Ein Anruf bei Finanzbehörden stoppte brisanten Vorgang

30.11.2012, 00:00 Uhr
Ein Anruf bei Finanzbehörden stoppte brisanten Vorgang

© Kasperowitsch

Im Archiv der Nürnberger Steuerfahnder schlummern aus heutiger Sicht brisante Unterlagen zum Fall Gustl Mollath. Schon 2004 ist dort seine Anzeige gelandet, in der er seine damalige Frau, die bei der HypoVereinsbank in Nürnberg arbeitete, und etliche ihrer Kollegen krummer Geschäfte bezichtigte. Zuvor lagen die Vorwürfe bereits der Staatsanwaltschaft vor. Auch bei der Finanzbehörde wurde die Angelegenheit aber schnell zu den Akten gelegt.

Wie Behördenkreise gegenüber unserer Zeitung berichteten, dauerte es keine drei, vier Wochen, bis die Finanzbeamten das mehrseitige Material abhakten und sich nicht mehr weiter damit beschäftigten. Das habe einen besonderen Grund gehabt, sagen intime Kenner dieser Vorgänge. Es habe einen eindeutigen Anruf aus der Justiz gegeben. Der Mann, also Gustl Mollath, sei nicht klar bei Verstand. Man müsse ihn nicht sonderlich ernst nehmen. Und so geschah es auch.

Prüfung schnell abgeschlossen

Alexander Ulbricht, Sprecher des Landesamtes für Steuern, bestätigt den Eingang der Anzeigen von Mollath im Jahr 2004 bei den Finanzbehörden. Die Prüfungen seien ohne Ergebnis abgeschlossen worden. Auch dass dieses Ende schnell kam, „könnte sein“, meinte Ulbricht. Den Grund dafür kennt er aber nicht.

Zu diesem Zeitpunkt gab es längst den vertraulichen Bericht der HypoVereinsbank, der im Kern die Richtigkeit von Mollaths Angaben bescheinigte. Nachgefragt hat dort niemand. Er wurde erst kürzlich durch Veröffentlichung der Nürnberger Nachrichten bekannt.



In den genannten Behördenkreisen wird der heute pensionierte Richter Otto Brixner als jener Anrufer genannt. Er war es, der Gustl Mollath dann zwei Jahre später aufgrund eines entsprechenden Gutachtens in die Psychiatrie einwies, wo der Nürnberger bis heute sitzt. Während der Verhandlung 2006 hatte Brixner dem damaligen Angeklagten Mollath zum Teil lautstark und drohend verboten, sich über die Schwarzgeld-Geschichte weiter auszulassen.

Auf Anfrage teilte Otto Brixner gestern mit, er könne sich an ein solches Telefonat nicht erinnern. Das sei zu lange her, und an die Akten komme er nicht mehr heran.

Im Kreuzfeuer der Kritik

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU), deren Stuhl wegen ihrer umstrittenen Haltung im Fall Mollath kräftig wackelt, hatte noch Anfang November mitgeteilt, die Finanzbehörden seien erst in diesem Jahr aktiv geworden. Die jetzt bekanntgewordenen Vorgänge aus dem Jahr 2004 — da war Merk schon als Justizministerin im Amt — kannte sie entweder nicht oder sie hat sie verschwiegen. Im Landtag stand die CSU-Politikerin gestern zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit unter Beschuss.

Zwar stimmte die schwarz-gelbe Mehrheit im Parlament gegen die Forderung der Grünen, Merk als Ministerin zu entlassen. Breite Zustimmung, auch bei CSU und FDP, fand aber ein Dringlichkeitsantrag der SPD, in dem eine umfassende Aufklärung aller Vorwürfe zum Umgang der Justiz mit dem Nürnberger Gustl Mollath verlangt wird.

Die Grünen-Abgeordnete Christine Stahl aus Nürnberg hat der Justizministerin eine „Blockadehaltung“ vorgeworfen. Diesem „Spuk“ müsse ein Ende bereitet werden.

„Verhalten peinlich“

Auch die SPD-Abgeordnete Inge Aures betonte: „Ich weiß nicht, wie lange die Ministerin noch mauern will.“ Das Verhalten Merks im Fall Mollath sei peinlich. Aures drohte erneut mit einem Untersuchungsausschuss.

Unterdessen hat sich auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in die Debatte eingeschaltet. Das Schicksal Gustl Mollaths dürfe nicht als Justizskandal in die Rechtsgeschichte eingehen, sagte sie der Passauer Neuen Presse.

Nachdem Merk bis vor kurzem eine neue psychiatrische Begutachtung Mollaths als unnötig abgelehnt hatte, kündigte die Nürnberger Staatsanwaltschaft Anfang der Woche völlig überraschend eben einen solchen Antrag an (wir berichteten). Dies haben die Landtagsabgeordneten nun einmütig begrüßt.

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