Corona-Pandemie
Erlanger Kinderärztin plädiert für die Corona-Kinderimpfung
12.12.2021, 06:00 UhrFrau Pletl-Maar, melden sich in Ihrer Praxis schon viele Eltern und fragen nach der Kinder-Impfung?
Ja, die Telefone laufen schon die ganze Zeit heiß, und wir haben auch viele Anfragen per E-Mail. Eltern wollen wissen, ob wir schon Kinder ab fünf Jahre impfen.
Und: Impfen Sie bereits Kinder unter zwölf Jahren?
Nein, das tun wir nicht. Weil der Kinder-Impfstoff ja noch nicht da ist. Nächste Woche bekommen wir ihn.
Es werden sicher viele Kinder geimpft werden. Sie haben die Nase voll von Quarantäne und wollen der Sache langsam entrinnen.
Die Stiko empfiehlt die Impfung nicht uneingeschränkt für alle Kinder, weil die Studienlage dafür noch nicht ausreiche. Sind Sie einverstanden oder hätten Sie sich etwas anderes gewünscht?
Die Stiko soll natürlich frei entscheiden. Aber ich hätte mir schon gewünscht, dass die Impfung für alle Kinder empfohlen wird. Dass die Stiko sie nun nur für Chroniker empfiehlt, empfinde ich als hinderlich, aber es ändert nichts an meiner Einstellung zur Impfung. Dass die Kinder nicht schwer erkranken, ist bekannt, aber sie leiden so massiv unter den Einschränkungen ihrer sozialen Kontakte. Die Kinder- und Jugendärzte sehen einen massiven Anstieg der psychischen Störungen bei Kindern, was uns nicht wundert.
Wie sieht es prinzipiell aus: Impfen auch die anderen Kinderarztpraxen in Erlangen Kinder unter zwölf?
Im kleinen oder größeren Umfang machen fast alle Impfungen in der Praxis. Der Impfstoff ist gut, das wissen wir aus den USA und aus Israel. Außerdem sehen wir Omikron in den Startlöchern und auch, wie schnell sich diese Variante ausbreitet.
Sie empfehlen die Corona-Impfung. Stiko-Chef Mertens ist in die Kritik geraten, weil er bereits vor Bekanntgabe der Stiko-Empfehlung gesagt hat, er würde sein Kind nicht impfen lassen. Sie stimmen ihm offenbar nicht zu.
Das hatte sich aber anscheinend auf die Verabreichung des Erwachsenenimpfstoffes bezogen. Da kann ich die Bedenken nachvollziehen. Für den Kinderimpfstoff habe ich diese Bedenken nicht. Meine siebenjährige Enkelin wird bei den ersten Kindern sein, die die Impfung bei uns erhalten, obwohl sie schon gesagt hat, dass sie nicht mein „Versuchshase“ sein will (lacht).
Wie schätzen Sie die Gefahr von Nebenwirkungen und Spätfolgen ein?
Äußerst gering, es wurden ja bereits Milliarden von Impfungen gemacht. Richtig schwere Nebenwirkungen gab es nicht.
Wann impfen Sie zum ersten Mal in der Praxis?
Unter der Woche können wir das nicht schaffen, denn die Kinderarztpraxen sind alle überfüllt, wir haben viele Kinder mit Infekten und wir haben auch noch Vorsorgeuntersuchungen und anderes, was man behandeln muss. Deshalb werden wir am Samstag, 18. Dezember, einen Zusatztag einlegen und mit dem Impfen beginnen. Die medizinischen Fachangestellten unterstützen uns großartig. Künftig werden wir, wie fast alle Erlanger Kinderärzte, im Impfzentrum eingebunden sein. Dort werden Kinderärzte an den Samstagen, aber auch in den Weihnachtsferien die Kinder impfen. Auch Kollegen und Kolleginnen aus dem Landkreis werden daran teilnehmen. Ich möchte allen Verantwortlichen, die geholfen haben, diese Kooperation in äußerst kurzer Zeit zu organisieren, herzlich danken.
Meinen Sie, die Nachfrage ist da?
Auf jeden Fall. Um Ihnen eine Vorstellung zu geben: Wir haben für den 18. Dezember eine Online-Buchung, die nach der Freischaltung in zehn Minuten ausgebucht war. Auch das Impfzentrum hat schon laufend Anfragen der Eltern. Es gibt 16.000 Kinder in dieser Altersklasse in der Stadt Erlangen und im Landkreis.
Offenbar konnten Sie also Impfstoff für die Kinder-Impfung bestellen. Wann werden sie ihn bekommen?
Wir mussten bis 7. Dezember bestellen, und das haben wir getan. Der Kinder-Impfstoff soll, wie gesagt, nächste Woche geliefert werden, an welchem Tag genau wissen wir nicht. Wir hoffen auf jeden Fall, dass wir ihn bekommen. Falls nicht, dann wissen unsere Eltern, dass die Impfaktion leider abgeblasen wird.
