Herrmann Radteam gewinnt die Deutsche Meisterschaft
5.9.2018, 13:30 UhrEin Puzzle mit vielen Tausend Teilchen. Will man den historischen Deutschen Meistertitel verstehen, sollte man sich ein Puzzle vorstellen. Ob es ein Puzzle in den Vereinsfarben ist, sagt Grischa Janorschke, der ehemalige Radprofi und nun Teammanager dieser überraschend erfolgreichen Baiersdorfer Mannschaft, zwar nicht. Doch vielleicht hilft das der Vorstellungskraft. Ein Puzzle in Herrmann-Blau also.
Ein Teilchen stammt von der Olympia-Radrennbahn von 1972. Allerdings aus dem Jahr 2018. Dort haben die Baiersdorfer Rennradfahrer einen Aerodynamik-Test gemacht, in einem Windkanal sind sie eine simulierte Zwei-Kilometer-Strecke gestrampelt, um die beste Aero-Position im Sattel zu finden. "Der größte Widerstand auf dem Rad ist der des eigenen Körpers", sagt Janorschke. Friedrich Meingast — einer der Deutschen Meister, mehrfacher Bayerischer Zeitfahrmeister und nun sogar ganz frisch: Papa — hatte besonderen Anteil daran.
Profitiert aber haben alle, wie das Mannschaftszeitfahren in Genthin gezeigt hat. Auch das Material, das Spezial-Training in Hollfeld und die Zusammensetzung der Mannschaft haben zum Sieg beigetragen. "Viele kleine Puzzleteile haben sehr gut funktioniert", sagt Janorschke. "Das Mannschaftszeitfahren war eines unserer großen Ziele." Im Straßenradfahren gibt es schließlich nicht so viele Gelegenheiten, Deutscher Meister zu werden. Im Team gibt es sogar nur diese eine. "Wir haben mit einer Medaille gerechnet, weil wir unsere Hausaufgaben gemacht haben."
Dass es die Goldene werden würde, war trotzdem überraschend. "Es muss alles perfekt laufen", sagt Janorschke. "Wir haben jede Stellschraube besser gemacht, es ist eine Summe an Details." Der Sieg ist nicht leicht zu erklären. 25 Sekunden war das Herrmann Radteam im 50 Kilometer langen Kampf gegen die Uhr schneller als die Mannschaft auf Rang zwei, Lotto-Kern Haus, die in der Bundesliga der Konkurrenz meilenweit enteilt ist.
Diesmal aber waren Christopher Hatz, Florian Obersteiner, Victor Brück, Miguel Heidemann und Leon Echtermann und eben Papa Meingast schneller, viel schneller, der Sieg ist absolut verdient. "Wir waren 100 Prozent fokussiert", sagt Janorschke. Und die anderen waren eben langsamer. Allerdings nicht im Vergleich zum Vorjahr. Die Meisterschaft in Genthin in Sachsen-Anhalt hat eine lange Tradition, die Strecke ist seit 30 Jahren unverändert. "Wir waren 14 Sekunden schneller als der Sieger aus dem Vorjahr."
Die Baiersdorfer waren also wirklich: verdammt schnell. Nach 30 Jahren ging damit der Deutsche Mannschafts-Meistertitel im Straßenrennen, den zuletzt die RSG Nürnberg 1988 gewonnen hatte, erstmals wieder nach Franken. Und erstmals überhaupt an das Herrmann Radteam. "Nach den vielen zweiten Plätzen ist das der erste Deutsche Meistertitel für uns", sagt Janorschke. "Der Titel ist prestigeträchtig und hat im Radsport einen hohen Stellenwert."
Das Ergebnis zählt zudem auch für die Bundesliga-Wertung. Dort haben sich die Baiersdorfer nun wieder auf Rang zwei vorgeschoben, zwei Rennen sind es noch in dieser Saison. "Wir wollen den Platz halten." Meisterschafts-Kandidat Nummer eins ist hier das im Mannschaftszeitfahren geschlagene Team Lotto-Kern Haus. "Wir haben uns in der Liga näher an sie heranschieben können", sagt Janorschke. "Um den Sieg anzugreifen, müssten die allerdings einen Totalausfall haben."
Doch selbst wenn es am Ende der zweite Platz in der zweiten Bundesliga-Saison des Vereins bleibt, wird das Jahr ein äußerst erfolgreiches sein. "Wir sind auf dem richtigen Weg. Den Titel haben wir mit einigen jungen Fahrern geholt, denen man das vor dieser Saison nicht zugetraut hätte", sagt der Teammanager. Die Baiersdorfer wollen Talenten die Chance geben, sich zu entwickeln.
Aktuell ein sehr erfolgreiches Unterfangen, das haben die sechs neuen Deutschen Meister im Mannschaftszeitfahren bewiesen. Für sie alle gab es zur Belohnung Medaillen und ein Meister-Trikot. Der überglückliche Friedrich Meingast hat zudem noch seine kleine Tochter im Arm. Es sind die letzten Teile dieses Puzzles. Und sie glänzen golden.
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