Erlangen: Wie ein „Tief-Schlag“ alles verändern kann
27.10.2016, 17:50 UhrNach vielen Jahren Berufstätigkeit endlich die Rente – und endlich Zeit, um zu reisen und all die Dinge zu machen, die vorher immer zu kurz kamen. Diese Vorstellung hegen viele. Daran, dass es ganz anders kommen kann, will niemand denken. Franz Rumpler ist da keine Ausnahme. Der ehemalige Leiter der Schule für Kranke schildert in seinem Buch, wie sich sein Leben nach 42 Jahren als Lehrer und dem ersten Jahr im Ruhestand grundlegend und für immer verändert.
„Völlig veränderter Körper“
„Der Tief-Schlag“ hat Rumpler sein erstes Kapitel betitelt. Darin beschreibt er, wie er eine Gehirnblutung erleidet und gerade so dem Tod entrinnt. Danach folgt die „Rückkehr in ein Leben mit völlig verändertem Körper und vor allem veränderter Körperwahrnehmung“.
Sechs Jahre liegt dies nun zurück. Jetzt hat Rumpler sein Buch geschrieben, „Überlegungen für den Alltag in schwierigen Lebenssituationen“, und im Eigenverlag veröffentlicht. Wer ihm in seinem Haus in Dechsendorf gegenüber sitzt und sich mit ihm unterhält, bemerkt nichts von den Einschränkungen, denen er unterworfen ist. Aber wenn er sich dann erhebt und durch den Raum läuft, wird deutlich, dass er dabei Mühen hat.
Deutlich wird im Gespräch mit ihm auch, dass er unter der Situation immer noch leidet, aber sich doch weitgehend damit arrangiert hat. Seinen Humor hat er nicht verloren, selbst dann nicht, wenn er zurückblickt auf den verhängnisvollen Tag vor sechs Jahren. Da lässt er es sich auch nicht nehmen, „eine Geschichte am Rande“ zu erzählen: Denn den Schlaganfall hatte er bei einer Diskussionsveranstaltung, in der es um den Dechsendorfer Weiher ging. Unter anderem war damals auch die Erlanger Rechtsreferentin anwesend und stoppte die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungswagens. Alles ging glatt damals, innerhalb von 15 Minuten war er in der Kopfklinik.
Vorbei also die Zeit, als er noch wandern und Radtouren machen konnte, „peng, Schlag auf die Seite, keine Vorwarnung, nichts“, sagt er selbst. Als er die Intensivstation wieder verließ, war er halbseitig gelähmt, es folgten viele Therapien, „zwischen Yoga und Sprachtherapie ist alles dabei“, erklärt er.
Mit im Boot sitzt seine Familie, auf die Frage von Bekannten „wann fahrt ihr denn wieder in den Urlaub?“ sei seine Frau in Tränen ausgebrochen, erzählt er. „Urlaub“, sagt er, „ist eben anders und eher immer weniger.“ Er müsse sich öfter mal ausklinken, auch ein Stadtbummel verlaufe anders als früher. „Ich suche nach Ankerplätzen“, erklärt er. „Lärm, laufen, schnell“ — das seien Dinge, bei denen er erstarre. So wie ein Computer, der zu viele Aufträge gleichzeitig erhält.
In seinem Buch knüpft Franz Rumpler an seine Schilderungen praxisnahe Tipps zu unterschiedlichen Lebensbereichen an. Wie kann man Einkäufe bewältigen, welches ist das geeignete Verkehrsmittel? Gutes Wohnen gewinnt an Bedeutung, schließlich verbringt man mehr Zeit als früher in den eigenen vier Wänden. Was ist dabei zu beachten, wo kann man sich beraten lassen?
Der Autor macht deutlich, dass es unerlässlich ist, sich in Situationen wie seiner auf Neues, auf Veränderungen einzulassen. Einfaches Beispiel: Bücher zu lesen, wenn nur noch eine Hand funktioniert, ist frustrierend, da man ja die Seiten umblättern muss. Ein Ebook Reader — von dem man früher vielleicht nicht viel hielt — ist da viel leichter zu handhaben.
„Was darf ich noch, was kann ich noch, was traue ich mir noch zu?“ — diese Überlegungen durchziehen das Buch wie ein roter Faden. Vielleicht, so meint Franz Rumpler, sei das Bändchen deshalb auch eine ganz geeignete Lektüre für die Angehörigen. Um Verständnis für ihren Partner zu finden.
Franz Rumpler: Leben in kleinen Portionen. 7,99 Euro, ISBN 978-3-7412-1009-9
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