Orgel-Neubau
Erlangen: Millionen-Projekt vor dem Abschluss
12.7.2021, 18:23 UhrIn der Matthäuskirche an der Rathenaustraße hängt ein Flötenton gleichsam im Raum. Die Intonateure des Bonner Unternehmens "Johannes Klais Orgelbau GmbH & Co. KG" sind dabei, die große Orgel nicht nur Register für Register in sich korrekt (ab-)zu stimmen, sondern sie auch an die Raumakustik anzupassen. Eine hohe Kunst, die in Deutschland und dem Rest der Welt nur ein paar gefragte Experten richtig gut beherrschen.
"Die besten Intonateure"
Bei der Vertragsunterzeichnung zum Bau des neuen Instruments hat Matthäuskantorin Susanne Hartwich-Düfel nach eigenen Worten "dafür gesorgt, dass wir die Besten kriegen". Namen, die in der Orgelbauszene Rang und Klang haben. "Tonal director" Andreas Saage und Bernd Reinartz haben unter anderem dafür gesorgt, dass die Orgel der Hamburger Elbphilharmonie jenen Premiumklang bekommt, den der sie umgebende Konzerttempel für sich beansprucht.
Nagelneues Innenleben
In Sankt Matthäus war die Aufgabe einen Hauch einfacher, aber gewiss alles andere als trivial. Der neuen, im Vergleich zum über die Jahre marod gewordenen und deshalb im Juli 2020 abgebauten und verkauften Vorgängerorgel gleicht nur noch der denkmalgeschützte und deshalb in den wichtigsten Grundzügen übernommene Orgelprospekt. Wobei auch dieser erweitert und modifiziert wurde. Das Innenleben ist dagegen neu bis zur letzten hohen Flötenpfeife. Die Wartungstür auf der Seite ist das Portal in eine Welt supersolide in Handarbeit erstellter Mechanik. In der sogenannten Traktur, also der Verbindung des (ebenfalls neuen) Spieltisches mit den Ventilen der Orgelpfeifen, findet man praktisch keine elektromechanischen Hilfen. Die Register, die "Stimmen" der Orgel, lassen sich immerhin per Magnetkoppeln schalten, was den schnellen Wechsel von einer zur anderen Klangfarbe ermöglicht.
Zimbelstern an der Front
Wie tiefgreifend die Änderungen ausfallen, zeigt ein Blick auf das alte Schwellwerk, dessen Klappen nur noch funktionslose Schaustücke sind, an deren Front nun ein sogenannter Zimbelstern prangt. Dessen "Läutewerk" sitzt seitlich versetzt tief in der Orgel - kleine Glöckchen sorgen für kontemplative Stimmung, etwa wenn es liturgisch-musikalisch um die Aussendung des Heiligen Geistes geht. Das neue Schwellwerk, mit dem sich die Lautstärke der Orgel durch Öffnen oder Schließen hölzerner Jalousien variieren lässt, sitzt übrigens jetzt "im zweiten Stock", wie es Susanne Hartwich-Düfel angesichts des mehrstöckigen Aufbaus der Register formuliert. "Bei denen, die die Orgel schon gesehen haben, ist die einhellige Meinung, dass sie jetzt erst komplett aussieht", erzählt Hartwich-Düfel.
Liebevoll gemachtes Kinderbuch
Flankierend zum Orgelneubau wurde ein liebevoll gemachtes Kinderbuch über "Cäcilie, die Orgelmaus" herausgebracht; außerdem gibt es eine umfangreiche Festschrift, die erst kurz vor dem Einweihungstermin fertig werden wird, wie Susanne Hartwich-Düfel ankündigt. Wenn sie einzelne Register anspielt, darunter eine Doppelgedackt-Achtfuß-Flöte, wird die Begeisterung der Organistin spürbar. Und obwohl die Intonation rund zwei Wochen vor der Einweihung noch eine Spur Feinschliff braucht, kann sich das Ergebnis hören lassen: Hier quietscht und brüllt nichts, die neue Orgel wurde auf Homogenität und Feinfarbigkeit getrimmt. Die mechanische Traktur reagiert feinfühlig und sehr schnell, der Gesamtklang wirkt schon in der leeren Kirche mit ihrem langen Nachhall präsent und knackig. Auch Martin Schiffel, amtlicher Orgelsachverständiger der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Bayern, zeigte sich bei der Abnahme von dem Instrument sehr angetan.
Sanierung im Endspurt
Dieser Tage gehen auch die Sanierungsarbeiten an der Matthäuskirche in den Endspurt, die nur mittelbar mit dem Orgelneubau zu tun hatten. Allein für die Orgel wurden neue Elektrik und neue Bodenträger für das deutlich höhere Gewicht des neuen Instruments nötig. "Die ist fast doppelt so schwer wie die alte Orgel", sagt Susanne Hartwich-Düfel, die mit einer Kuchenback-Spendenaktion in den Lockdown-Wintermonaten dieses Jahr rund 1000 Euro für die Orgel hereinholte.
150.000 Euro Deckungslücke
Trotz allen Einsatzes von Spenderinnen und Spendern beziehungsweise Mäzenen klafft weiterhin eine Deckungslücke: Rund 150.000 Euro müssen noch aufgetrieben werden. "Aber das schaffen wir", sagt Susanne Hartwich-Düfel mit Überzeugung.
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