Große Chance für die Erlanger Hupfla

Eva Kettler

Erlangen

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2.4.2020, 15:00 Uhr
Große Chance für die Erlanger Hupfla

© Harald Sippel

Während des Nationalsozialismus wurden hunderttausende Menschen aufgrund von körperlicher oder geistiger Behinderung, Krankheit, aber auch sozialem "Fehlverhalten" zwangsweise sterilisiert oder im Rahmen der NS-"Euthanasie" ermordet. Von einem "Grauen, das einen fassungslos macht", sprach kürzlich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann.

Seine Heimatstadt Erlangen ist von diesem Grauen ganz direkt betroffen: Von der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt (HuPfla) aus wurden 908 Patienten in Tötungsanstalten gebracht, mindestens 1000 Menschen – vermutlich aber deutlich mehr – wurden hier durch sogenannte Hungerkost und überdosierte Medikamente getötet.

"Großes Interesse"

Die Erlanger Bürger, die sich in dem Aktionsbündnis "Gedenken gestalten – HuPfla erhalten" engagieren, haben festgestellt, dass in Zusammenhang mit dem bevorstehenden Teilabriss des letzten "HuPfla"-Patientengebäudes das Interesse an dem Umgang mit dem Erbe aus der Zeit des Faschismus nach wie vor ungebrochen ist. Vor Beginn der Ausgangsbeschränkungen wegen Corona hatten sie jeden Samstag einen Infostand am Hugenottenplatz. Immer wieder sei auch eine würdige, respektvolle Form des Erinnerns an die Opfer angemahnt worden, sagen sie.

Beauftragt von der Stadt Erlangen und dem Universitätsklinikum erstellt derzeit der Kulturwissenschaftler und Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg Jörg Skriebeleit ein Konzept für eine künftige Gedenkstätte in Erlangen. Ursprünglich sollte die öffentliche Vorstellung des Konzepts im April sein. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Termin nicht verschoben werden muss.

Einige Vorschläge

Mit einigen Vorschlägen zu dieser künftigen Gedenkstätte bringt sich das Aktionsbündnis jetzt schon in die öffentliche Diskussion ein. Ein Lern- und Gedenkort in der Erlanger HuPfla werde unter spezifischen Bedingungen entstehen, die eine entsprechende Gestaltung und Schwerpunktsetzung fordern, formuliert es das Aktionsbündnis in einer Presseerklärung. Umgeben von Kliniken, Hörsälen und Instituten der medizinischen Spitzenforschung müsse dieser Ort außer seiner Gedenk-, Lern- und Erinnerungsfunktion eine weitere wichtige Aufgabe wahrnehmen. "Er soll Gelegenheit bieten, die ethischen Grundlagen ärztlichen Handelns für die Gegenwart und Zukunft immer wieder neu zu reflektieren und zu sichern".

Zukunftsweisender Ort

Erlangen stünde, so die Vorstellung der im Bündnis engagierten Bürger, ein Dokumentations- und Begegnungszentrum zur Geschichte der "Euthanasie" und zu heutigen Themen der Medizinethik gut zu Gesicht. Ein Ort also, an dem sowohl Fragen an die Vergangenheit gestellt als auch aktuelle Entscheidungen unter die Lupe genommen werden. Ein Ort, an dem nicht der Schrecken konserviert wird, sondern vielmehr ein zukunftsweisender Ort.

"Hier muss die Grundlage für ethisch begründetes, medizinisches Handeln und Behandeln gelegt werden", fordert das Aktionsbündnis und sieht darin eine besondere Chance für die Friedrich-Alexander-Universität, sich zu profilieren. An einem solchen Ort, der jetzt in Erlangen geschaffen werden könne, müsse die Grundlage für ethisch begründetes, medizinisches Handeln und Behandeln gelegt werden.

Eine Frage der Ethik

Dabei dürfe der Bezug zu den schuldhaften Geschehnissen an diesem Ort nicht aus dem Blick geraten. Denn auch in der NS-Zeit habe Ethik in den Lehrplänen der medizinischen Studiengänge gestanden, vermittelt worden sei sie von ideologiefesten, ärztlichen Parteimitgliedern. Es gebe keine Garantie, dass eine humane Medizinethik in demokratischen Gesellschaftsstrukturen für alle Zeiten bestehen bleibe. Sie sei gefährdet in Diktaturen und Gesellschaftsformen, die aus Profitgründen selektiv handeln.

Moderne Diskussion

Im Grunde gehe es also um die immer wieder neu zu beantwortende Frage: Wer gestaltet den Raum für eine moderne Diskussion einer humanen, sozialen Gesundheitspolitik und deren Werte? Im Zentrum stünden dabei auch die sozialen Fragen – Themen wie Pflegenotstand oder würdevolles Altwerden in der modernen Zivilgesellschaft, aber auch die Arbeitssituation überlasteter Ärzte und Pflegekräfte. "Das in dem letzten authentischen Patientengebäude der ehemaligen HuPfla zu errichtende Dokuzentrum", so formuliert es das Aktionsbündnis, sollte unterschiedliche Abteilungen haben. Einen Gedenkort, der an die ermordeten Patientinnen und Patienten in der NS-Zeit erinnert.

Einen musealen Teil, der sich mit der Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt befasst, die immerhin die erste in Bayern war, darüber hinaus die einzige pan-optische, also zu allen Teilen einsehbare Anstalt Deutschlands. Hier könne auch auf die Historie der Psychiatrie und Medizin in Erlangen eingegangen werden – zum Beispiel auf den früheren HuPfla-Direktor Gustav Kolb, der sich in den 1920er Jahren mit dem "Erlanger System" der offenen Fürsorge einen Namen machte und zum Rücktritt gezwungen wurde, da er sich der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik widersetzte.

Ausstellung über Patientenmorde

Und es müsse eine Ausstellung über die NS-Patientenmorde geben, über "Kindereuthanasie", Zwangsabtreibungen, Zwangssterilisationen.

Dringend notwendig ist aus Sicht des Aktionsbündnisses schließlich auch die Schaffung einer medialen, modern ausgestatteten Begegnungsstätte mit verschiedenen Seminar- und Gruppenräumen sowie einem Veranstaltungssaal sowie einem Café für den Austausch zwischen Studierenden, Jugendlichen und Bürgern unter Mitwirkung der FAU Erlangen, der Volkshochschule, des ZSL und engagierter Bürgerinitiativen.

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