Erlanger Alt-OB Balleis lief noch einmal zu großer Form auf
13.11.2015, 20:00 UhrSo eloquent wie Balleis ist es bisher wohl keinem der Befragten (Nikolaus Fiebiger, Hermann Franz, Dietmar Hahlweg und Dieter Haack) gelungen, dem Projekt des Stadtarchivs dienlich zu sein. Dieses will mit seiner Befragungsreihe das Wissen herausragender Zeitgenossen über Erlangen und seine Geschichte der letzten Jahrzehnte für die kommenden Generationen bewahren – die Film- und Tondokumente sind aber gleichzeitig auch eine Persönlichkeitsstudie. Und Balleis zeigt bei seiner Einvernahme, dass er als bewährter Fragesteller – er hatte die erwähnten Zeitzeugen als „Miterfinder“ der Idee selbst interviewt – seine Lektion(en) gelernt hat, sich vom Fragenden thematisch nur ungern begrenzen lässt, demzufolge auch unumwunden sagt, was er glaubt, sagen zu müssen.
So wurde aus dem (bisher meist schreibenden) Fragesteller Udo B. Greiner sehr schnell ein Stichwortgeber, der es Balleis ermöglichte, sein überreich bestücktes Füllhorn an Erinnerungen, Anekdoten, Einschätzungen und – natürlich – Erfolgsgeschichten auszuschütten. Garniert wird das Ganze mit der gebotenen Demut – ja, es habe auch Misserfolge gegeben, frühe Wahlniederlagen, Mandate (im Zirndorfer Stadtrat und im Fürther Kreistag), „die nicht vergnügungssteuerpflichtig waren“, innerparteiliche Wahlschlappen und einen vergeblichen Versuch, einen beliebten Amtsinhaber aus dem Bürgermeistersessel zu kegeln. Aber Balleis weiß (und teilt dies auch mit): „Man muss auch Niederlagen verkraften können.“
Dazu helfen sinnhafte Handreichungen von Vaters Pinnwand („Alles was ich sage muss wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, muss ich auch sagen“), oder gar ein abgewandelter Kantischer kategorischer Imperativ: „Handele stets so, dass es auch am nächsten Tag in den Erlanger Nachrichten stehen könnte.“ So gewappnet kann man dann die Probleme anpacken, die sich erst einem Erlanger Wirtschafts- und Liegenschaftsreferenten stellen, später einem Oberbürgermeister Siegfried Balleis.
Dabei vergisst er auch nicht – so viel Wahrhaftigkeit muss sein – jene zu erwähnen, auf deren Schultern er letztlich stand, so sein Vorgänger Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg, aber auch andere Kollegen aus der städtischen Referentenriege wie der ehemalige Personalreferent Rudolf Schwarzenbach, mit dem er einen harten Sparkurs in der Personalpolitik vereinbaren konnte. Wenn aber dann die Haltungsnoten vergeben sind, kann er in die Vollen gehen und dem Archiv-TV-Format Futter liefern. Dann wird aus dem einstigen Wirtschaftsreferenten der Oberbürgermeister (seit 1996), der bislang zwar gegenüber seinem Vorgesetzten Dietmar Hahlweg eine „außerordentlich vertrauensvolle funktionale Loyalität“ gezeigt, nun aber eigene Visionen habe entwickeln können. Von Uni-Präsident Nikolaus Fiebiger habe er gelernt, „dass die Stadt Erlangen gar nicht weiß, was sie an ihrer Universität hat“, in der Sparkasse Erlangen habe er dann (unter dem Vorstandsvorsitzenden Alfred Bomhard) einen „strategischen Partner“ für den überfälligen Technologietransfer gefunden – die eigentliche „Vision“ sei aber die Stadt Erlangen als „Bundeshauptstadt der medizinischen Forschung und Technik“ geworden.
Dies als „Megatrend einer Epoche“ gesehen zu haben, sei auch ein Produkt alter Bekanntschaften und Verbindungen gewesen, die Idee der Cluster-Bildung sei gerade aufgekommen. Balleis: „Es galt, alles auf eine Karte zu setzen“, statt im Zehnkampf glänzen zu wollen.
Und schließlich das Sahnehäubchen: die Übernahme des Röthelheimparks vom Bund – eine Art Handstreich, der nur gelingen konnte, weil er, Balleis, den damaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel bei einem Erlangen-Besuch in dessen Dienstwagen habe überrumpeln können.
Warum der Kommunalpolitiker Balleis mit Vorbildern wie James Bond und Vincent van Gogh und Liebhaber von Hermann Hesse die letzte Wahl verlor, wird in einer zweiten Sitzung erörtert. Dass er sie verlor, mag man nach einer solch außerordentlichen Bilanz kaum glauben.
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