Einzige Bedingung: Die Leiche durfte nicht im Haus liegen

9.4.2015, 17:30 Uhr
Einzige Bedingung: Die Leiche durfte nicht im Haus liegen

© Foto: Olaf Tiedje/BR

Eine einzige Vorbedingung hatte die Arztfamilie gestellt, ehe sie ihr schickes Wohnhaus in der Burgberg-Gegend der Crew um Regisseur Max Färberböck für vier Tage anvertraute: Die Leiche dürfe nicht im Haus liegen.

Doch der Hausbesitzer, seine Frau und die beiden Kinder konnten beruhigt sein, so etwas sah das Drehbuch nicht vor. Denn der Erlanger Professor Ranstedt, der im Krimi seiner Frau offensichtlich untreu geworden war, musste beim Liebesspiel im Nürnberger Reichswald sein Leben lassen (wir berichteten).

Leckeres Essen

Damit die Ermittler nun nachforschen konnten, wie Familie Ranstedt bisher so gelebt hat, benötigten sie ein geeignetes Wohnhaus als Kulisse. Der Nürnberger Location-Scout Olaf Tiedje spähte die markante Villa bei seinen Fahrten durch die Wohngegenden Erlangens aus und meldete seine Entdeckung an die Produktionsfirma. Die bezog schließlich das Nachbar-Anwesen gleich in die Szenerie mit zwei.

Zwei Wochen lang war im vergangenen August deshalb die Straße am Meilwald für die Dreharbeiten gesperrt, ein ganzer Lkw-Konvoi mit Ausrüstung und Verpflegung blockierte die Zufahrt. So manch einem Nachbarn wurde das doch zu bunt, er fuhr einfach durch die Absperrung hindurch.

Der Caterer, der die Schauspieler um Hauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs), seine Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und den Bruder des Getöteten (Bernd Regenauer) versorgte, habe ausgezeichnet gekocht, lobt der Kieferorthopäde. Er habe sich mit seiner Frau gelegentlich dazugesellt, berichtet er, die Stimmung im Team sei sehr gut gewesen, „eine wahre Wonne“.

Kamin musste verschwinden

Was in seinem Haus gedreht wurde, hat er nicht mitbekommen: Der ausgesprochene Tatort-Fan, der kaum eine Folge verpasst, wollte nicht einen klitzekleinen Ausschnitt sehen, ehe der fertige Streifen jetzt ausgestrahlt wird. Und das, obwohl der Szenenbildner gehörig in sein Reich eingegriffen hatte.

Einzige Bedingung: Die Leiche durfte nicht im Haus liegen

© Foto: Anestis Aslanidis

Da verschwand der Kamin hinter einer weißen Wand, wurden Möbel verrückt und neue hinzu gestellt, da mussten die Wäschestücke, die seine Frau vorsorglich und akribisch eingesammelt und verstaut hatte, wieder im Haus verteilt werden. In der Küche musste noch schnell etwas zusammengerührt werden, „gut, dass unser Kühlschrank voll war“, sagt der Arzt. Es sollte lebensecht wirken, als Julia Ranstedt, die Frau des Getöteten, hier die Bühne betrat.

Natürlich habe er keine Ahnung gehabt, was da auf ihn und seine Familie zukomme, berichtet der Hausbesitzer, der mit seinem Namen nicht in der Zeitung stehen möchte. Den Kindern wird der Rummel um ihr Zuhause langsam zu viel. . . Dennoch: Auf das Filmteam lässt er nichts kommen, die Truppe habe nicht ein Fitzelchen Dreck hinterlassen, alles sei hinterher piccobello aufgeräumt gewesen. Vorher waren von jedem Zimmer Fotos gemacht worden.

Eine Ehre

Zudem habe man eine finanzielle Aufwandsentschädigung erhalten. „Ich hätte es aber auch ohne gemacht, denn ich habe es als Ehre betrachtet“, sagt der 42-Jährige, der an den vier Drehtagen morgens die Wohnung verließ, als die 30-köpfige Crew anrückte, und abends aus der Praxis kam, als am Set noch ein paar Stunden die Lichter brannten. „Die waren schon zehn, zwölf Stunden da“, berichtet der Hausherr.

Jetzt wird er sich das Ergebnis mit seiner Frau im Nürnberger Cinecitta ansehen. Er ist bereits am Nachmittag zur Sondervorführung für Ehrengäste geladen.

Geplant hat das markante Winkelhofhaus, Baujahr 2012, der Erlanger Architekt Tim Gräßel. Der untere, komplett unterkellerte Teil des Hauses scheint dabei aus dem Hang herauszuwachsen, während sich das obere Geschoss, in dem sich auch die Privaträume befinden, wie eine Art architektonisches Origami darüberschiebt.

Dass ausgerechnet dieses Haus als Drehort für den Franken-Tatort ausgewählt wurde, kam für Gräßel überraschend. „Ich wollt’s erst gar nicht glauben“, erinnert sich der Erlanger Architekt an den Anruf des Bauherrn, in dem der ihn mitteilte, dass die Villa Drehort für den langersehnten Franken-Tatort sein wird. Nein, stolz sei er nicht, dass dieses Haus, das mittlerweile eine Art Referenzobjekt geworden und zu einigen Folgeaufträgen geführt hat. „Stolz ist der falsche Begriff“, sagt Gräßel. „Mich freut es aber sehr, dass im ersten fränkischen Tatort, ,unser‘ Haus eine kleine Nebenrolle spielen darf.“

Was Tim Gräßel am Sonntag um 20.15 Uhr macht? Was für eine Frage. „Tatort schau’n.“ Allerdings nicht alleine. In seinem Büro im Röthelheimpark wird es für ihn und seine Mitarbeiter ein „Office-Viewing“ geben — mit allem, was zu einem guten Fernsehabend dazugehört.

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