Aber Sie sind optimistisch, was die Bestellung betrifft, auch wenn es im Moment Lieferengpässe beim Impfstoff für Erwachsene gibt?
Die Lieferengpässe beim Impfstoff für Erwachsene sollten uns eigentlich nicht tangieren, denn Biontech/Pfizer bietet den Kinder-Impfstoff in einer ganz anderen Zubereitung an. Das sind andere Fläschchen und geht in der Produktion sicher getrennte Wege. Der Kinder-Impfstoff ist zwar derselbe wie der für Erwachsene, aber er ist mit einer anderen Pufferlösung versehen und wird auch anders verdünnt. So werden wir dann bei jedem Kind 0,2 Milliliter davon spritzen. Mit einem Fläschchen werden wir zehn, möglicherweise auch zwölf Kinder impfen können.
Das heißt für Sie, dass Sie am gleichen Tag auf jeden Fall diese Anzahl von Kindern für die Impfung brauchen?
Ja, das Fläschchen muss innerhalb von sechs Stunden verbraucht sein, und deshalb müssen die Kinder auch gezielt einbestellt werden.
Es war zu hören, dass es dann bis Anfang nächsten Jahres keine Impfstofflieferungen mehr gibt. Haben Sie also Impfstoff für einen längeren Zeitraum bestellt?
Wir holen uns keine Vorräte her, denn der Impfstoff ist ja nicht ewig haltbar. Wir werden in unserer Praxis in den Weihnachtsferien nicht impfen. Viele Praxen haben in dieser Zeit geschlossen, und wir machen die Vertretung - damit werden wir ausgelastet sein. Und dann wollen wir auch vorzugsweise im Impfzentrum impfen. Zwischen den Feiertagen haben die Eltern Zeit. Die Kitas sind zu und die Schulen auch. Das passt sehr gut.
Ein knapp Zwölfjähriger bekommt den Kinderimpfstoff. Ein Kind, das zwölf Jahre und damit unerheblich älter ist, den Erwachsenenimpfstoff. Muss da nicht differenzierter dosiert werden?
Irgendwo muss man einen Cut-off machen. Es muss eine klare Abgrenzung geben, dafür gibt es ja die Zulassungsstudien.
Wird dann beim Kinderimpfstoff differenziert? Bekommt also beispielsweise ein Fünfjähriger eine geringere Menge als ein Elfjähriger?
Impfstoffe arbeiten nicht so, wie Sie glauben, dass man aufs Kilo genau die entsprechende Menge Impfstoff braucht, sondern das Immunsystem wird ganz anders stimuliert. Wir impfen zum Beispiel Babys gegen Diphterie mit einem höher dosierten Impfstoff als Erwachsene, weil die Babys das für die Immunantwort brauchen. Bei der FSME-Impfung wird bei einem Impfstoff ein Zwölfjähriger mit dem Erwachsenenimpfstoff geimpft, bei einem anderen Impfstoff erst ab 16 Jahren. Die Studienzulassungen laufen nur mit dem Alter, aber nicht mit dem Gewicht, und je nach Impfung sind sie eben auch unterschiedlich zugelassen. An die Zulassungen muss man sich halten.
Erleben Sie, dass die Eltern verunsichert sind, oder haben sich viele schon entschieden, wenn sie auf Sie zukommen wegen der Corona-Kinderimpfung?
Manche haben Aufklärungsbedarf. Aber viele wissen auch schon, dass sie die Impfung für ihr Kind wollen. Die Leute sind auch müde mit den vielen Bestimmungen.
Jetzt ist es ja auch so, dass die Kinder keinen Sport mehr machen dürfen, wenn sie über zwölf Jahre und drei Monate alt und nicht geimpft sind. Das will niemand für sein Kind. Es werden sicherlich viele Eltern ihre Kinder impfen lassen, ich glaube, dass das gut ist. Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahre impfen wir übrigens jede Woche.
Kinderärzte sind unter den Ärzten gewissermaßen die Fachleute fürs Impfen, denn sie impfen am allermeisten und zwar gegen viele Krankheiten. Zu welchen Impfungen raten Sie für Kinder?
Wir impfen gegen circa zwölf Krankheiten von Tetanus über Polio, Keuchhusten und Diphterie bis hin zu Masern, für die es mittlerweile eine Impfpflicht gibt. Bei uns in der Praxis werden auch viele Kinder gegen Meningokokken B geimpft. Das ist keine Stiko-Empfehlung, es ist eine teure Impfung, die sich aber viele Eltern leisten, weil sie nicht wollen, dass ihr Kind an einer Hirnhautentzündung erkrankt und vielleicht verstirbt. Impfungen sind gut, sie sind das modernste, was wir gegen Krankheiten haben. Wir müssen schauen, dass unsere Kinder rundum geschützt sind. Sie sind unser wertvollstes Gut.
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