Erlangen: Orchesterpapa a.D.
8.9.2015, 15:44 UhrMusikalisch gab es für Michael Schellong, langjähriges Faktotum und Cellist in der „Jungen Philharmonie Erlangen“ bereits im Juli ein temperamentvolles, fröhliches Dankeschön mit dem „Melango“ von Alberto Ginastera im Sommerkonzert in der Ladeshalle (die EN berichteten). Juristisch und verwaltungstechnisch ist noch einiges zu klären, wenn der sympathische Informatiker — nach 20 Jahren — das Zepter, sprich die Bücher, Unterlagen und Erfahrungen an die Orchesterkolleginnen Gesine Woellert (Horn) und Katja Kries (Violine) abgibt.
Zwischen den dreien herrscht eine freundschaftliche, fröhliche und vertraute Atmosphäre: Beste Voraussetzung für diesen entscheidenden Wechsel, denn die „Junge Philharmonie“ ist eine feste musikalische, nicht wegzudenkende Institution im Erlanger Kulturleben.
Zur Erinnerung: Die „Junge Philharmonie Erlangen“ ist ein ambitioniertes Laienorchester, das vor 23 Jahren gegründet wurde. Seither konzertiert das Orchester zwei Mal pro Jahr mit großem symphonischen Repertoire und namhaften Solisten unter zwei sich abwechselnden und vom Orchester gewählten Dirigenten. Das sind derzeit im Sommersemester Gordian Teupke, im Wintersemester Tristan Uth.
Ohne Scheidung
Geprobt wird immer Sonntagabends; hinzu kommen jeweils ein intensives Probenwochenende pro Semester und Sonderproben vor den Konzerten. Michael Schellong hat als Informatiker sein Steckenpferd Statistik mit vielen Daten gepflegt: Das Orchester besteht aus 102 Mitgliedern mit 23 Bläsern, 76 Streichern und drei Schlagwerkern, davon sind 56 Prozent Frauen und 44 Prozent Männer.
Ganz jung ist die Philharmonie im statistischen Mittel mit 37,7 Jahren nicht mehr, aber das spielt ja in der Musik auch keine Rolle. Die Durchschnittszugehörigkeit beträgt zehn Jahre. 15 Mitglieder, die in den ersten drei Jahren dazugekommen sind, spielen heute noch mit, fünf davon sind Gründungsmitglieder. Die Musik ist dem Eheleben offenbar zuträglich, sorgt für ein harmonisches Zusammenleben, denn es gibt keine einzige Scheidung bislang: Aus den sieben Orchester-Ehen sind insgesamt 19 Kinder hervorgegangen.
Michael Schellong wirkt ein klein wenig erleichtert, wenn er jetzt nach so vielen Jahren sich auf das Musizieren, sein Cellisten-Dasein im Orchester zurückziehen darf. Das wird spürbar an dem Satz: „Es war einfach Zeit“.
„Eine wunderschöne Zeit“
Schellong erinnert sich an viel Organisation, zeigt eine lange, akribisch aufgeschlüsselte Liste mit Aufgaben, die zu erfüllen sind bevor das Orchester auftreten kann: Zuschüsse beantragen, Öffentlichkeitsarbeit, Stimmen kopieren, Adressen sammeln und aktualisieren, Solistenfotos organisieren, Layout des Programmhefts und der Plakate, Konzertkartenverkauf abrechnen, GEMA-Anmeldung, Noten an den Verlag zurückschicken, Abrechnung und Semesterbilanz, Probenräume organisieren, und, und, und . . . Schellong kann sich dabei in der Aufgabenverteilung stets auf ein zuverlässiges Team berufen.
Der „Orchesterpapa“, wie Schellong liebevoll tituliert wird, resümiert trotz mancher Schwierigkeiten, der großen Verantwortung und Aufgaben, die er übernommen hat: „Es war eine wunderschöne Zeit und man lernt im Bereich Kommunikation viel, bekommt mit, wie die Leute ticken“.
Die menschliche Wärme, die vielen positiven sozialen Kontakte, die sich ergeben haben, seien wunderbar, schwärmt Schellong. An eine Orchesterfahrt nach Schweden erinnert sich Schellong: In einem Öltank und auf der Straße habe er dort das e-Moll-Cellokonzert von Vivaldi musiziert. Die kurzfristige Verlegung eines Konzerts von der Ladeshalle in den Redoutensaal war dramatisch, auch der Abschied von Dirigent Vladimir Kovalenko, der das Orchester entscheidend geprägt habe.
Dank der modernen Medien sei ja nun alles einfacher: In den Anfängen der „Jungen Philharmonie“ seien Telefonketten das Kommunikationsmittel gewesen.
Mit Gesine Woellert, einer Informatikerin und Katja Kries, langjährige professionelle Kulturmanagerin beim SWR, sind zwei überaus kompetente und tatkräftige Nachfolgerinnen für Schellong gefunden, die mit großer Offenkeit, aber auch klaren Zielvorgaben das verantwortungsvolle vorsitzende Ehrenamt übernehmen: „Wir sind offen wie die Stadt Erlangen auch“. Mit dieser wünschen sich die beiden Nachfolgerinnen eine kommunikativere Kooperation.
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