Baustellen treiben Erlanger Einzelhändler zur Weißglut
15.8.2017, 06:00 UhrDas Lachen, das hat Annette Pfeiffer nicht verlernt. Auch wenn sie derzeit eigentlich allen Grund hätte, Trübsal zu blasen. Denn Annette Pfeiffer ist Inhaberin von "Pfeiffer Leder und Mode." Nein, nicht deswegen, denn das ist nun wirklich kein Grund, betrübt zu sein. Vielmehr aber die Tatsache, dass ihr Geschäft in der Erlanger Altstadt liegt. Ein Standort, der derzeit nicht zu Jubelstürmen verleitet. Denn Pfeiffer und die anderen Einzelhändler haben seit längerer Zeit unter der anhaltenden Baustellen-Situation zu leiden, die den Weg in die Altstadt erschwert. Fehlende Kunden heißt fehlender Umsatz.
Um die Bauarbeiten an der Martinsbühler Straße bereits im November 2017 abzuschließen, ist jetzt noch einmal ein letzter Kraftakt notwendig. Endspurt sozusagen. Das bedeutet: Vollsperrung der Martinsbühler und Münchener Straße, der Pfarrstraße und der Westseite des Fuchsengartens bis zum 11. September und der Neuen Straße bis zum 1. September. Martinsbühler und Münchener Straße sind zudem noch einmal in den Herbstferien von 30. Oktober bis 5. November voll gesperrt. Die Begeisterung darüber hält sich bei den Ladeninhabern naturgemäß in Grenzen.
Annette Pfeiffer will sich dennoch nicht unterkriegen lassen. "Es ist ja im Prinzip schon die letzten drei Jahre so leer hier", sagt Pfeiffer. Vielleicht hat sie aber auch deshalb noch vergleichsweise bessere Laune, weil sie das Glück hat, nicht unbedingt auf Laufkundschaft angewiesen zu sein. "Die wenigsten Kunden denken sich ja spontan beim Bummeln: Ach, ich könnte doch mal wieder einen Ledermantel gebrauchen. Das heißt, die Kunden, die auf jeden Fall zu mir kommen wollen, die schaffen es schon auch hierher", sagt Pfeiffer und ergänzt: "Der Peter Bongartz hat es da zum Beispiel mit seinem CD-Laden deutlich schwerer. Meine Lederwaren sind ja keine Mitnahmeartikel." Die Kunden, die trotzdem den Weg zu ihr finden, berichten von einer gewissen Resignation ob der zahlreichen Baustellen in den letzten Jahren. "Und die Kunden, die resigniert umdrehen, bekomme ich ja gar nicht mit", sagt Pfeiffer.
Sie ist auch deshalb Mitglied der Händlerinitiative "Leben findet Altstadt", die das Ziel verfolgt, durch gemeinsame Marketingmaßnahmen zur Belebung der Altstadt beizutragen. In diesen Zeiten ist das natürlich besonders schwierig. Von vielen wird die Altstadt wegen der komplizierten Verkehrssituation gemieden. Erst recht seit dem 31. Juli, dem Zeitpunkt der Vollsperrung. Die Stadt hatte sich ja bewusst für "ein Ende mit Schrecken" entschieden. "Das wird natürlich nochmal ein brutaler August. Nicht nur für den Einzelhandel, auch für die Gastronomen", sagt Konrad Beugel, der Wirtschafts- und Finanzreferent der Stadt Erlangen. Dass vor allem der Einzelhandel unter den Baustellen leidet, das war von vornherein klar.
