Das E-Werk in Erlangen zwischen Protest und Pop
6.7.2017, 11:00 Uhr35! Das ist doch das beste Alter, oder? Ob das stimmt, kann eigentlich nur der Jubilar selbst entscheiden. Fest steht aber, dass es viele Gratulanten gibt, die das E-Werk zu würdigen wissen. In der Plakat-Aktion, mit der in Erlangen auf die Geburtstagsfeier hingewiesen wird, fasst Oberbürgermeister Florian Janik die Bedeutung des Kulturzentrums so zusammen: "Das E-Werk liegt nicht nur im Herzen der Stadt — es ist auch für sehr viele Erlanger eine Herzensangelegenheit."
Entstanden ist das Kulturzentrum E-Werk in einer Zeit, in der es weniger harmonisch zuging. In den Städten wurden soziokulturelle Zentren eingerichtet, die auch Orte waren für eine gegen die herrschenden Verhältnisse protestierende Jugend. In Erlangen gab es den Jugendclub Sesam, doch der Frankenhof — wo er, ebenso wie der Jazzclub Pupille, beheimatet war — quoll aus allen Nähten.
1977 fiel bei der Stadt der Beschluss, dass das ehemalige Elektrizitätswerk für Jugendarbeit und als Begegnungsstätte für alle Bürger genutzt werden soll. Zwei Jahre später kaufte die Stadt das E-Werk von den Erlanger Stadtwerken und ließ es umbauen, im gleichen Jahr wurde der Verein gegründet, der alleiniger Träger der Einrichtung war. Nach einer Umstrukturierung wurde im Jahr 2000 eine GmbH gegründet. 40 Prozent der Anteile hält der Verein mit seinen 130 Mitgliedern heute an der GmbH, 60 Prozent sind Einzelgesellschafter, also andere Vereine.
Wilde Zeiten und viele Diskussionen — beides ist Teil des Kulturzentrums, das sich eine weitgehende Unabhängigkeit von der Stadt bewahrte.
Wenn E-Werk-Geschäftsführer Berndt Urban, der von Anfang an dabei war, zurückblickt auf die Anfänge, kann er einiges erzählen, das diese Zeit wieder aufleben lässt.
Zum Beispiel davon, wie sich ein paar Erlanger, darunter auch er, im "heißen Herbst" 1977 — im Jahr der Schleyer-Entführung — auf den Weg durch die Republik machten, um sich solche soziokulturellen Zentren in anderen Städten anzuschauen. Mehrmals wurde die kleine Delegation von der Polizei festgenommen. "Vielleicht lag es ja daran, dass wir mit einem Audi unterwegs waren", witzelt Urban heute. Einmal, so erinnert er sich, seien sie von der Polizei mit Hunden und MPs aus einem Hotel herausgeholt worden. Der Grund? "Es war ein Fußballspiel. Meine Frau Hanne hatte die Angewohnheit, immer für die anderen zu schreien, und das war höchst verdächtig."
So wie das "KOMM" in der Nachbarstadt Nürnberg geriet das Erlanger E-Werk nie in die Schlagzeilen. Doch Proteste gegen politische Entscheidungen gab es auch hier. Als sich WAA-Gegner in der Nacht vor der Demo in Wackersdorf im Haus versammelten, wurden sie von der Polizei eingekesselt. Und als ein Anti-WAA-Film im E-Werk gezeigt wurde, kam es zu Auseinandersetzungen mit der Stadt. "Wir waren ein bisschen der Puffer zwischen den Protestierenden und der Stadt", sagt Urban. Oder anders: "Wenn beide Seiten mich beschimpfen, dann passt es irgendwo."
Begegnungsstätte und Heimat vieler Gruppen und Initiativen ist das Kulturzentrum weiterhin — auch wenn manche nicht mehr dabei und neue hinzugekommen sind.
Und natürlich auch Ort für Kultur. Die Namen zahlreicher Musiker und Bands, die hier aufgetreten und an den Wänden der Kellerbühne verewigt sind, zeugen davon.
Von Luther Allison über Uriah Heep bis zu den Sportfreunden Stiller. Oder Willy Brandt. Dann also doch wieder: Politik. Und jetzt, mit 35, bekommt das Kulturzentrum E-Werk Nachwuchs: den neuen Jugendtreff.
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