Die Schuldenfalle schnappt in Erlangen immer häufiger zu
7.2.2012, 10:00 UhrDer Traum vom schnellen Geld treibt viele Menschen um, auch einen Mann aus dem Raum Erlangen. Mit Wertpapiergeschäften will der gebildete Familienvater den großen Coup landen. Er verspekuliert sich — und macht trotzdem weiter. Am Ende hat er mehr als eine Million Euro Schulden. „Es war wie eine Sucht“, beschreibt Diplom-Sozialpädagogin Verena Kubin den Weg des Mannes, der geradewegs in die Schuldenfalle führte. Die hauptamtliche Mitarbeiterin der Schuldnerberatung half dem zwischenzeitlich auch straffällig gewordenen Mann schließlich, die Notbremse zu ziehen.
Zwar konnte kein anderer der fast 600 Klienten, derer sich Kubin und ihre Kollegen im Vorjahr annahmen, diesen traurigen Rekord knacken. Doch tragisch sind die meisten Fälle, die aktenkundig werden.
Kinder als Risikofaktor
Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Trennung können selbst Gutverdienende und Hochqualifizierte schnell in die Bredouille bringen. „Betroffen sind Menschen quer durch alle Schichten“, weiß Edith Scherbel, Leiterin der sozialen Beratung im Caritasverband. Als Risikofaktor schlechthin, finanziell nicht mehr über die Runden zu kommen, gelten nach wie vor Kinder. Steht eine alleinerziehende Mutter erst einmal mit mehreren Tausend Euro in der Kreide, führt oft kein Weg an einer Privatinsolvenz vorbei.
6,5 Millionen Haushalte in Deutschland gelten als überschuldet. Auch in Erlangen und Umgebung können immer mehr Menschen, ihre Schulden nicht mehr aus eigener Kraft zurückbezahlen. „Seit der Gründung der Schuldnerberatung ist die Zahl der Klienten ständig gestiegen“, erinnert sich Scherbel, die auch Mitglied im Caritasvorstand ist. Im Vergleich zu vor fünf Jahren kamen 2011 etwa 40 Menschen mehr, um Rat zu suchen. Und: Die Geldsorgen sind drängender geworden. Der Gesamtschuldenstand aller Klienten aus Stadt und Kreis lag zuletzt bei fast 24 Millionen Euro. Das sind zwei Millionen Euro mehr als noch vor zehn Jahren.
Prekäre Arbeitsverhältnisse, gestiegene Lebenshaltungskosten, Altersarmut oder gesellschaftliche Entwicklungen verschärfen die Probleme häufig. Manche Jugendliche starten schon mit derart hohen Handy- oder Internet-Schulden in das Berufsleben, dass sie diese kaum mehr loswerden. „Man muss stark genug sein, um dem Konsumdruck standzuhalten“, betont Kubin, die seit zwölf Jahren überschuldeten Menschen zur Seite steht. Sie weist diese auf Einsparmöglichkeiten hin oder verhilft zu einem realistischeren Blick auf Einnahmen und Ausgaben. Sie rät zu Ratenzahlungen oder einem Pfändungsschutzkonto, empfiehlt Befreiungen von Krippen- oder GEZ-Gebühren oder verhandelt mit Gläubigern. Groß geschrieben wird „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Der Caritasverband hat auf den erhöhten Beratungsbedarf reagiert. Die ursprünglich eine Stelle wurde im Lauf der Jahre um eine halbe aufgestockt. Die Kosten in Höhe von knapp 100000 Euro teilen sich Stadt, Kreis und Caritas, wobei die Kommune — aus der zwei Drittel der Klienten stammen — mit 54000 Euro das Gros schultert. Zudem wurde der Einstieg in die kostenlose Beratung verändert, um dem Ansturm Herr werden zu können.
„Wir haben ein Flaschenhals-System“ erläutert Caritas-Geschäftsführer Johann Brandt. Einen individuellen Termin (Wartezeit: vier Wochen) erhält nur derjenige, der sich vorab bei einem der Vorträge der Schuldnerberatung informiert. Der nächste beginnt am Mittwoch, 8. Februar, um 17.30 Uhr in den Räumen an der Mozartstraße 29.
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