Deshalb wurde im Juni 2015 vom City-Management gemeinsam mit der IHK und dem HBE auch die Marketingkampagne "Hierlang" ins Leben gerufen, in deren "Jury" auch Interessenvertreter des Einzelhandels sitzen. Das Ziel: die negativen Auswirkungen der Baustellen in der nördlichen Altstadt abzufangen. Doch davon spüren die Geschäftsinhaber gänzlich wenig. "Es gab damals ein Brainstorming mit der Stadt und dem Einzelhandel. Wir haben einen Pendelbus in die Altstadt vorgeschlagen. Da kam dann der Einwand – von wem genau, weiß ich nicht mehr –, dass das zu teuer sei", sagt Dirk Schröder, der Inhaber des Reformhauses Kolbe am Schlossplatz. "Das haben wir von der Stadt nicht abgelehnt. Wir haben seinerzeit darauf hingewiesen, dass es sehr teuer ist und man sich nicht zu viele Effekte davon versprechen sollte. Nach Abwiegen von Pro und Contra kam bei der ,Hierlang’-Jury die Idee auf, dass das Geld an anderer Stelle besser und sinnvoller eingesetzt werden könnte", sagt Beugel. "Ich hätte das gerne anders gelöst gehabt", sagt wiederum Schröder.
Schröder ist bedient. Er hat seit Beginn der Baustelle 35 Prozent seines Umsatzes verloren. "Natürlich nicht nur wegen der Baustelle, aber das war auch ein entscheidender Grund." Konrad Beugel von der Stadt will die schwierige Situation der Geschäftsinhaber in der Altstadt ebenfalls nicht nur auf die Baustellen reduziert wissen: "Viele kaufen heutzutage ja auch über Internet ein." Die Konkurrenz mit der Norma direkt ums Eck führt auch Schröder als einen Punkt für den Umsatzrückgang an, aber dennoch: "Gerade jetzt, wenn Vollsperrung ist, wissen die Leute ja gar nicht mehr, wie sie herkommen sollen." Schröder ergänzt: "Wir haben viele Kunden, die von außerhalb kommen. Wir haben auch versucht, das mit einem Lieferservice abzufangen, um dem Kunden entgegenzukommen." Viel gebracht haben die Maßnahmen aber offenbar nicht. Viele Kunden sieht man zumindest in jenen fünfzehn Minuten am frühen Montagnachmittag im Reformhaus Kolbe nicht. Genau wie in einem anderen Geschäft in der Hauptstraße Richtung Rathaus. Seinen Namen möchte der Inhaber allerdings nicht in der Zeitung lesen. "Ich habe mich schon genug mit der Stadt angelegt", sagt der Chef, der vor drei Jahren eröffnet hat und der die Situation in Erlangen auch als insgesamt "sehr ruhig" empfindet. "Nur ganz am Anfang ging es hier noch."
Nein, glücklich ist über die Baustellen niemand. "Es wäre einfach schön, wenn in Erlangen endlich mal wieder Ruhe einkehren würde. Dieses permanente Auf-und Zumachen schockt den Komplettverkehr und anders, als die Stadt vielleicht denkt, sind viele Geschäfte auf den Individualverkehr angewiesen. Da kann ich nicht einfach dem Kunden vorschreiben, wie er hierher zu kommen hat, auch wenn das vielleicht der eine oder andere meint", sagt ein spürbar angefressener Peter Greiner von "Greiner Haushaltswaren" in der Hauptstraße.
Er ist zwar ebenfalls Mitglied der "Hierlang"-Jury, manche Entscheidungen sind für ihn aber dennoch nicht nachvollziehbar. "Warum wurde die Engelstraße von Anfang an zugemacht? Ich habe zwar ein Statement von der Stadt bekommen, das war für mich aber nicht nachvollziehbar", sagt Greiner. "Zum Glück ist diese jetzt wieder geöffnet. Das macht es für uns auch wieder einfacher. Wir haben ja auch Lieferverkehr." Dennoch ärgert ihn nach wie vor die Gesamtsituation: "Diese Baustellen sind einfach eine permanente Beeinträchtigung. Schon von Beginn an."
Immerhin: Ein Ende ist in Sicht. Ab November ist die Martinsbühler Straße wieder in beide Richtungen befahrbar. "Es ist ja schon mal gut, dass es beschleunigt wird. Aber bis dahin ist es noch ein harter Weg für uns alle", sagt Greiner. Vielleicht kann auch er bald wieder ein bisschen mehr lachen.
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