Erfolgsgeschichte nach dem Abzug der US-Armee
27.3.2012, 07:00 UhrErlangen ist eine Radlerstadt, Dietmar Hahlweg war lange Jahre ihr Oberbürgermeister, und so ist es selbstverständlich, dass er durch seine Stadt auf dem Drahtesel führt. Auf diese Art, sagt der Pensionär und schwingt sich auf sein graues Rad, lasse sich das Viertel Röthelheimpark doch am besten erkunden. Immerhin hat es eine Fläche von 150 Hektar, und so dauert selbst die Erkundung mit dem Rad über zwei Stunden. Vieles gibt es zu entdecken, die ehemalige Kaserne der US-Army, die Ferris Barracks, ist zu einem lebendigen Viertel geworden. Hier wird gewohnt, gearbeitet, studiert oder im Naturschutzgebiet entspannt.
Gutes Verhältnis
Noch vor knapp 20 Jahren war dieses Areal durch eine Mauer und Schlagbäume von der übrigen Stadt getrennt. Seit 1945 hatte die US-Army hier einen ihren vielen Stützpunkte in Bayern, bis zu 3500 Soldaten waren phasenweise mit ihren Familien stationiert. Das Verhältnis zu den Amerikanern, sagt Hahlweg, von 1972 bis 1996 OB der Stadt, sei immer gut und freundschaftlich gewesen. Und dennoch bemühte man sich bereits seit den 1960er Jahren um den Abzug der Truppen. Zu nah lag die Kaserne am Stadtzentrum, immer wieder legten Panzer auf ihrem Weg zum Bahnhof, von wo sie zum Truppenübungsplatz Grafenwöhr verfrachtet wurden, die Stadt lahm. Zu laut war der Schießlärm, der auch nachts vom Übungsplatz Tennenlohe dröhnte. Und zu eng wurde es in der aufstrebenden Stadt Erlangen — das Areal der Kaserne war als Bauplatz heiß begehrt.
Doch die Mittelfranken mussten sich bis nach dem Fall der Mauer gedulden: Erst im Juni 1993 gab die amerikanische Regierung bekannt, dass sie den Militärstandort aufgeben werde. Dann begann in Erlangen eine Phase, die nun auch in Bamberg, Schweinfurt und Roth bevorsteht: Die Konversion, die Umnutzung von ehemaligen militärischen Anlagen für zivile Zwecke.
Erstattung der Investitionen
Dazu werden Grundstücke von den Betreibern — in Bamberg und Schweinfurt ist es die US-Army, in Roth die Bundeswehr — an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) übergeben. Für Flächen, die in amerikanischer Hand waren, muss die Anstalt gegebenenfalls ein paar Euro auf den Tisch legen: Investitionen der Army müssen erstattet werden — allerdings werden entstandene Schäden am Areal, wie durch eine Verunreinigung der Böden, gegengerechnet. Wie diese Ablöse für die Areale in Bamberg oder Schweinfurt letztendlich aussieht, könne man aber noch nicht abschätzen, heißt es bei der Bima.
Im Anschluss verkauft sie die Areale, meist durch ein Angebot auf dem Immobilienmarkt. Ein Vorverkaufsrecht haben die Gemeinden in der Regel nicht — allerdings, darauf weist die Bundesanstalt explizit hin, verfügen die Kommunen über die Planungshoheit und damit „über das wesentliche Instrument zur Steuerung der Umnutzungsplanungen“.
Interessenten für die Flächen gibt es bereits — bei den Rathäusern oder auch direkt bei der Bima. Dort werden besonders Wohnhäuser und Wohnungen in Bamberg und Schweinfurt nachgefragt; auch für den von den Streitkräften genutzten Flughafen in Schweinfurt haben sich erste Interessenten gemeldet, heißt es.
In Erlangen kaufte die Stadt selber einen Großteil des Geländes; und genau das — ein Engagement der Kommune —, sagt Ex-OB Hahlweg, würde er auch seinen Kollegen in Bamberg, Schweinfurt oder Roth raten.
Planerische Freiheiten
Denn als Eigentümer hat man zum einen große planerische Freiheiten, und zum anderen kann man beim späteren Verkauf der Flächen vielleicht noch Gewinn machen. In Erlangen ging die Rechnung auf: Insgesamt wurden durch die Stadt rund 66,5 Millionen Euro in den neuen Stadtteil, unter anderem für Straßenbau oder Altlastensanierung, investiert. Die Erlöse durch Verkauf von Bauland und Gebäuden betragen hingegen 130 Millionen Euro — der Gewinn ist ordentlich.
Hinzu kommen Gelder, die in den Stadtteil von anderer Seite investiert wurden — insgesamt eine Milliarde Euro. Die Universität hat sich in mehreren Gebäuden, darunter einigen denkmalgeschützten, niedergelassen, und dort teils hochmoderne Forschungslabors eingerichtet. Siemens hat seinen Sektor Healthcare im Röthelheimpark angesiedelt. Außerdem gibt es Dutzende kleinere Geschäfte. Insgesamt sind 4500 Arbeitnehmer in dem Quartier beschäftigt.
Heimat für seltene Kröten
Zudem wohnen 4000 Bürger in dem Viertel — in Sozialwohnungen, modernen Lofts, Reihen- oder Einfamilienhäusern. Und noch immer wird gebaut, insgesamt sollen hier in Zukunft 5000 Menschen leben. Auch Schulen, Kindergärten, ein Jugendzentrum oder ein Biergarten haben in dem Quartier Platz gefunden.
Erholung finden die Bewohner des Röthelheimparks im Naturschutzgebiet. Es würde ohne die US-Army, sagt Hahlweg, wahrscheinlich nicht existieren. Denn die grub bei Wehrübungen mit ihren Panzern Höhlen und Löcher in den Boden. Dank der Amerikaner haben so 172 verschiedene Käfer, 40 Vogelarten, 19 Typen von Heuschrecken und eine Reihe seltener Eidechsen und Kröten in den ehemaligen Ferris Barracks eine Heimat gefunden.
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