Erlangen: Jein zum Mindestlohn

7.3.2015, 11:00 Uhr
Erlangen: Jein zum Mindestlohn

© Harald Sippel

Der flächendeckende Mindestlohn ist noch kein Vierteljahr alt – und die Beschwerden über Verweigerer und gesetzliche Schlupflöcher nehmen keine Ende. Auch unsere Redaktion hat bereits mehrfach über die negativen Begleiterscheinungen der neuen Regelung berichtet – mit Blick auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Ein Artikel über die Folgen in der Gastronomie und der Transport- und Logistikbranche hat den DGB-Kreisvorsitzenden für Erlangen und Erlangen-Höchstadt, Wolfgang Niclas, zu einer Idee animiert. Er lud Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie Handwerkskammer zur gemeinsamen Erklärung ein. „Es darf nicht sein, dass der Arbeitgeber, der den Mindestlohn zahlt, der Dumme ist“, sagte Niclas. Damit spielte der DGB-Chef auf die Überschrift des EN-Beitrags „Der Mindestlohn bestraft die Ehrlichen“ vom 4. Februar dieses Jahres an.

Fragwürdige Praktiken

Um sich gegen solche fragwürdigen Praktiken zu positionieren, schwebte ihm eine Art Kommuniqué vor. Darin sollten sich die Arbeitgebervertreter zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zum Mindestlohn bekennen und ihre Mitglieder auffordern, sich an die Vorschriften zu halten. Ein Statement zur bestehenden Gesetzeslage war angedacht, nicht mehr und nicht weniger.

Für das IHK-Gremium Erlangen und die Kreishandwerkschaft Erlangen-Hersbruck-Lauf ist das aber offenbar schon zu viel. In einem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt und einige allgemeine Sätze zum Mindestlohn enthält, wird trotz aller Höflichkeit („Wir schätzen die unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem DGB in Erlangen“) schnell deutlich: Eine gemeinsame Erklärung zum Mindestlohn wird es nicht geben.

Patrick Siegler, der frisch gewählte Erlanger IHK-Chef, hält einen Appell an die Betriebe, die erforderlichen 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen, denn auch für überflüssig: „Das Gesetz ist Status Quo; deshalb sehen wir nicht, weshalb wir auf etwas aufmerksam machen sollen, was wir ohnehin schon einhalten.“ Von den Problemen, die die Lohnuntergrenze etwa den Taxi-Fahrern und -unternehmern bereitet, habe er noch nicht gehört, werde sich darüber aber informieren, versprach er. Schon kurz vor und nach Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar war es in der Branche zu ersten Entlassungen in Erlangen gekommen (wir berichteten).

Wenn es beim Mindestlohn Schwierigkeiten gebe, werde man sich damit beschäftigen, heißt es in dem IHK-Brief an den DGB. Ähnlich äußerte sich der IHK-Vorsitzende auch im Gespräch mit unserer Zeitung. „Für uns ist es wichtig, zunächst die Erfahrungen abzuwarten und nicht gleich nach mehr Kontrollen zu rufen.“ Immer wieder hatte es in den vergangenen Wochen Kritik, vornehmlich aus dem Arbeitgeberlager und Teilen der Union, an der Überprüfung durch Zollbeamte gegeben.

Darüber hinaus ist der Mindestlohn, der schließlich vor Ort umgesetzt werden muss, für Siegler mehr ein bundespolitisches Thema: „Das ist nichts für die lokale Ebene“, sagte er, „wir sehen keinen Handlungsbedarf, zumal uns noch keine konkreten Missbrauchsfälle vorliegen.“

Konkrete Missbrauchsfälle liegen auch der Gewerkschaft nicht vor. Das aber bedeutet für den DGB-Vorsitzenden Niclas noch lange nicht, dass es sie nicht gäbe. „Nicht jeder Beschäftigte traut sich, gegen seinen Chef vorzugehen.“ Gerade in kleinen Betrieben ohne Tarifbindung und/oder ohne Arbeitnehmervertretung wollten es Mitarbeiter oft auf keine Auseinandersetzungen ankommen lassen, die womöglich sogar vor dem Arbeitsgericht enden könnten.

Dass Unternehmer versuchen, den Mindestlohn auf verschiedenste Weise zu umgehen, stehe außer Frage. Manche reduzierten dann einfach beim Personal die Anzahl der Stunden, erwarteten aber nach wie vor das gleiche Pensum an Leistung. Um solchen Tricks entgegenzuwirken, liegt Niclas eine gemeinsame Erklärung mit IHK und Handwerkskammer so am Herzen: „Es ist doch das Mindeste, dass sich die Arbeitgeber zur geltenden Rechtslage bekennen.“

Umso mehr habe ihn die „kaltschnäuzige Antwort“ der beiden Körperschaften des öffentlichen Rechts enttäuscht. Bislang habe der DGB mit der IHK gut zusammengearbeitet. „Wenn diese Haltung Sieglers neue Linie ist, dann wird auch unser Ton einer anderer sein.“

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