorneding nahe München ein gerissenes Reh aufgefunden. Der Gentest brachte damals Erstaunliches zutage: "Der hier verantwortliche Wolf stammte nicht – wie die meisten anderen nachgewiesenen Individuen – aus Italien: Sondern er ist der Ostpopulation zuzurechnen, kam also möglicherweise von der Lausitz herab", berichtet Hirneis.
Die Bundesregierung nannte auf Anfrage der Grünen unlängst eine Zahl von 25 bis 30 Wolfrudeln, die es auf deutschem Boden gebe. "Das heißt, es sind heute nach konventioneller Rechnung bereits zwischen 200 und 300 Individuen in Deutschland heimisch", schätzt Hirneis. Darin nicht enthalten sind "Ausflügler", die aus dem südlichen Alpenraum oder aus dem Osten nach Deutschland kommen. "Wölfe kennen keine Grenzen und wandern weit", gibt der BN-Fachmann zu bedenken.
Offizielle Zahlen für Süddeutschland gibt es derzeit keine; das heißt, es gibt keine bestätigten Nachweise über ein in Bayern lebendes Rudel – bis jetzt. "Das große Problem ist nach wie vor, dass es mit dem Managementplan für den Wolf nicht vorangeht", moniert Hierneis. Bislang sei nur die Stufe 1 ausgearbeitet, die sich mit durchziehenden Wölfen befasst; die Stufe 2, die den Umgang mit einzelnen sesshaften Wölfen regeln soll, ist nach wie vor nicht fertiggestellt; von Stufe 3 – dem Umgang mit sesshaften Rudeln samt Nachkommen – ganz zu schweigen.
"Das ist schon frustrierend", meint Hierneis – der 2006 maßgeblich an der Ausarbeitung eines ersten Managementplans zum Thema "Bär" für den Bund Naturschutz beteiligt war. Aber die Verhandlungen mit den vielen "Bedenkenträgern" im Freistaat seien komplex. "Es wird unter anderem diskutiert, den Wolf aus dem Vollschutz herauszunehmen und in gewissen Bereichen eine streng kontrollierte Bejagung nach dem Jagdrecht zuzulassen." Doch Hierneis ist skeptisch, ob solche Regelungen wirklich der Weisheit letzter Schluss sind. "Es wird einfach von verschiedenen Seiten viel Panik geschürt."
Auf der anderen Seite führe eben der nicht fertige Managementplan zu einer Situation, "in der der Wolf machen kann, was er will. Und wenn dann doch mal etwas passiert, wird der Aufschrei entsprechend groß sein", befürchtet Hierneis. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung könnten die Sonderermittlungseinheiten sein, die im Zusammenhang mit getöteten Luchsen im Bayerischen Wald derzeit gefordert werden. "Kein normal ausgebildeter Polizist kennt sich wirklich mit Umweltstraftaten aus", meint Hirneis. "Und das ist denen auch nicht vorzuwerfen, da müssen Spezialisten ran." Eine solche Einheit könnte darüber hinaus auch eine Schutzfunktion im Fall plötzlich auftretender Wölfe einnehmen – für Menschen wie für Tiere. Hierneis: "Das Problem ist: Die Politik will das Thema meiner Meinung nach nicht aufgreifen, weil man sich damit nur die Finger schmutzig machen kann."
Erst dieser Tage ist im Bayerischen Wald bei Grafenau ein Luchs überfahren und getötet worden. Das Tier sei beim Überqueren der Bundesstraße 533 von einem Auto erfasst worden, teilte die Polizei am Dienstag mit. Durch den heftigen Aufprall wurde der Luchs sofort getötet. Der Luchs ist die größte freilebende Wildkatze in Bayern. Natürliche Feinde hat das vom Aussterben bedrohte Tier nicht. Trotzdem breitet sich der Luchs im Freistaat nicht aus. Der Jagdverband schätzt ihre Anzahl auf eine kleine zweistellige Menge. Mitte Mai waren im Bayerischen Wald vier abgetrennte Pfoten von zwei getöteten Luchsen gefunden worden.
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