Antikes Boot in Erlangen: Rudern wie die Römer

Markus Hörath

Erlanger Nachrichten

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12.5.2018, 06:00 Uhr
Antikes Boot in Erlangen: Rudern wie die Römer

Noch liegt das Römerboot fest vertäut vor der Vereinsanlage der Segelgemeinschaft Erlangen (SGE). Hübsch ist es geworden, und mit einer Länge von rund 15 Metern und einer Breite von 2,7 Metern wirkt es wesentlich stattlicher als erwartet. Platz bietet das komplett aus Holz und in Nut- und Federbauweise gebaute Boot für eine Stammbesatzung von 18 Mann plus Steuermann.

Der Rumpf ist in den gedeckten Farben tannengrün, rostrot und im oberen Teil in ocker bemalt.

 Dass die Römer ihre Militärboote angemalt haben, ist durch antike Fresken und Mosaiken überliefert. Als sich die Wissenschaftler rund um den Althistoriker Prof. Boris Dreyer mit dem Anstrich beschäftigten, war schnell klar: allzu auffällig durfte er nicht sein. Schließlich handelt es sich im Original ja um ein Aufklärungsboot, eine reißerische Bemalung hätte die Soldaten unnötig gefährdet.

Insgesamt 42 Riemen, wie die Ruder in der Schifffahrtssprache genannt werden, haben Studenten, Schüler, Lehrer und Freiwillige in unterschiedlichen Längen gefertigt. Gelagert sind sie auf dem Vereinsgelände der SGE. Noch bevor auf dem Dechsendorfer Weiher das Proberudern mit Journalistinnen und Journalisten aus der Region beginnt, müssen die Riemen aufs Boot gebracht werden. "Freiwillige vor", muntert Boris Dreyer, Projektleiter und Professor für Alte Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), die Wartenden auf – woraufhin sich ein Grüppchen in Bewegung setzt und einen Riemen nach dem anderen zum Boot transportiert. Aufgrund Ihrer Länge – mindestens vier Meter – sind die Ruder sperrig, aber gar nicht so schwer wie gedacht. 

Nachdem alle Rojer, so heißen Ruderer in der Fachsprache, an Bord sind, wird’s spannend. Das Ablegemanöver, bei dem ein Teil der Ruder eingezogen bleibt, gelingt überraschend problemlos. Langsam entfernt sich das Boot vom Ufer. Gehalten werden die Riemen an gekreuzten Seilen, die an einer sogenannten Dolle — einem Holzdorn am oberen Bootsrand — befestigt sind.

Jetzt wird Steuermann Boris Dreyer erst richtig aktiv: "Iiiiiiiieh!, iiiiiiiieh!, iiiiiiiieh!" Immer und immer wieder ruft er den Ruderern ziemlich entschieden dieses Kommando zu, damit diese die Riemen möglichst im Takt bewegen. "Iiiiiiiieh!, iiiiiiiieh!, iiiiiiiieh!" Und tatsächlich steuert das Boot gemächlich auf die Mitte des Weihers zu. Nimmt langsam Fahrt auf, wird schneller. Immer besser hält die Truppe den Rhythmus, auch wenn an den Riemen Männer und Frauen sitzen, die in der Mehrzahl völlig ungeübt sind. Schnell spürt jeder das Prinzip der Kraftübertragung beim Rudern am eigenen Leib. Erlebt, wie allein geballte Muskelkraft das mehr als zwei Tonnen schwere Römerboot Meter um Meter weiterschiebt.

Leichter wäre es mit gesetztem Segel, der entsprechende Wind vorausgesetzt. Einen Mast und die notwendige Takelage hat das Boot. Doch bei der Testfahrt steht ausschließlich Rudern auf dem Programm. Ein aufgeblähtes Segel würde außerdem den mitfahrenden Kameraleuten die Sicht auf die Ruderer versperren.

Die Ruderer wiederum geben ihr Bestes, um die vom Steuermann vorgegebene Schlagzahl einzuhalten. "Wer aus dem Takt kommt, wird kielgeholt", scherzt Dreyer. Von der Spitzengeschwindigkeit von rund 11 Knoten, die Dreyers Trainingsteams erreicht haben, sind die Journalistinnen und Journalisten zwar weit entfernt. Trotzdem geht es zügig in Richtung Kiosk und Familienbadestrand, wo das See-Spektakel längst aufmerksam beobachtet wird.

Wie müssen sich die römischen Soldaten, fern der Heimat in einem Holzboot rudernd, wohl gefühlt haben? Ständig in Gefechtsbereitschaft, umgeben von Germanen, die am Ufer auf einen günstigen Moment warten, um die Römer in einen Hinterhalt zu treiben? An diesem sonnigen Frühlingstag mag an solche Szenarien niemand denken. Warum auch. Am Ufer lauern nicht blutrünstige Feinde, sondern freundlich winkende Spaziergänger. 

Boris Dreyer kennt seine Rekruten – und gewährt der Mannschaft etliche Verschnaufpausen. Zeit für Scherze frei nach Asterix und den "Ömern". Nach einer Dreiviertelstunde voller "Iiiiiiiieh!" aber zeigen sich die ersten Abnutzungserscheinungen. An den zarten Bürohänden einer Mitruderin bilden sich Blasen, und bei manchen bereitet sich die Gesichtshaut auf einen möglichen Sonnenbrand vor. Nur eine Kollegin hat sich professionell auf den Törn vorbereitet, mit reichlich Sonnencreme und einer Kappe.

Das rettende Ufer ist nun wieder nah, Boris Dreyer steuert zurück, wo zur Belohnung kühle Getränke locken und Brot, das einer der Sponsoren des Uni-Jubiläums nach römischen Originalrezepten bäckt.

Im Juli schippern Boris Dreyer und eine Crew erfahrener Ruderer ins rumänische Tulcea an der Donaumündung. Rund 1900 Kilometer flussaufwärts. Die Kolleginnen und Kollegen bei der Testfahrt werden ihm und seiner Mannschaft bewundernd die Daumen drücken.

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