Einsparungen und drastische Vorwürfe: Frankens BR-Chef äußert sich

INTERVIEW: ALEXANDER JUNGKUNZ/DIETER SCHWAB/KIRSTEN WALTERT

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21.10.2019, 16:38 Uhr
Einsparungen und drastische Vorwürfe: Frankens BR-Chef äußert sich

© Foto: Lukas Barth/dpa

Zwei Samstage hintereinander berichtete die Süddeutsche Zeitung über die Ex-Leiterin des Studios Franken, Kathrin Degmair, die diesen Posten aufgeben musste und nun Vorwürfe erhebt: Sie sei von einem Gremienmitglied sexuell belästigt worden, ihr Anwalt spricht von "verbalen grenzüberschreitenden Verhaltensweisen". Wir sprachen darüber mit Degmairs Nachfolger Tassilo Forchheimer.

Herr Forchheimer, nun wurden die Vorwürfe detailliert und verknüpft mit der Behauptung, auf Sie käme in Nürnberg eine ganze Menge an Aufräumarbeiten zu. Was steckt dahinter?

Tassilo Forchheimer: Ich will keine Mutmaßungen anstellen, sondern nur feststellen, dass mein persönliches Bild ein anderes ist. Das Studio Franken des Bayerischen Rundfunks ist keine Baustelle, wo für Ordnung gesorgt werden muss; ich habe vom kommissarischen Studioleiter Martin Wagner ein gut bestelltes Haus übernommen. Ich erlebe motivierte, kompetente Mitarbeiter und es macht mir großen Spaß, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Sie sehen sich also nicht als der Polier, der aus Rom eingeflogen werden musste?

Forchheimer: Nein, ich empfinde es als eine große Ehre, hier arbeiten zu dürfen. Das Studio Franken ist eine ganz wichtige Institution in der Region. Es trägt zur Identität Frankens bei und hat in dieser Richtung in den vergangenen Jahrzehnten unheimlich viel geleistet. Es handelt sich definitiv nicht um eine Baustelle.

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Studioleiter?

Forchheimer: Ich glaube nicht, dass dieses Studio jemanden braucht, der sich auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen profiliert. Dieses Studio braucht jemanden, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig den Kolleginnen und Kollegen die Luft zum Atmen lässt. Diese journalistische Freiheit ist mir enorm wichtig, dass sich die Leute nicht eingeengt fühlen. Mir kommt vielleicht zugute, und daher ist die Wahl vermutlich auf mich gefallen, dass ich sowohl auf der Kommandobrücke gearbeitet habe als auch im Maschinenraum. Das heißt: Ich weiß, wie sich ein Reporter fühlt, der alleine mitten im Geschehen steht. Der will keine Formulare ausfüllen müssen, sondern der braucht Unterstützung aus der Zentrale. Und so sehe ich mich: Dass ich all jenen, die gute Arbeit leisten, den Rücken frei halte.

Eine Baustelle aber haben Sie im Haus, die in diesem Bericht auch angesprochen wird: Ein Multifunktionssaal wird errichtet. Liegen da die Kosten im kalkulierten Rahmen?

Forchheimer: Im Großen und Ganzen, ja. Rund acht Millionen Euro waren angesetzt, 8,25 werden es jetzt wohl werden.

Einsparungen und drastische Vorwürfe: Frankens BR-Chef äußert sich

© Foto: Stefan Hippel

Nun gab es noch den Vorwurf, dass Sie das Foyer bei gelegentlichen Aufzeichnungen ohne erforderliche behördliche Genehmigungen nutzen. Ist das richtig?

Forchheimer: Nein. Dem BR liegen alle erforderlichen bau- und brandschutzrechtlichen Genehmigungen vor, um von dort etwa zehnmal im Jahr Kabarettsendungen mit etwa 60 Besuchern zu übertragen. Wie auch bei anderen öffentlich genutzten Gebäuden mussten auch wir auf eine veränderte Rechtslage beim Brandschutz reagieren und entsprechend nachrüsten. Und das, obwohl unser Foyer im Erdgeschoss liegt, mit großen Türen in den Garten. Trotzdem haben wir noch zwei Notausgänge nachgerüstet und zusätzliche Feuerlöscher aufgehängt. Das war ein völlig normaler Vorgang.

Was sagen Sie zum Vorwurf der sexuellen Belästigung, den Ihre Vorgängerin erhebt?

Forchheimer: Dazu kann ich nichts sagen. Generell gilt beim BR eine klare Null-Toleranz- Politik, wir verfolgen solche Vorwürfe umgehend, sobald wir diese konkret kennen. Es gibt zahlreiche Ansprechpartner, zum Beispiel Gleichstellungsbeauftragte, Ombudsmann oder Vorgesetzte. Da gibt es keinerlei Kompromisse. Das hat auch unsere Geschäftsleitung immer wieder deutlich gemacht.

Der BR muss sparen. Macht sich das auch beim Studio Franken bemerkbar?

Forchheimer: Natürlich macht sich das bemerkbar, leider. Wir sind bei der Technik in einem Abbaupfad und müssen viele Arbeitsprozesse, die eingespielt und gut waren, verändern. Die Arbeitsverdichtung macht sich bemerkbar, die Arbeitswelt für Journalisten verändert sich wie überall.

Ich höre gerne Bayern 2, kenne aber immer öfter die Sendungen schon. Wird die Wiederholungsquote höher?

Forchheimer: Ja, auch das lässt sich nicht vermeiden. Wir haben als BR seit 2009 keinen Inflationsausgleich mehr erhalten, aber alles wird teurer. Das muss an anderer Stelle eingespart werden.


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Ist eine Erhöhung der Rundfunkgebühren überhaupt noch durchzusetzen?

Forchheimer: Gute Frage. Das wird dann passieren, wenn sich die Politik dessen bewusst wird, welchen hohen Stellenwert der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Zeitungen für unsere Gesellschaft haben – erst recht vor dem Hintergrund dessen, was im Online-Bereich passiert.

Ihnen laufen, wie auch uns, die jungen Menschen davon. Haben Sie da ein Rezept?

Forchheimer: Der Eindruck täuscht. Wir hatten zum Beispiel jetzt bei der Langen Nacht der Wissenschaften sehr viel junges Publikum. Wir haben ihnen hier gezeigt, welchen Aufwand wir betreiben, um Fake News von richtigen Informationen zu unterscheiden. Wir müssen durch solche Aktionen auf junge Menschen zugehen sowie auch im Online-Bereich.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, das Internet-Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei zu umfangreich und käme damit den Verlagen in die Quere. Hat der BR darauf reagiert?

 Forchheimer: Der BR hat nicht nur darauf reagiert. Er schmiedet schon immer Bündnisse mit den Verlegern. Der "Tagesschau"- Zuschauer liest Zeitung und umgekehrt. User suchen in unserem Online-Angebot Videos und Audios, keine langen Texte. Da kommen wir uns nicht in die Quere.

Sie haben jetzt einen Vertrag für fünf Jahre, wie beim BR üblich. Wo steht das Studio Franken in fünf Jahren?

Forchheimer: Wir haben an allen fränkischen Standorten insgesamt rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; ich hoffe nicht, dass der Abbau dramatisch sein wird. Das hängt auch ganz stark davon ab, wie es mit der Rundfunkfinanzierung weitergeht. Ich hoffe, dass wir uns unserer Traditionen bewusst bleiben können und trotzdem eine Antwort finden auf all die modernen Herausforderungen. Das heißt: Schlagkräftiger im Online-Bereich, ohne das große Erbe dieses Studios zu verraten. 

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