Bauen und Umwelt
Architekt Schulze Darup: Kita-Gebäude nur mit Lüftungsanlagen zukunftsfähig
28.10.2021, 14:15 UhrHerr Schulze Darup, benötigen wir Lüftungsanlagen in Schulen und Kindergärten?
Die Antwort ist eindeutig „ja“. Es war erstaunlich, wie gleichlautend diese Einschätzung im Rahmen der interdisziplinären Expertenkommission am Umweltbundesamt ausfiel, bis hin zu der sehr substantiierten Feststellung eines Umweltmediziners: „Fensterlüftung in Schulen und Kindergärten grenzt an Körperverletzung!“.
Inwiefern substantiiert?
In einem üblich belegten Raum mit 25 bis 30 Kindern oder Jugendlichen liegt die CO2-Konzentration nach etwa 20 Minuten bei einem Wert von über 1500 ppm, der als Schwellenwert für ungünstige Raumluftverhältnisse zu sehen ist.
Zudem sammeln sich Schadstoffe an und bei Infektionssituationen steigt die Virenkonzentration relevant. Die Situation während des letzten Winters in vielen Bildungsbauten, als Kinder in Mänteln bei geöffneten Fenstern und wenig komfortablen Temperaturen froren, wollen wir hoffentlich nicht als dauerhafte Lösung anstreben.
Was heißt das für das Kinderhaus in Bruck?
Ich habe die Beschlussvorlage gelesen und war, gelinde gesagt, überrascht. Im gesamten Bundesgebiet werden derzeit massiv Lüftungsanlagen mit hohem Förderaufwand nachgerüstet und hier wird bei einem Neubau auf Fensterlüftung gesetzt, die andernorts als massiver Mangel gesehen wird. Ich spreche dabei nicht von Luftreinigern oder Luftfiltern, die nur die Luft umwälzen, sondern von Lüftungsanlagen, die kontinuierlich hygienisch frische und über einen Wärmetauscher vorgewärmte Außenluft in die Gruppenräume bringen. Das bringt hohen Komfort und Energieeinsparung. Und auch Fenster dürfen noch geöffnet werden!
Aber laut Verwaltungvorlage betragen die Investitionskosten 280.000 Euro und der Mehraufwand für Wartung und Betriebskosten 3557 Euro im Jahr. Der Strommehrbedarf beträgt 8053 kWh/a gegenüber einer Einsparung durch Wärmerückgewinnung von lediglich 6324 kWh/a.
Ich mache es kurz und sachlich: Für die fünf Gruppenräume mit jeweils 20 bis 24 Kindern zuzüglich Personal würde ich jeweils ein Lüftungsgerät empfehlen, das auch noch Anschlüsse für Neben- und Ablufträume aufweist. Das sind pro Gerät Kosten von zirka 12.000 Euro. Macht zusammen 60.000 Euro. Vielleicht gibt es noch einen Gemeinschafts- oder Veranstaltungsraum, dessen Technik ich nicht auf die Maximalbelegung überdimensionieren würde. Macht also in der Summe vielleicht 90.000 Euro.
Was ist mit Strombedarf und Wärmerückgewinnung, also der Bilanz der Anlage?
Entschuldigung. Aber ein höherer Strommehrbedarf als die Einsparung durch die Wärmerückgewinnung ist grotesk. Ich weiß aus Erfahrung, dass es in Erlangen hervorragende Ingenieurbüros gibt, die das können und pro Kilowattstunde Lüfterstrom eine Einsparung von zwölf bis 20 Kilowattstunden bei der Heizenergie erzielen. Damit braucht das Gebäude bei guter Dämmung nur noch die Hälfte der Energie. Zudem kann die Heizanlage mit nahezu der Hälfte der Leistung auskommen, kann also viel kleiner ausgelegt werden. Das spart Investitionskosten und - bei Fernwärme besonders wichtig - reduziert den jährlichen Leistungspreis deutlich.
Und was ist mit der Wartung?
Die vorgeschlagenen Geräte können weitestgehend durch einen Hausmeister gewartet werden, was vor allem den Filterwechsel beinhaltet. Gute Geräte verursachen etwa 100 Euro Wartungskosten im Jahr. Macht zusammen 600 Euro im Jahr, maximal 1000 Euro.
Was bedeuten Ihre Aussagen für die Wirtschaftlichkeit?
Durch die BEG-Förderung gibt es seit Juli 2021 hervorragende Fördermöglichkeiten. Wenn in Erlangen die Klimapolitik ernst genommen wird, muss jeder öffentliche Neubau den dort erfassten BEG-Standard Effizienzgebäude 40 EE erreichen. Photovoltaik haben Sie ohnehin geplant, eine gute Gebäudehülle ist auf jeden Fall sinnvoll, die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung stellt ein zentrales Element für die Förderung dar und Fernwärme kann seit der BEG-Novelle, die vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde, mittels Transformationsplan gefördert werden. Bei optimierter Planung betragen die Mehrinvestitionen für all das 120 bis maximal 200 Euro pro Quadratmeter. Die Förderung beträgt aber 22,5 Prozent aus 2000 Euro pro Quadratmeter, also 450 Euro pro Quadratmeter. Meine Empfehlung: ein gutes Planungsbüro aus der Region beauftragen, das ein wirklich zukunftsfähiges Gebäude zu deutlich günstigeren Kosten als bisher plant.
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