Erlanger sind entsetzt nach Schlägerei im Schlossgarten

11.6.2015, 06:00 Uhr
Erlanger sind entsetzt nach Schlägerei im Schlossgarten

© Bernd Böhner

Pfarrer Johannes Mann findet deutliche Worte. „Diese Form der Freizeitbeschäftigung geht überhaupt nicht“, sagt der Begründer des Erlanger Netzwerks „Mutwerk“, in dem sich verschiedene Einrichtungen zusammengeschlossen haben mit dem erklärten Ziel, Zivilcourage zu fördern.

Eine Übermacht von drei Jugendlichen gegen einen, ein Kopfstoß, Faustschläge - überhaupt körperliche Gewalt: Das sei eine unfassbare Verrohung, „bei der wir nicht mit Achselzucken reagieren dürfen“, sagt Mann. Angesichts einer solch bedrohlichen Situation habe er wenig Verständnis für die Zeugin, die „sich abspeisen ließ“ und weiter ging, nachdem einer der Täter ihr gesagt hatte, dass alles nur Spaß sei.

„Ich hätte mir gewünscht, dass sie die Polizei gerufen hätte“, sagt Mann. „Wenn das Ganze nicht verfolgt wird, haben die Täter einen Machtzuwachs“, sagt Gerlinde Neudörfer-Oyntzen, die Koordinatorin der Schulpsychologen an den Erlanger Grund- und Mittelschulen. Die Polizei müsse massiv einschreiten, meint deshalb auch sie.

Keine Seltenheit

Ob Gerangel, Kämpfe oder Prügelei - unter Jugendlichen sei dies gar nicht so selten, glaubt sie. Die Dunkelziffer sei wahrscheinlich recht hoch. Die Opfer würden es „mit sich selbst ausmachen - ich glaube, dass sie oft sehr schambesetzt sind und sich selbst die Schuld zuschreiben.“ Außerdem seien sie in der Regel eher schüchtern und hätten ein geringes Selbstwertgefühl.

Damit sie sich beispielsweise ihren Eltern öffnen, müsse der Leidensdruck groß sein. Manchmal fehle auch einfach das Vertrauensverhältnis, das im Elternhaus vorhanden sein sollte, meint die Schulpsychologin. Bei derartigen Auseinandersetzungen sei die Frage, ob es sich um Mobbing handle oder um bewusst eingesetzte Aggression. Und fraglich sei auch, ob das Ganze vielleicht am Anfang nicht tatsächlich noch Spaß sei und dann eskaliere.

Mitunter setze sich eine Spirale in Gang, „wo die Kontrahenten sich nicht ohne Gesichtsverlust zurückziehen können.“ Mobbing-Täter hätten feine Antennen, sagt Neudörfer-Oyntzen. „Sie merken, wenn ihnen jemand unterlegen ist.“ Allerdings sei eines der Kriterien für Mobbing, dass jemand sich über einen längeren Zeitraum hinweg schädigend gegenüber jemand anderem verhalte.

Im aktuellen Fall haben sich die Beteiligten laut der Aussage des Opfers allerdings untereinander nicht gekannt - damit kann Mobbing ausgeschlossen werden. Dagegen könne es sich um eine Art Mutprobe gehandelt haben, meint die Schulpsychologin - nach dem Motto „den nehmen wir uns als Spaßfaktor“. Und sie glaubt: „Er hätte sich selbst schützen können, wenn er gesagt hätte: Stopp, nicht mit mir!“.

„Derartige Delikte geschehen nicht häufig“, sagt der Polizeibeamte Timm Schneider. Es handele sich um Einzelfälle, betont er und weist darauf hin, dass die Polizei regelmäßig die Schulen aufsuche und den Schülern zeige, wie sie mit Gewalt umgehen und diese vermeiden können. „Auch die Lehrer wirken sehr gut auf die Schüler ein“, meint er. Durch den aktuellen Fall sehe er „keine Brisanz, auch nicht im öffentlichen Raum“.

"Anwälte von allen"

Dort sind die beiden „Streetworker“ der Stadt unterwegs. Schlägereien unter Jugendlichen? „Ja“, sagt Susann Skerra, „das kommt vor“. Die Sozialpädagogin sieht sich, gemeinsam mit ihrer Kollegin, als „Anwalt von allen“ - Opfern wie Tätern. Sie unterliegen einer Schweigepflicht, haben ein offenes Ohr und wertvolle Tipps für jeden. Und sie wissen: Ängste und Nöte haben auch Täter - manchem wird zu spät klar, dass er Mist gebaut hat.

„Wir beraten sie, wenn sie zum Beispiel vor Gericht müssen“, sagt Susann Skerra. Diesmal kennt sie die Beteiligten nicht und sie warnt vor vorschneller Verurteilung. „Man kennt die Vorgeschichte nicht“, sagt sie.

Auch Pfarrer Mann warnt: „Selbstjustiz ist überhaupt keine Lösung. Wir haben eine funktionierende Polizei und Justiz.“ Mit dem Opfer fühlt er mit: „Selbst wenn keine Traumatisierung vorliegt, kann es Spätfolgen geben. Ein solches Erlebnis kann einen Menschen für lange Zeit in seiner Fröhlichkeit und Unbeschwertheit beeinträchtigen.“