Balleis nach der Wahl: "Ich bin sehr enttäuscht"
9.4.2014, 12:00 UhrHerr Balleis, wie geht es Ihnen eine Woche nach der Stichwahl?
Siegfried Balleis: Die Stichwahl ist eine Woche her, mir geht es nicht gut. Für mich ist die Stichwahl noch nicht nachvollziehbar, ich bin sehr enttäuscht.
Das Wahlergebnis war brutal. Hat die Partei Sie aufgefangen, wer hat Sie in den schweren Augenblicken gestützt?
Balleis: Es war ein sehr guter Rückhalt — insbesondere durch meine Frau. Nur wenn man nachts aufwacht, kreisen wieder alle Gedanken um die Wahl. Ich habe in den letzten 20 Tagen natürlich sehr schlecht geschlafen.
Nach Ihrem Flirt mit dem Amt des Sparkassenpräsidenten hat die CSU Sie sehr bedrängt, noch einmal zu kandidieren. Aus heutiger Sicht: Würden Sie noch einmal antreten?
Balleis: Die historische Wahrheit über die Sparkassengeschichte ist: Ich bin dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Ich war im Januar 2010 im Urlaub in Österreich, und bekam einen Telefonanruf: „Herr Balleis, Sie sind im Gespräch als Sparkassenpräsident.“ Meine Antwort: „Das ist ein Schmarrn“. „Ist das ein Dementi“, lautete die nächste Frage. Wenn ich das Rad der Geschichte zurückdrehen könnte, würde ich mit dem Wissen von heute sagen, es wurde mir durch den Journalisten Dr. Mayer eine goldene Brücke gebaut: Ich hätte dementieren müssen.
Dann hätte das ganze Unheil nicht seinen Lauf genommen. Seit diesem Zeitpunkt ist diese Kandidatur omnipräsent gewesen. Aber das ist Geschichte. Die Alternative, nicht mehr als Oberbürgermeisterkandidat anzutreten, kam mir nie in den Sinn. Ich habe mich in diesem Amt vom ersten Tag im Mai 1996 an bis zur Stichwahl im März 2014 mit einer 80-Stunden-Woche engagiert und habe mich in diesem Amt zu keinem Zeitpunkt gelangweilt.
Die Stadt steht gut da. Welche zentralen Weichenstellungen schreiben Sie sich zu?
Balleis: Ich habe immer gesagt, der zentrale Ansatz ist: „Sozial ist, was Arbeit schafft.“ Einem Gemeinwesen geht es umso besser, je mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Es war immer mein Sinnen und Trachten, alles zu tun, die Zahl der Arbeitsplätze zu erhöhen. Das ist sehr gut gelungen. Natürlich schafft die Politik selbst keine Arbeitsplätze, aber man schafft Rahmenbedingungen, innerhalb derer Unternehmer Lust haben zu investieren. Ein solches Klima herrscht in hervorragender Weise in unserer Stadt. Sonst hätten wir nicht per Saldo 26000 Arbeitsplätze mehr gegenüber 1996.
Worauf sind Sie in Ihrer 18-jährigen Amtszeit besonders stolz?
Balleis: Auf den Titel „Bundeshauptstadt für medizinische Forschung“. Das zweite Projekt ist eindeutig der Röthelheimpark — ein Megaprojekt. Ich will auch nicht ein sehr konfliktbehaftetes Projekt ausklammern: die Arcaden. Kein anderes Bauwerk ist mit zwei Plebisziten so demokratisch legitimiert wie die Arcaden. Dann habe ich noch sehr viel Energie in die innere Verwaltungsstruktur gesteckt. Ich habe das Gebäudemanagement eingeführt — von einem solchen Amt sind viele Stadtverwaltungen noch meilenweit entfernt. Die Schaffung war ein Riesenkraftakt.
Ein weiteres großes Projekt war die Digitalisierung des gesamten Rathauses. Dadurch ist das Rathaus so gläsern geworden, dass jeder Bürger jederzeit von jedem Fleck der Welt sich Informationen holen und sich beteiligen kann. Unser Bürgeramt bietet eine Dienstleistungsqualität, die sicherlich einzigartig ist. Dafür haben wir ja auch die Auszeichnung „modernstes Bürgeramt der Republik“ bekommen. Wichtig waren mir auch der Krippenausbau und das Schulmodernisierungsprogramm.
