Erlangen wehrt sich gegen Baustopp für Flüchtlingsunterkünfte
4.5.2016, 06:00 UhrGerade einmal sieben Flüchtlinge sind in Erlangen im April neu eingetroffen; Männer und Frauen, die in der nunmehr einzigen Erstaufnahmeeinrichtung in Tennenlohe unterkommen. Diese Summe ist, gemessen an den vergangenen Monaten, gering. Die Probleme aber werden dadurch nicht geringer. Ganz im Gegenteil.
Denn die bayerische Staatsregierung hat auf die rückläufigen Zahlen reagiert — und einen sofortigen Bau- und Planungsstopp für Flüchtlingsunterkünfte erlassen. Für Sozialbürgermeisterin Elisabeth Preuß kommt diese Entscheidung jedoch viel zu schnell. „Man hätte den Sommer abwarten müssen“, sagt sie, „und beobachten müssen, wie sich das in den nächsten Monaten entwickelt.“
Das aber hat der Freistaat nicht getan — und damit die Stadt ziemlich in die Bredouille gebracht. Das Aussetzen jeder Baumaßnahme betrifft unter anderem die Anlage für eine längerfristige Unterbringung in der Hartmannstraße. Auf dem Festplatzgelände sollten, so die ursprüngliche Planung, rund 80 Personen bis Mitte März einziehen. In weiteren Schritten soll(t)en die Container bis zur Jahresmitte um eine zweite Ebene aufgestockt werden, so dass 200 neue Plätze zur Verfügung stehen (wie berichtet).
Der erste Teil ist so gut wie fertig. Doch nach dem Baustopp ruhen die Arbeiten weitgehend, stattdessen bewacht der Erlanger Sicherheitsservice (ESS) die Einrichtung vor möglichen ausländerfeindlichen Attacken. „Wir wissen nicht, wie es dort weitergeht“, sagt Preuß, „aber wenn wir keine Perspektiven bekommen, belegen wir das untere Stockwerk.“
Damit wäre aber eine Chance verschenkt. Denn die verwendeten Module sind dezidiert auf eine doppelstöckige Bauweise ausgerichtet: „Sollen wir die guten Unterkünfte jetzt in den Sand setzen?“, fragt die Bürgermeisterin rhetorisch. Immerhin gehören diese mit zu den besten, die es (in der ohnehin noch angespannten) Lage auf dem Markt gibt.
Die ehemaligen Klinik-Container, in denen sogar Krankenhäuser Patienten untergebracht hatten, sind mit Küchen und eigenen Sanitäreinheiten ausgestattet. „Die Abteilungen sind ideal für Familien und Schwangere, die in der Stadt auf die Entscheidung ihres Asylantrages warten.“
Da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg aber nach wie vor mit der Bearbeitung kaum hinterherkommt, kann das dauern. Diese Zeit verbringen die Asylsuchenden in der Regel nicht in Erstaufnahmeeinrichtungen, sondern in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften (GU). Kleinere, familiärere Anlagen, in denen die Bewohner selbstständig kochen und die Kinder, die mit der Registrierung schulpflichtig sind, lernen können.
Das aber ist derzeit in Erlangen nicht möglich. Rund 300 Flüchtlinge, die Anspruch auf eine GU haben, leben momentan in der als Notunterkunft ausgerichteten Rathenaustraße. In dem früheren Möbellager waren seit Ende 2014 Flüchtlinge ohne Registrierung untergebracht — eben jene, die nur vorübergehend in der Anlaufstelle bleiben.
Da die Zahlen neu ankommender Flüchtlinge in Deutschland zurückgehen und der Freistaat zugleich den Bau neuer Unterkünfte (auch der dringend benötigten GUs) untersagt, bringt die Stadt nun in der Rathenaustraße jene Flüchtlinge unter, die länger bleiben.
Dass sich das Gebäude aber keinesfalls für eine längerfristige Unterbringung eignet, weiß auch Jürgen Seiermann, der Geschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB). „Es ist eine fragwürdige Entscheidung, die Unterkünfte nicht auf Standby zu fahren, sondern sofort mit dem Rückbau zu beginnen.“
Denn nun sind oder werden die Kapazitäten für eine längerfristige Unterbringung knapp. Zumal der Stadt viel daran lag, die dezentralen Unterkünfte in der Eurosporthalle in der Schallershofer Straße zu räumen. Auch die Wöhrmühle soll wieder für Obdachlose verwendet werden. „Wir brauchen jetzt Alternativen“, sagt Preuß, „die Rathenaustraße kann kein Dauer-Aufenthaltsort sein.“
Deshalb setzt sich die Stadt jetzt zur Wehr. Vor wenigen Tagen haben Oberbürgermeister Florian Janik und Bürgermeisterin Elisabeth Preuß einen Brief an den Regierungspräsidenten von Mittelfranken, Thomas Bauer, geschickt. Darin bitten sie den Bezirk, weiterhin Unterkünfte für Flüchtlinge planen und bauen zu können. Mindestens einen möglichen Ort für eine zusätzliche Container-Anlage haben die Verantwortlichen im Stadtgebiet bereits im Auge.
Um der Regierung von Mittelfranken (und damit dem Freistaat) das Entgegenkommen leichter zu machen, unterbreitet die Stadtspitze ihr in dem Schreiben ein besonderes Angebot: Wenn Erlangen weitere Unterkünfte bauen oder anmieten darf, will es weiterhin 1000 Flüchtlinge in der Notunterkunft aufnehmen, falls nötig auch aus anderen Kommunen.
Zudem kritisieren OB Janik und Bürgermeisterin Preuß in dem Brief Taschengeld-Kürzungen bei vorhandenem WLAN-Anschluss (Preuß: „das ist nicht richtig“) und eine Einführung von Kleidergutscheinen für Flüchtlinge. Insbesondere diese von der bayerischen Staatsregierung angepeilte Maßnahme nennt Preuß eine „Zumutung“ für die Menschen — abgesehen von dem, wie sie sagt, „personalintensiven, bürokratischen Aufwand“.
Wie der Bezirk auf die Anliegen reagiert, ist unklar. Noch liegt jedenfalls keine Antwort aus Ansbach vor.
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