Der Zippo, das Sportfest und der Sprungturm

25.4.2021, 11:05 Uhr
Eine Szene, die so auch im Roman vorkommt: Ewald Arenz im Juli 1981 in der Fürther Hochstraße mit dem Transparent "Sport ist Mord".

© Hartmuth Arenz Eine Szene, die so auch im Roman vorkommt: Ewald Arenz im Juli 1981 in der Fürther Hochstraße mit dem Transparent "Sport ist Mord".

Na hoppla: Schon auf den ersten Seiten von "Der große Sommer", dem neuen Buch von Ewald Arenz, taucht plötzlich mein Lieblingslehrer auf - wunderbar genau beschrieben: "Zippos Stimme lag wie ein dunkler Teppich im Klassenzimmer. Ich mochte Zippo und seine Stimme. Ein beruhigender, melancholischer Bass. Eine Stimme, die einen einschläfern konnte, wenn man nicht gerade darauf wartete, die entscheidende Schulaufgabe zurückzubekommen."

"Zwei Meter groß, bestimmt hundert Kilo schwer"

Es werden ihn Tausende von ehemaligen Gymnasiasten so wiedererkennen, den Zippo. Auch wenn Arenz seinen wirklichen Namen verfremdet: "Zippo hieß eigentlich Zigankenberg, aber so nannte ihn nie jemand. Dabei war ,Zippo' ein viel zu kurzer Name für diesen Mann. Zwei Meter groß, bestimmt hundert Kilo schwer. Der hätte Boxer werden sollen oder Ringer. Jedenfalls nicht Lateinlehrer."

Eigentlich hieß er, der 2019 starb, Günter Zitzelsberger, begann als Referendar am "Schliemann" - und verließ es ohne einen Wechsel als stellvertretender Leiter. Ewald Arenz hat ihn selbst erlebt als Schüler dort, im Buch lässt er seinen Ich-Erzähler Friedrich Büchner von ihm berichten. Weiteres Lehrpersonal: Frau Dr.Ott in Französisch, ebenso legendär wie "Zippo", oder Mathe-Schwarz, immer im Anzug, der "lächelte nie. Trotzdem war ich mir sicher, dass er Humor hatte."

Produktiver Autor: Ewald Arenz, der selbst Schüler am "Schliemann" war.

Produktiver Autor: Ewald Arenz, der selbst Schüler am "Schliemann" war. © Hans-Joachim Winckler

Das Schuljahr geht zu Ende - wie immer mit dem Sportfest. Man kann den Schießanger wiedererkennen, wenn Arenz das Ritual beschreibt, an dessen Ende stets ein Fußballspiel Lehrer gegen Oberstufe stieg. Und wieder liefert der Autor Authentisches: Das Transparent, mit dem Friedrich Büchner zusammen mit Freunden beim Sprint aufläuft, das gab es so wirklich - und es war der junge Ewald Arenz, der es präsentierte.

Provokatives Transparent mit Churchill-Zitat

"Sport ist Mord" stand drauf, und als es dafür einen Verweis gab, verweisen die Schüler darauf, dass das doch immerhin ein Zitat von Winston Churchill sei, also kaum beanstandenswert...

Nach dem Sprung vom Turm: Das Cover von "Der große Sommer".

Nach dem Sprung vom Turm: Das Cover von "Der große Sommer". © Dumont Verlag

"Frieder" Büchner muss zur Nachprüfung antreten, um eine Klasse weiter zu kommen - und deshalb in den Sommerferien beim Großvater lernen, anstatt mit seiner sehr großen und sehr schrägen Familie in den Urlaub zu fahren.

"Ein grauschattiger, eckiger Elefant in der Nacht"

Wir erleben da viele Fürther Kultstätten, in einer zentralen Rolle und mehrfach: das Freibad und vor allem der Sprungturm - der 2005 sehr zum Leidwesen vieler Fürther abgebaut wurde. "Ein grauschattiger, eckiger Elefant in der Nacht" - so beschreibt ihn Arenz und lässt seinen Ich-Erzähler mit Freunden nachts im Freibad schwimmen, verbotenerweise natürlich.

Arenz lässt Fürth und - doch, tatsächlich - Nürnberg (und ab und zu Würzburg) zu einer fiktiven Stadt zusammenwachsen. Sehr hohen Wiedererkennungseffekt hat das Kapitel mit dem Besuch im Tiergarten: "Mit Mama und Nana im Tiergarten, das hieß: Kartoffelsalat mit kalten Wiener Würstchen und gekochten Eiern. Belegte Brote. Erdbeeren... Und wir aßen immer an derselben Stelle . auf einer großen Bank am Fuß von ein paar Sandsteinfelsen. In dem weitläufigen Park, in dem der Tiergarten lag, hatte es früher einen Sandsteinbruch gegeben."

"Wir kamen am Delfinarium vorbei. Rechts lag das Nilpferdhaus" - die Besucher landen im Raubtiergehege. Und diesen Geruch hat jede(r) in der Nase, der je dort war: "Obwohl der Geruch einen sofort umhüllte - stechend und unglaublich intensiv - , stank es für mich nicht. Es roch einfach wild. Kein Geruch, neben dem es noch irgendeinen anderen geben konnte."

Eine Schlüsselszene des vergnügten wie bewegenden Sommer-Romans spielt in der ehemaligen Brauerei Bergbräu am Hang zwischen Billinganlage und Klinikum. Dort, in der (namentlich erwähnten) Hochstraße, wuchs Pfarrers-Sohn Arenz auf, der zuletzt mit dem Skript für Thilo Wolfs Musical "Swing Street" für Furore sorgte.

Und in der Bergbräu ist sein Friedrich Büchner unterwegs: "Unter den großen, dunkel verwitterten Torflügeln der Brauerei liefen Schienen heraus."

Am Ende geht - aber lesen Sie selbst. Zippo taucht wieder auf und die Schliemann-Sekretärin Frau Fink. Auch authentisch. Schöne Heimat-Lektüre!

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