Jahresabschlussrede

Corona, Krieg und Klima - Erlangens OB Janik blickt zurück und nach vorne

Redaktion Erlanger Nachrichten

17.12.2022, 15:00 Uhr
Vor allem beim Thema Klimakrise kochten 2022 in Erlangen die Gemüter hoch. So wurde die Beratung des Stadtrats über den Fahrplan Klima-Aufbruch von einer Kundgebung von Klimaaktivisten flankiert. Später zogen diese mit ihren Transparenten und Schildern weiter ins Rathaus und den Sitzungssaal. Dieser musste zeitweise wegen Überfüllung gesperrt werden. Die Sitzung konnten aber trotzdem alle, die keinen Platz mehr im Ratssaal fanden, über Lautsprecher verfolgen. 

© Harald Sippel, NN Vor allem beim Thema Klimakrise kochten 2022 in Erlangen die Gemüter hoch. So wurde die Beratung des Stadtrats über den Fahrplan Klima-Aufbruch von einer Kundgebung von Klimaaktivisten flankiert. Später zogen diese mit ihren Transparenten und Schildern weiter ins Rathaus und den Sitzungssaal. Dieser musste zeitweise wegen Überfüllung gesperrt werden. Die Sitzung konnten aber trotzdem alle, die keinen Platz mehr im Ratssaal fanden, über Lautsprecher verfolgen. 

"Wir gehen nun schon in das dritte Krisenjahr. Und diese Krisen fordern uns auf allen Ebenen. Privat, beruflich aber auch als Stadt und nehmen sie uns in Verantwortung.

Bei der Corona-Krise hat sich die Hoffnung bewahrheitet, dass wir die Pandemie in den Griff bekommen können. Nach zweieinhalb Jahren Krise sehen wir, dass insbesondere die demokratischen Staaten – kontrolliert durch Parlamente, Gerichte und Öffentlichkeit – einen guten Weg aus der Pandemie finden.

Der 24. Februar 2022, der Tag des völkerrechtswidrigen Überfalls der russischen Armee auf die Ukraine, markiert den Beginn einer weiteren großen Krise, einer ,Zeitenwende'. Die Sicherheit, in einem Europa des Friedens leben zu dürfen, ist grundsätzlich erschüttert.

Schon vor dem 24. Februar war die Welt alles andere als friedlich. Der furchtbare Krieg in Syrien, der viele Menschen auf die Flucht zwang und 2015 viele Schutzsuchende auch nach Erlangen führte, ist leider nur eines der Beispiele dafür. Und dennoch hat erst der Ukrainekrieg in unserer Nähe unseren Blick auf die Welt verändert. Viele von uns fürchten eine Entgrenzung des Konflikts mit unabsehbaren Folgen.

Auch an Erlangen geht dies nicht spurlos vorüber. Abermals stehen wir in der Verantwortung, vielen schutzsuchenden Menschen in unserer Stadt Zuflucht zu gewähren. Aber auch für alle Menschen hier vor Ort stehen wir in der Verantwortung: Denn mit dem Ukraine-Krieg geht eine Energiekrise einher, die viele Bürger*innen und Wirtschaftsunternehmen binnen kürzester Zeit nach Corona erneut in Existenznöte stürzt.

Die Verwerfungen durch die Energiekrise, die uns sicher auch im nächsten Winter in Atem halten wird, sind in ihrem ganzen Ausmaß noch gar nicht abzusehen. Die soziale Frage, die sich schon in der Corona-Krise zugespitzt hat, wird noch brisanter und bindet viele unserer Kräfte.

In der Vorbereitung auf die Rede, habe ich mich bei dem Gedanken ertappt: ,Wie würde ich wohl sprechen, gäbe es die Krisen nicht?' Ich würde wohl auf die vielen kleinen und großen positiven Veränderungen in unserer Stadt hinweisen.

