„Botschafter des Friedens und der Kultur“
07.09.2010, 00:00 Uhr
So viel Medien-Auftrieb hatte der 200000-Seelen-Bezirk Beşiktaş in der 15-Millionen-Großstadt Istanbul wohl lange nicht mehr erlebt: Auf dem Platz im traditionellen Stadtteil Ortakoy, direkt am Bosporus gelegen, drängelten sich die Fotografen der großen türkischen Tageszeitungen und Kamerateams türkischer Fernsehanstalten, hatten sich Gouverneure und Parlamentsabgeordnete, die komplette Stadtführung (samt ihrer Ehrengäste aus Erlangen) sowie die hohe Geistlichkeit aller in Istanbul vertreten Religionen eingefunden.

Der neue (und erste!) Ehrenbürger von Beşiktaş, Ruhi Teksifer, ist für die türkischen Partner der Stadt Erlangen vor allem der Architekt der Partnerschaft, hat er doch als Vorsitzender des Partnerschaftsvereins ,ErBes‘ (Erlangen-Beşiktaş) ganz wesentlich die Kontakte zwischen den neuen Partnern geknüpft und Hindernisse aus dem Weg geräumt.
Für Erlangen aber war und ist Teksifer noch weit mehr, nämlich ein Garant dafür, dass die große Zahl der Türken in der Hugenottenstadt durch handfeste Angebote der Stadt das Gefühl bekamen, in Erlangen willkommen zu sein. Sein Betätigungsfeld über Jahrzehnte hinweg weist ihn immer als Mittelsmann an Schlüsselpositionen aus: Bereits zwei Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland ab dem Jahr 1966 war er Vertrauensmann der IG Metall in einem großen Metallbetrieb, ab 1969 Vorsitzender des Türkischen Kulturvereins, von 1977 bis 1990 Sprachrohr des Ausländerbeirats und schließlich SPD-Stadtrat, der nach seiner Wiederwahl 1996 bis 2002 Kommunalpolitik machte.
Dass er — fast nebenbei — auch ehrenamtlicher Richter am Sozialgericht Nürnberg, Beisitzer für die Musterungsausschüsse beim Kreiswehrersatzamt Nürnberg und im Schöffenwahlausschuss sowie Vorstandsmitglied der Arbeiterwohlfahrt und Ausländerberater war, rundet die verdienste Teksifers eindrucksvoll ab — und dieses Gesamtbild hat auch Erlangens Partnerstadt Beþiktaþ nicht unbeeindruckt gelassen. Vor allem Teksifers Integrationsarbeit machte dort Eindruck — nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass der türkische Regierungschef Tayip Erdogan von der religionsnahen AKP seine Landsleute bei einem Besuch in Deutschland ziemlich unverhohlen vor allzu viel Integrationsbereitschaft warnte.
Dass dies der Partei des „Erfinders“ der modernen Türkei, der (auch in Beşiktaş regierenden) CHP von Staatsgründer Kemal Pascha Atatürk, nicht gefallen mochte, mag zur der Ehre beigetragen haben, ist aber wohl nicht das alleinige Motiv. Schließlich versprechen sich die Stadtväter aller türkischer Städte, die mit deutschen Städten eine Partnerschaft eingegangen sind, davon einen Schritt zu freundschaftlichen „europäischen“ Beziehungen.
Bürgermeister Ismail Ünal („Beşiktaş ist die ,Hauptstadt‘ von Istanbul und Ortakoy ist ihr Mittelpunkt“) würdigte Teksifer als „Weltbürger“, den am Weltfriedenstag zu ehren „uns ein Lächeln im Herzen und eine gemeinsame Kultur verschafft“, Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis sieht in der Ehrung Teksifers (der im Übrigen auch schon Ehrenbürger Erlangens ist) einen wichtigen Beitrag zur weiteren Festigung der Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland, Gouverneur Sadettin Yüzel nennt Teksifers Bemühen um die Partnerschaft „vorbildlich für die Friedens- und Beziehungsarbeit“.
Goldener Schlüssel
Ruhi Teksifer selbst, der von Ünal eine Urkunde und einen eigens angefertigten vergoldeten Schlüssel zum symbolischen Stadttor von Beşiktaş überreicht bekam, dankte seinen Helferinnen und Helfern bei der Arbeit an der gemeinsamen Sache und hofft, dass die Partnerschaft Erlangens mit Beþiktaþ dem Frieden und einem intensiven Austausch der Kulturen dienen möge. Teksifer, der mit der Ehrung in beiden Städten zu einer Art „Scharnier“ an einer wichtigen Tür zwischen der Türkei und Deutschland geworden ist, ist nun als „Kämpfer für Toleranz“ (Balleis) ebenso ausgezeichnet worden wie als beharrlicher Botschafter zweier Nationen in zwei europäischer Städten.