Fotos und Texte
Eine Ausstellung zum Thema Menschenwürde in Erlangen
17.11.2021, 15:00 Uhr„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ So lautet der erste Satz der „Verfassung“ des deutschen Volkes, des 1949 verabschiedeten Grundgesetzes. Wie die „Würde“ aussieht, auszusehen hat oder aussehen sollte, wird darin nicht beschrieben. Das aber leistet - zumindest in Ausschnitten - die Ausstellung „Würdemenschen“, die derzeit (und bis zum 18. Dezember) im Kreuz+Quer, dem Haus der Kirche am Erlanger Bohlenplatz, zu sehen ist. Konzipiert und realisiert hat sie der Berliner Künstler Jörg Amonat als partizipatives Kunstprojekt, soll heißen, dass ohne seine Gesprächspartner, die sich jeweils zu ihrem Würde-Verständnis auslassen, nicht zustande gekommen wäre.
So werden auf fast zwei Dutzend Bildtafeln verschiedenste Menschen aus Erlangen (zuvor in Erlangens Partnerstadt Jena) befragt, was sie bewegt, wenn von ihrer Würde die Rede ist - und die Antworten sind genauso vielfältig wie die Menschen und ihre jeweiligen Schicksale und Lebenssituationen selbst. Seinen auf den ersten Blick arg saloppen Auftritt auf dem Auftaktplakat begründet Oberbürgermeister Florian Janik (in Shorts, Hawaiihemd und Amtskette) gerade damit, dass man sich die „Würde eines Amtes“ nicht zu arg zu Kopf steigen lassen sollte - eine leicht ironische Brechung des Themas der Ausstellung. Andere prominente Personen bemühen den Kant’schen Imperativ (so der ehemalige Bundesminister Dieter Haack) oder sehen die Würde an ein starkes Selbstwertgefühl gekoppelt (wie Dietmar Hahlweg).
Verletzbarer Alt-OB Balleis
Ebenso offen wie verletzbar zeigt sich der Janik-Vorgänger Siegfried Balleis, der über die Belastungen einer Verleumdungskampagne während seiner Amtszeit spricht und die Annahme Lügen straft, ein Stadtoberhaupt werde von übler Nachrede nicht „angefasst“. Die überwiegend jungen Zuwanderer - meist im Kinderalter - berichten von Verletzungen ihrer Würde durch Mobbing in der Schule oder auf dem Spielplatz, die im Rollstuhl sitzende Ehrenbürgerin Dinah Radtke beklagt würdelose Situationen und verletzende Bemerkungen, eine vormals an Corona Erkrankte schildert den ebenso würdelosen wie letztlich erniedrigenden Umgang der Arbeitsverwaltung mit ihr.
Aber es gibt auch Beispiele wiedererlangter Würde. Ein „queerer“ Aktivist bekennt sich selbstbewusst zu seinem Anderssein, eine junge Frau, die lange Zeit mit ihren vermeintlich überflüssigen Pfunden haderte, zeigt sich selbst offen und - zurecht - stolz vor der Kamera, der vielen Erlangern bekannt Straßenkreuzer-Verkäufer im Bahnhofs-Untergeschoss zögert noch: „Was meine Würde ist, da bin ich mir noch nicht sicher, da bin ich noch am Kämpfen.“ Und die Chinesin Quiong Gu vergleicht die Würde mit einer Baumwurzel, mit der sie sich schon immer eins fühlte.
Die vielen Einzelschicksale zeigen aber auch, dass die Selbstverpflichtung „aller staatlichen Gewalt“ - siehe den Text des Eingangsparagrafen -, die Würde des Menschen zu schützen, selbst gefährdet ist. Ob Sozialgesetzgebung oder Ausländerrecht, ob Gleichheitsgrundsatz oder gleicher Zugang zu Bildungschancen - die Würde des Menschen scheint sehr wohl antastbar. Und, das macht die Ausstellung deutlich, die Würde ist immer konkret.
Würdemenschen, Kunstprojekt von Jörg Amonat, Gemeindezentrum „Kreuz+ Quer“ am Bohlenplatz. Bis 18. Dezember. Die Ausstellung ist geöffnet: Montag, Mittwoch und Freitag, 9.30 bis 14 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 9.30 bis 18 Uhr. Samstag, Sonntag geschlossen. Es gelten die jeweils aktuellen Corona-Regeln.
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