ERH: Radstrecken müssen noch dichter werden
29.1.2021, 06:00 UhrSie sind der erste Radverkehrsbeauftragte des Landkreises überhaupt und fahren auch gerne Fahrrad. Wurde Ihr Hobby zum Beruf, Herr Gradmann?
Eine gewisse Begeisterung für das Fahrrad sollte man für die Stelle haben, und die bringe ich auf jeden Fall mit. Für mich ist das Fahrrad beruflich wie privat schon immer das Verkehrsmittel der ersten Wahl gewesen. Bei meiner Stelle im Landratsamt geht es aber auch nicht primär um das Radfahren als Hobby.
Sondern?
Es geht um die Frage, wie man im Alltag sicher, zuverlässig, bequem und ökologisch von A nach B kommen kann. Im Zentrum steht die umweltverträgliche Mobilität im Alltag. Insofern ist da weniger das Hobby, sondern das Mobilitätsbedürfnis zum Beruf geworden. Die Gestaltung einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Mobilität ist ein unglaublich spannendes Thema, und ich freue mich in dem Bereich arbeiten zu können.
Was sind neben den Möglichkeiten der Mobilität weitere Aufgaben?
Meine Stelle begründet sich auf zwei Säulen. Die eine ist das Radverkehrskonzept, welches voraussichtlich Mitte des Jahres abgeschlossen sein wird. Eine der ersten Aufgaben ist dann die Umsetzung der wegweisenden Beschilderung für das kreisweite Alltagsradwegenetz. Der Landkreis hat ja im Herbst letzten Jahres beschlossen, die Kosten für diese Beschilderung zu übernehmen.
Und die zweite Säule Ihrer Stelle?
Mittelfristiges Ziel ist es, den Landkreis Erlangen-Höchstadt als Fahrradfreundliche Kommune durch die AGFK, also die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen, zertifizieren zu lassen. Die AGFK definiert dafür einen Anforderungskatalog, den man als Kommune erfüllen muss, um diese Zertifizierung zu erhalten.
Der Zertifizierungsprozess wird voraussichtlich 2023 mit einer Hauptbereisung durch die AGFK abgeschlossen. Bis dahin liegt noch einige Arbeit vor uns, ich bin aber zuversichtlich, dass der Landkreis die Auszeichnung erhält.
Was ist Ihnen bisher beim Thema Radverkehr positiv aufgefallen?
Dass der Kreistag die Stelle des Radverkehrsbeauftragten geschaffen hat, ist an sich schon ein positives Signal. Auch sonst ist das Thema nachhaltige Mobilität im Haus präsent. Aktuell wird ein Elektromobilitätskonzept erstellt und die Kolleginnen und Kollegen aus dem Klimaschutz haben ein Förderprogramm Kleinelektromobilität ins Leben gerufen, das sehr gut angenommen wird. Positiv ist der Ausbau der die Kreisstraßen begleitenden Radverkehrsinfrastruktur als Schwerpunkt im Investitionsprogramm.
Und wo sehen Sie Nachholbedarf?
Die große Aufgabe ist der weitere Ausbau des Radverkehrsnetzes, die Steigerung der Wegequalität und das Schließen von Verbindungslücken. Das ist ein sehr zäher Prozess, da das Fahrrad in den relevanten Regelwerken nach wie vor eine untergeordnete Stellung hat.
Die Interessen vor Ort sind mit den geltenden Regelungen auf Landes- und Bundesebene in Einklang zu bringen. Bei meinen bisherigen Kontakten in den Gemeinden habe ich mich über die insgesamt sehr aufgeschlossene und konstruktive Haltung zum Thema Radverkehr gefreut. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diese Aufgabe in den kommenden Jahren erfolgreich angehen.
Was sind die besonderen Herausforderungen?
Eine Besonderheit ist in meinen Augen der recht hohe Anteil an gemeindefreier Flächen im Osten des Landkreises. Das sind vor allem forstlich genutzte Gebiete und es ist eine spannende Aufgabe auszuloten, wie sich die Wirtschaftswege auf diesem Gebiet in das Radwegenetz einbinden lassen.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Kommunen?
Zusammenarbeit und Kooperation ist sehr wichtig. Gemeindegrenzen sind Schnittstellen im Radverkehr und da ist der Landkreis prädestiniert in der Rolle des Vermittlers. Der Landkreis wird deshalb einen Arbeitskreis schaffen, der eine Vernetzung zwischen den Gemeinden und anderen Belangträgern ermöglicht. Mit einem Runden Radeltisch lassen sich Informationen zu Förderprogrammen oder Best Practice-Beispiele besser austauschen und Musterlösungen entwickeln.
Manche Orte sind abgeschieden. Wie sollen Bürger aufs Rad umsteigen, etwa wenn sie in Gremsdorf oder Lonnerstadt wohnen und nach Erlangen möchten?
Welche Wege im Alltag mit dem Fahrrad bewältigt werden können, lässt sich nicht pauschal an der Entfernung festmachen. Die Radverkehrsförderung hat nicht das Ziel, das Fahrrad als unbedingtes und einziges Verkehrsmittel zu etablieren.
Was steht dann dahinter?
Der Gedanke ist der des Umweltverbundes: Wie kommt man bei der Mobilität weg vom Motorisierten Individualverkehr, vor allem von demjenigen, der auf der Verbrennung fossiler Energien beruht. Der Klimawandel zwingt zum Umdenken der Mobilitätsgewohnheiten.
Und dagegen hilft ja Radfahren.
Ja, wir haben gut ein Drittel der klimaschädlichen Gesamtemissionen aus dem Verkehr, und das ist eine der Rahmenbedingungen, wo wir sagen müssen, da müssen wir weg. Dazu ist das Fahrrad ein Bestandteil im Mobilitätsverbund zusammen mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Carsharing. Es gibt nicht die Patentlösung, wie man, wie Sie sagten, aus Lonnerstadt nach Erlangen kommt, aber es sollte uns klar sein, dass eine CO2-Reduzierung das Ziel ist, das wir erreichen müssen. Hinzu kommt der weitaus geringere Flächenverbrauch des Radverkehrs im Vergleich zum motorisierten Individualverkehr.
Wie soll der Radverkehr der Zukunft aussehen?
Er muss dichter und durchgängiger werden. Es ist oft so, dass es kleine Stellen sind, die den Radalltagsverkehr zwar nicht unmöglich machen, aber zumindest erschweren. Es ist meine Vision, dass man die Entfernungen im eigenen Raum mit dem Rad bewerkstelligen kann.
Aber immer unter der Voraussetzung: Das ist etwas, das ich als Landkreis wollen und auch wissen kann, wie es geht. Die Planungshoheit liegt aber nicht beim Landkreis, abseits von den Kreisstraßen. Das sind Stellgrößen wie die Bundesgesetzgebung oder Grunderwerb, die da die Rahmenbedingungen setzen.
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