Dennoch: Unterschiedliche Gruppen — darunter auch etliche Gewerbetreibende — klagen über die Verwaltung: Sie komme zu wenig den Wünschen der Petenten entgegen. Haben Sie als Verwaltungschef eine zu lange Leine zugelassen?
Balleis: Nein. Die Verwaltung hat die Aufgabe, die Festlegungen der Politik umzusetzen. Wenn sie Baugenehmigungen erteilen, dann heißt das nicht, Bonbons verteilen. Das Problem ist: Sobald Sie einmal jenseits der Regeln Zugeständnisse machen, beziehen sich die nächsten auf diese Ausnahme. Widersprüche sind sehr wohl an mich herangekommen. Und per Mail kann und konnte man mich zudem jederzeit erreichen. Zu sagen, die Bürger wären abgebürstet worden, kann ich nicht nachvollziehen. Bei der Werbeanlagensatzung gab es Probleme. Aber da muss ich sagen: Politik muss den Mut haben, Kriterien aufzustellen und auf deren Durchsetzung zu achten. Mittlerweile haben wir das Problem — wie in den EN berichtet — gelöst.
Der Verkehr nimmt ständig zu. Hätte man da früher steuernd eingreifen sollen?
Balleis: Die Verkehrsbelastung ist die Kehrseite der vielen Arbeitsplätze. Wichtig erscheint mir: Wir haben eine ganze Menge an Optimierungen durchgeführt. Denken Sie an das Park-Leitsystem. Das hat dazu geführt, dass wir diese unsäglichen Parksuchverkehre beseitigt haben. Das war ein Riesenfortschritt. Das Busbeschleunigungssystem, das massiven Ärger bei Autofahrern hervorgerufen hat, war ein klares Bekenntnis zum öffentlichen Nahverkehr. Das hat drei bis vier Jahre Ärger produziert. Aber wenn Sie als Politiker nicht bereit sind, Ärger einzugehen, dann sind Sie an der falschen Stelle.
Welches Projekt hätten Sie noch gerne mitgestaltet?
Balleis: Das liegt auf der Hand. Ich bedauere ganz außerordentlich, dass ich den Siemens-Campus nicht mitbegleiten kann. Dieses Projekt hat mich elektrisiert. Ich sehe dieses Projekt von seiner Dimension auf einer Ebene mit der Entwicklung des Röthelheimparks. Ich sehe eine historische Chance für Erlangen für die nächsten 20 Jahre. Das tut weh, dies nicht mit gestalten zu können.
Werden Sie weiterhin politisch aktiv sein?
Balleis: Ich werde weiterhin ein politischer Mensch bleiben. Ich habe gewählte Funktionen innerhalb der CSU. Als Vorsitzender des Arbeitskreises „Energiewende“ gibt es noch jede Menge zu tun.
Birgitt Aßmus wird als neue Vorsitzende der CSU-Fraktion gehandelt. Man könnte sich aber auch Kurt Höller vorstellen. Was raten Sie Ihren Parteikollegen?
Balleis: (lacht) Ich halte mich da raus.
Aus Ihrer Erfahrung heraus: Was sollte der neue Oberbürgermeister Florian Janik tun und was sollte er lassen?
Balleis: Ich würde ihm empfehlen, eine möglichst breite Mehrheit im Stadtrat zu bilden. Das wäre für die Stabilität der Stadt wichtig. Ich würde es unterlassen, revolutionäre Umbauten vorzunehmen, und stattdessen in dieser Hinsicht behutsam vorgehen — unter Einbindung der Betroffenen.
Was werden Sie am meisten vermissen?
Balleis: Meine hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Ich werde vor allem meine Mitarbeiterrunde mit dem Pressesprecher Peter Gertenbach vermissen.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Balleis: Ab 1. Mai bin ich Privatmann. Dann werde ich mein Leben neu strukturieren. Ich wünsche meiner Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern für die Zukunft alles Gute.
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