Figurentheater: Performance für Haustiere in Erlangen
10.5.2015, 18:18 Uhr„Jack, für die Kunst muss man Opfer auf sich nehmen.“ Der Kater darf heute nicht aus dem Haus. Sehnsüchtig starrt er aus dem Fenster. Jack ist Teilnehmer der „Animal Performances“ von Kroot Juurak und Alex Bailey. Davon weiß er allerdings nichts. Wenn sie kommen, soll er zuhause sein. Eine Animal Performance ohne Tier – das geht nicht. Der achtjährige Ben versucht, ihn abzulenken und tanzt ihm etwas vor. Hmm, schon ganz interessant, aber draußen Mäuse zu fangen, wäre trotzdem schöner. Ist Kunst vielleicht nur etwas für Wesen, die komplett domestiziert sind – für Menschen in Großstädten?
Ausdrücklich für Haustiere und nicht etwa für deren Besitzer treten Kroot Juurak und Alex Bailey auf. Die in Tallinn in Estland aufgewachsene Kroot Juurak hat in Amsterdam Tanz und Choreografie studiert. Mit Tieren zusammenzuarbeiten, findet sie äußerst reizvoll – auch oder gerade weil solche Performances eine ganz eigene Dynamik haben. „Ich traf diesen Hund“, erzählt sie. „Nach zwei Wochen wollte ich mit ihm zusammen eine Performance machen. Aber er schlief die ganze Zeit auf der Bühne.“ Alex Bailey ergänzt: „Im Lauf der Zeit fand sie einen neuen Hund. Das war ich.“
Jetzt stehen die beiden Künstler bei uns im Wohnzimmer. Sie bitten uns, im Hintergrund zu bleiben. Denn die Performance sei für Jack, nicht in erster Linie für uns. Sie beginnen in einer Ecke, auf allen Vieren kauern sie dort. Der Kater geht kurz mal hin, schaut sich das an. Kinderei? So was macht auch mein achtjähriger Ben? Jack erklimmt seine Katzentonne, dreht der Szenerie im Zimmer den Rücken zu, schaut hinaus auf die sich im Wind bewegenden Blätter, auf vorbeifliegende Vögel. Die beiden Künstler haben inzwischen eine Decke über sich geworfen, machen Geräusche. Ein Blasen, Schnaufen, Prusten, Quietschen, Zwitschern, Gurren erklingen mal leise, mal heftig. Schließlich lässt sich der Kater dazu herab, sich umzudrehen und auf das mittlerweile auf die Couch gekletterte Gebilde aus Decke und Mensch hinabzuschauen.
Die Performance geht weiter. Jacks Neugierde ist nun offenbar doch geweckt. Hinab in den Keller und zurück, ein Knurren und Bellen, tierisches Krabbeln, Blickkontakt unter der Couch hindurch. Dann ist die Performance vorbei – das wissen die drei Beteiligten offenbar gleichzeitig. Die beiden Künstler richten sich auf, der Kater geht in sein Körbchen, kringelt sich zusammen und schläft ein.
Akteur und Zuschauer zugleich
„Haustiere sind wirklich die besten Performer“, sagt Kroot Juurak. „Sie erheischen Aufmerksamkeit und unterhalten, ohne dabei zu versuchen, ihre Zuschauer zu beeindrucken.“ In einer Fernsehshow in Estland wurden sie gefragt, ob das Ganze nicht etwas bizarr und, naja, vielleicht auch dekadent sei. Aufführungen für Tiere, wo es vielleicht den Menschen an dem einen oder anderen fehle? Dem halten sie entgegen, dass Tiere nun mal in manchen Ländern – in Europa oder auch in Japan – ein wichtiger Teil der Familie seien. Oft seien sie auch Sklaven, die ihrer Aufgaben beraubt seien.
Während der Performance sind dann letztlich alle Akteur und Zuschauer zugleich – die beiden Künstler, das Tier, die Besitzer des Tieres. „Mit Tieren lässt sich gut denken“ hat Claude Lévi-Strauss in „Le Totémisme aujourd'hui“ festgestellt, und darauf beziehen sich Juurak und Bailey.
Für und mit Jack aufzutreten, war für sie bewegend. Der Kater hat wunderbar mitgemacht. Katzen und Hunde waren bisher ihre Akteure. „Manche Leute halten auch Schlangen als Haustiere“, sagen wir. „Ich frage mich, ob sich die Bedingungen der Domestizierung auch auf Schlangen übertragen lassen?", fragt Bailey.
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