Deutschlands älteste Pizzeria wird 60
26.3.2012, 13:40 UhrDer Name sei gewählt worden, weil sich Capri auf Deutsch, Englisch und Italienisch genauso ausspreche wie es geschrieben werde, sagt der heute 90-jährige. Ursprünglich aus den Abruzzen stammend, kam er nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 mit den Alliierten nach Deutschland und arbeitete zunächst in Nürnberg in einem „Country Club“ als Küchenhelfer. Dort war Pizza unter den Soldaten besonders begehrt, wobei sie sich stark von dem unterschied, was er aus seiner Heimat gewohnt war. Während dort nämlich die dünnen spärlich mit Tomaten und etwas Kräutern belegten Teigfladen dazu dienten, die ideale Temperatur der Gemeindeöfen zum Brotbacken zu ermitteln, mochten es die Amerikaner üppig. „Da kam fast alles drauf, was im Kühlschrank war“, erinnert er sich. Di Camillo war ob seines italienischen Akzentes bei den Gästen beliebt.
Als er die in Nürnberg am Opernhaus tanzende Janine Schmitt aus Würzburg kennenlernte, kam ihm die Idee, dort eine Pizzeria zu eröffnen. Tatsächlich gelang es seinem späteren Schwiegervater in der beinahe komplett zerstörten Mainmetropole ein Haus in der Elefantengasse ausfindig zu machen. Mit seinem Kollegen Valerio als Pizzabäcker eröffnete er seine Gaststätte. „Wir haben damals gesagt, hier gibt es ja genug Amerikaner“, erinnert er sich.
Unbekannt und unerschwinglich
Für die Würzburger war der italienische Teigfladen zunächst unbekannt und unerschwinglich. „Damals hat ja keiner gewusst, was Pizza ist. Inklusive meiner Person“, sagt die 80-jährige Janina di Camillo. Am schwierigsten sei die Warenbeschaffung gewesen. Ihr Mann erzählt von Spaghetti-Einkäufen in Hamburg, die Packung für 3,50 D-Mark. Den Parmesan besorgte er im Münchner Großmarkt, ein Rad kostete damals 800 D-Mark. Dank der Amerikaner blühte das „Capri“ auf: „Es war proppevoll, die GIs standen Schlange“, sagt di Camillo. Um bekannt zu werden, veranstaltete das Wirtsehepaar kostenlose Pizza-Partys. Bei der Gelegenheit erfand er nach eigenen Angaben auch den heute überall verbreiteten Pizzakarton. „Es gab ja keine Alufolie. Da dachte ich mir: Mein Vater hat Schuhe im Karton verkauft, warum soll ich das nicht auch mit Pizza machen?“
Mit der Zeit trauten sich auch immer mehr Einheimische ins „Capri“ und später die blaue Grotte im Keller. Die wurde eingebaut, nachdem das Ehepaar tatsächlich einmal in Capri war. „Die ersten Deutschen waren ein Rechtsanwalt und junge Damen, die mit den Amerikanern kamen“, blickt die noch rüstige Seniorin zurück. Und die Gäste kamen nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern auch aus Bamberg, Ansbach, Schweinfurt und Frankfurt, wo der Soldatensender AFN seinen Sitz hatte. „Die haben mich dann immer gegrüßt und über den Sender angekündigt, dass sie kommen“, erzählt er lachend.
Stammplatz für Nicolino
1971 verpachtete das Ehepaar das „Capri“ an den Bruder des Gründers und eröffnete eine andere Pizzeria in der Würzburger Innenstadt, 1984 zogen sie sich dann auch dort zurück. Im Schnitt zweimal im Monat besuchen sie noch ihre alte Wirkungsstätte. Auf „Papa“, wie ihn Andrea, die Frau des jetzigen Pächters Giovani Christoph liebevoll nennt, wartet dann sein Stammplatz – ein breiter Stuhl mit Armlehnen. Präsent ist Nicolino di Camillo im „Capri“ aber praktisch immer. Schon vor dem Betreten des Lokals sehen ihn die Gäste auf Bildern einiger Zeitungsausschnitte. Erwähnt wurde di Camillo sogar 2010 in der bayerischen Landesausstellung in Augsburg zum Thema „Bayern und Italien“ als Gründer der ersten Pizzeria Deutschlands. Warum diese anfangs als Bier- und Speiselokal firmieren musste, begründet di Camillo mit der Brauerei, die die Gaststätte belieferte, die sich zuvor in dem Gebäude befunden hatte. „Die haben gesagt, ich müsse Bier verkaufen, nicht Wein.“
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