Erlangen: Wohnen für Hilfe gilt nun auch für Flüchtlinge

2.10.2016, 02:00 Uhr
Erlangen: Wohnen für Hilfe gilt nun auch für Flüchtlinge

© privat

Über Privates spricht Bürgermeisterin Elisabeth Preuß in der Öffentlichkeit selten. Bei der gut besuchten Informationsveranstaltung in der Stadtbibliothek aber macht sie eine Ausnahme — wohl um Immobilienbesitzer im Publikum zum Vermieten an Flüchtlinge zu ermutigen.

Sie selbst hatte bis vor kurzem eine junge Iranerin über mehrere Monate hinweg bei sich aufgenommen. Nicht gegen Geld, denn die anerkannte Asylbewerberin hatte keines, sondern für kleine Gegenleistungen im Haushalt. „Sie kehrte ab und zu den Hof und kümmerte sich oft um das Abendessen.“ Schnell gehörte die 26-Jährige, die vor dem Regime in ihrer Heimat alleine geflohen ist, zum Preuß’schen Familienleben, freundete sich mit dem noch zu Hause lebenden Sohn an und lernte die Geschwister der FDP-Politikerin kennen.

Mit dieser Wohngemeinschaft aus Deutschen und Flüchtlingen nahm die Sozialbürgermeisterin vorweg, was nun in Erlangen Schule machen soll und kann: Nämlich, dass das erfolgreiche Projekt „Wohnen für Hilfe“ von bislang meist studentischen Mitbewohnern auch auf (anerkannte) Asylbewerber übertragen wird. Bei dem städtischen Programm „vermieten“ meist Ältere, aber auch Familien und Alleinerziehende, Wohnraum an Jüngere, die ihnen im Gegenzug im Haushalt helfen.

Da das Projekt gut angenommen wird, will die Stadt auf Wunsch der Staatsregierung das Angebot nun also auf anerkannte Asylbewerber ausdehnen. Denn der positiven Nachricht, dass in der Stadt „sehr viele“ Flüchtlinge anerkannt sind und bleiben dürfen, folge die schlechte, dass sie zwar aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen dürften, aber nicht können, weil es an Wohnungen fehlt, sagte Preuß. Offiziell spricht man von „Fehlbelegern“ (wie berichtet).

So wurden seit Anfang dieses Jahres 500 Asylsuchende anerkannt, seither haben 230 die Unterkünfte verlassen. 270 warten noch auf eine Wohnung. Aber die Möglichkeiten gerade von sozial gefördertem Wohnraum sind beschränkt.

Daher wirbt die Stadt nun mit Blick auf anerkannte Flüchtlinge für das Projekt „Wohnen für Hilfe“. Auch andere (Vermietungs)Formen sollen Platz schaffen für anerkannte Asylbewerber: etwa zur Verfügung gestellter Wohnraum (das ist freier in der Vertragsgestaltung) oder das Vermieten ganzer Wohnungen mit Vertrag.

Wenn die Miete über das Jobcenter läuft, richtet sich die Höhe nach den Mietobergrenzen für Arbeitslosengeld -(ALG)-II-Empfänger. Falls eine Wohnung den vorgesehenen Betrag überschreitet, kann der ehrenamtlich tätige Verein Erlanger „Refugium“ einspringen und durch seine Mitgliedsbeiträge die Differenz begleichen. Für die zuständigen Behörden sind solche Ausnahmen auch aus Furcht vor Missbrauch durch Vermieter nicht möglich.

Für eine Immobilienbesitzerin, die ab Oktober eine Wohnung an zwei anerkannte Asylbewerber vermietet, hapert es beim Verfahren vor allem an der Kommunikation mit den städtischen Stellen. Sie habe mehrmals vergeblich versucht, einen Mitarbeiter des Jobcenters an das Telefon zu bekommen, kritisiert sie. Auch fehle es an kompakten Informationen.

So wisse sie nicht, ob der Rundfunkbeitrag vom Jobcenter übernommen werde und die beiden Mieter Arbeitslosengeld (ALG) II erhalten. „Der Vorgang ist sehr bürokratisch; wenn ich an Nicht-Flüchtlinge vermietet hätte, stünde die Wohnung schon lange nicht mehr leer.“ Aber sie habe nun mal den Anspruch, an Flüchtlinge zu vermieten, sagt die Erlangerin, die dort, wo sie selbst wohnt, eine geplante Nachverdichtung mit verhindert hatte; unter anderem sollte bei dem Projekt Wohnraum für Flüchtlinge entstehen.

Trotz mancher Schwierigkeiten gibt es aber durchaus Immobilienbesitzer, die bereits an anerkannte Asylbewerber vermieten oder mit ihnen in einer Art WG zusammen leben. Neben Bürgermeisterin Preuß berichten an diesem Abend drei Männer sehr eindrucksvoll von ihren durchwegs positiven Erfahrungen.

Norbert Marouschek beispielsweise vermietet eine Eigentumswohnung in einem Mehrparteienhaus in Frauenaurch an eine syrische Familie. Probleme gibt es dabei keine, auch nicht mit den Nachbarn.

Die katholische Pfarrei St. Theresia stellt ebenfalls eine Wohnung und zwei Appartements an Flüchtlingen zur Verfügung. Allerdings habe die Gemeinde der Stadt die Entscheidung überlassen, ob sie die Räume Asylberechtigten oder Sozialhilfeempfängern überlassen wollen, erläutert Pfarrer Udo Zettelmaier. „Wir wollten nicht eine Gruppe zu Gunsten der anderen benachteiligen.“

Rainer Rimane hingegen wollte dezidiert Syrer in seinem Haus aufnehmen. Er kenne das Land von früheren Besuchen, berichtet der 75-Jährige. Deshalb möchte er jetzt, da er in seinem Einfamilienhaus alleine lebt, Syrern ein Dach über dem Kopf geben.

Seit einigen Monaten wohnen jetzt ein 44-jähriger Rechtsanwalt und dessen 20-jähriger Neffe bei ihm.

Das Zusammenleben klappe gut. „Seine Jungs“, wie er die beiden Männer liebevoll nennt, würden ihm Gesellschaft leisten und im Haushalt zur Hand gehen.  Er bringe ihnen im Gegenzug Deutsch bei. „Es ist eine Bereicherung für beide Seiten“, sagt Rimane, „eine echte Win-Win-Situation“.

Weitere Informationen zu „Wohnen für Hilfe“ erteilt Gabriela Hesel unter: gabriela.hesel@stadt.erlangen.de

2 Kommentare