ERH-Landrat: Mit Kritik zu Söders und Merkels Corona-Videokonferenz

17.2.2021, 16:30 Uhr

Die zwei Stunden zwischen 11 und 13 Uhr räumen sich OB Janik und Landrat Tritthart für die Video-Konferenz an diesem Freitag (19. Februar 2021) gerne frei. Besonders gespannt ist Zweiterer. Denn mit seinem Ärger über die Corona-Politik seiner konservativen Parteifreunde Söder und Merkel hält der CSU-Landrat in Erlangen-Höchstadt nicht hinterm Berg. "Ich bin tatsächlich unzufrieden, das gebe ich auch offen zu." Vier Punkte führt der 51-Jährige dafür an.

Tritthart: "Wir könnten viel weiter sein beim Impfen"

Zum einen sei die Beschaffung des Impfstoffs, "wer auch immer verantwortlich ist", einfach nicht gut gelaufen. "Wir hier vor Ort könnten mit dem Impfen schon viel, viel, viel weiter sein, wenn wir genügend Impfstoff hätten." Das Impfzentrum, das für Landkreis und die Stadt Erlangen zuständig ist, gebe dafür seit Wochen die Kapazitäten her. "Das ist einfach irgendwo schlecht gelaufen."

Das Zweite — das Tritthart "überhaupt nicht verstehen kann" —, ist, dass, bisher bayern- und bundesweit noch keine Statistiken und Auswertungen zu Covid-Ansteckungsorten vorliegen. "Das aber müsste man ja für die derzeitige Öffnungsdebatte haben." In den vergangenen Monaten hätte man versuchen müssen, genauer herauszufinden, wo sich Personen mit Sars-CoV-2 infiziert haben, "ob es wirklich in der Gastronomie oder beim Friseur war."

Da aussagekräftigen Daten dazu aber fehlten, tue man sich — und da kommt Tritthart zu seinem dritten Kritikpunkt — mit dem Öffnen unter anderem von Handel, Gastro und Messebauern jetzt auch so schwer. "Wir müssen jetzt viel mehr über die Öffnung reden, vor allem in unserem Landkreis mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 24; da kann ich niemanden mehr erklären, warum der Friseur zu hat."

Trittharts vierter Punkt: die Vereine und das Ehrenamt. "Es klingt jetzt etwas platt, aber ich kriege von vielen Menschen Unmut ab, weil sie am Wochenende sehen, dass die Fußballer quer durch Deutschland fahren, bestimmte Mannschaften zu internationalen, vielleicht nicht ganz wichtigen Wettbewerben fliegen und sich dann noch beschweren, dass sie nicht fliegen dürfen, obwohl es während der Flug-Sperrzeit war, top rasiert und frisiert. Und damit nicht genug: Wenn sie ein Tor geschossen haben, busseln sich die Fußballer sogar noch ab. Und bei uns hier dürfen nicht mal mehr zwei Kinder auf den Platz und einen Fußball hin- und herkicken - das passt wirklich nicht zusammen, ich bin zwar CSUler, aber wirklich, das passt nicht und deswegen sage ich es auch."

Das alles möchte Tritthart, wenn er denn die Gelegenheit dazu bekommt, auch an höchster Stelle anbringen. Allein die Idee, zu dem Thema Corona-Maßnahmen eine derartig groß angelegte Videokonferenz mit Ministerpräsident und Kanzlerin zu veranstalten, hält er für sinnvoll. "Ich finde es echt klasse, dass sich Frau Merkel für uns zwei Stunden Zeit nimmt."

Mehr als eine Show-Veranstaltung?

Bereits 2018 war Tritthart gemeinsam mit seinen Landratskollegen und -kolleginnen aus dem Freistaat bei Merkel im Kanzleramt, damals habe sie alle mit einem enormen Detailwissen überrascht. "Deshalb erhoffe ich mir jetzt, dass es am Freitag genauso ist und eben nicht nur eine Show-Veranstaltung wird, sondern dass sich Angela Merkel die Zeit nimmt und das Ohr für die Kommunen hat", sagt Tritthart und er ergänzt: "Ich bin wirklich gespannt, wie sie dann auf die mit Sicherheit auf sie einprasselnde Kritik reagieren wird."

Eine Hoffnung verbindet er mit der virtuellen Besprechung: "Ich würde mir wünschen, dass viel mehr auf die kommunalen Vertreter gehört werden würde, weil wir sind die, die wirklich am Puls der Bürgerin und des Bürgers sind; wir kriegen momentan auch die volle Kritik ab, weil wir ja jeden Tag mit Bürgern zu tun haben, vieles, was kritisch geäußert wird, könnte man im Vorfeld vielleicht ein bisschen verändern, wenn man öfters mal auf diese Basis, also Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte, hören würde".

Etwas zurückhaltender als Tritthart äußert sich hingegen Erlangens SPD-Oberbürgermeister Florian Janik. "Die von Bund und Ländern vereinbarten Maßnahmen sind schmerzhaft, aber sie wirken." Er unterstützt deshalb den "vorsichtigen und zurückhaltenden Kurs sehr, denn in unseren europäischen Nachbarländern sehen wir, welche Gefahren von den Mutationen ausgehen." An den großen Linien hat Janik deshalb nichts zu kritisieren.

Schwammige Formulierungen

Nur eines: "Ich würde mir aber an den Stellen, wo es geht, für Kommunen mehr Planungssicherheit wünschen. Warum beispielsweise ein Testkonzept für Schulen so kurzfristig eingeführt und gleichzeitig so schwammig formuliert wird, ist mir nach einem Jahr Pandemie überhaupt nicht klar", ergänzt Janik.

Bei den Wirtschaftshilfen höre er ebenso viel zu oft, dass sie trotz aller Ankündigungen nicht ankommen. "So etwas kostet viel mehr Vertrauen, als eine Verlängerung von Maßnahmen mit guten Gründen."

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