Auf die Bergkirchweih und auf den Internationalen Comic-Salon, die nach zwei Jahren Corona-Unterbrechung wieder stattfinden konnten. Auf die Stadtverwandlung, die auf dem Siemens-Campus oder auch an der Achse der Wissenschaft zwischen Himbeerpalast und Kollegienhaus voranschreitet. Auf die wichtigen Planungsfortschritte bei der Stadt-Umland-Bahn und auf neu entstehende und neu geschaffene Spitzenforschungseinrichtungen in Erlangen.

Und dennoch bereiten mir die Entwicklungen auch in unserem Land und in unserer Stadt Sorge: Durch Corona hat sich die soziale Spaltung unserer Gesellschaft verschärft, auch in einer wohlhabenden Stadt wie Erlangen. Durch die Energiekrise drohen noch mehr Menschen abgehängt zu werden. Das dürfen wir nicht zulassen.

Wir waren uns einig: Die Corona-Krise darf nicht dazu führen, dass in unserer Stadt Strukturen verloren gehen: Im Ehrenamt, in der Kultur, im Handel. Auf der Grundlage der guten Einnahmen in Erlangen ist es uns gelungen, den Krisen etwas entgegenzustellen. Das muss auch in der jetzigen Krise unser Anspruch sein.

Auch diejenigen, die trotz Arbeit jeden Euro umdrehen müssen, sollen zum Beispiel den ErlangenPass künftig nutzen können. Und wir wollen in Kultur, in Vereinen und im Ehrenamt weiter das fördern, was gerade in Krisenzeiten wichtig ist: Das Zusammenleben in unserer Stadt. Auch jetzt gilt: Strukturen dürfen nicht verloren gehen. Dafür treten wir ein.

Und gleichzeitig sehen wir, dass die Krise die finanziellen Spielräume der öffentlichen Haushalte auch bei uns massiv einschränken wird. Die Diskussion um den Haushalt 2023 werden wir erst im Januar abschließen. Aber schon heute wissen wir, dass wir Prioritäten setzen müssen.

Wie können die öffentliche Hand, die Zivilgesellschaft aber letztlich auch jede*r einzelne in der Krise Verantwortung übernehmen? Diese Frage stellt sich in allen Krisen. Ganz besonders stellt sie sich aber beim Klimawandel, dessen Auswirkungen wir jeden Tag weltweit und auch vor Ort beobachten.

Mit dieser Frage haben wir uns ganz konkret auseinandergesetzt, als wir den Fahrplan Klima-Aufbruch erarbeitet haben. An vielen Stellen gibt der Fahrplan Klima-Aufbruch noch keine fertige Antwort. Doch er zeigt uns den Weg auf, wie wir Lösungen auf die drängenden Fragen erarbeiten können. Wir stehen alle in Verantwortung füreinander: Denn nur, wenn Stadtverwaltung und die gesamte Stadtgesellschaft an einem Strang ziehen, kann der Klima-Aufbruch gelingen.

Wir müssen die notwendigen Diskussionen weiter führen, ohne in Schwarz-weiß-Denken zu verfallen. Wir müssen aufeinander, auf die Zwischentöne hören. Nicht jeder, der an einzelnen Klimaschutzmaßnahmen Kritik übt, leugnet den Klimawandel. Und nicht jeder, dem die Maßnahmen nicht weit genug gehen und der deutlich protestiert, bereitet eine „Klima-RAF“ vor.

Trotz aller Widrigkeiten kann das vergangene Jahr auch Mut machen. Wir haben gesehen, wie viele Menschen sich ohne Zögern gleich wieder bereitgefunden haben, die Geflüchteten in unserer Stadt zu unterstützen. Mit großem Elan beginnen wir nun zusammen mit unserer thüringischen Partnerstadt Jena eine Solidarpartnerschaft mit Browary in der Ukraine. Wir zeigen: Verantwortung füreinander zu übernehmen hört nicht an der Stadtgrenze auf.

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