In Erlangen wächst der seltenste Baum der Welt
2.9.2015, 18:00 UhrEs ist der seltenste Baum auf der Welt. Von ihm gibt es in der Natur nur noch sieben Exemplare, alle versammelt auf einem Hügel in der Nähe von Leutenbach bei Forchheim. Gäbe es nur noch sieben Eisbären auf der Welt, wäre der Aufschrei wahrscheinlich groß. Doch von diesen letzten Mehlbeeren ihrer Art nimmt kaum einer Notiz.
Für Biologen allerdings sind die sieben verbliebenen Bäume ein wahrer Schatz, den es zu bewahren gilt. Ähnlich wie im Tierschutz gibt es deshalb auch in der Botanik Programme, um vom Aussterben bedrohte Arten zu erhalten. Auch der Botanische Garten in Erlangen beteiligt sich. Der Schutz von Hohenesters Mehlbeere ist dabei von besonderem Interesse, schließlich hat ein Student die Pflanze einst entdeckt und nach seinem Erlanger Professor, dem damaligen Leiter des Botanisches Gartens, benannt.
Samen werden weltweit verschickt
Heute weisen rote Rahmen im Garten auf die gefährdeten Pflanzen hin. Neben den sieben originalen Mehlbeeren bei Leutenbach wachsen auch in Erlangen ein paar Bäume. „Es gibt einfach zu wenige, um den Fortbestand dieser Art sicherzustellen“, sagt Claus Heuvemann, Leiter des Botanisches Gartens. Deshalb züchten Biologen weitere Bäume. Das wird mit rund 25 anderen gefährdeten Pflanzen, die es in Erlangen gibt, so gemacht.
Die Gärtner sammeln dafür extra Samen ein, packen sie in kleine Papiertütchen und bewahren sie auf, bis es Verwendung dafür gibt. „Man sollte die Pflanzen nur an solchen Standorten wieder aussähen, wo es diese Art schon einmal gab.“ Die vielen verschiedenen Samen sind extra in einem Index aufgelistet, an dem Botanische Gärten weltweit arbeiten. „Wir verschicken die Samen oder bestellen welche für uns hier.“
Ganz schön viel Aufwand, nur damit zum Beispiel Hohenesters Mehlbeere nicht ausstirbt. Andere Mehlbeeren-Arten gibt es schließlich noch. „Es geht darum, die genetische Vielfalt beizubehalten“, sagt Heuvemann. „Sobald ein kleines Glied in der Kette fehlt, da reicht auch eine unscheinbare Pflanze, kann das komplette System zusammenbrechen.“ Tiere, wobei Vögel nur die spektakulärsten sind, ernähren sich von Pflanzen. Manche sind so spezialisiert, dass sie keine andere als die eine Art verzehren.
Viele aber wissen das schlichtweg gar nicht. „Menschen machen den Fehler, Dinge in nützlich und überflüssig zu unterscheiden“, sagt Heuvemann. Dabei müsse nicht alles, was auf den ersten Blick unnütz ist, auch überflüssig sein. Pflanzen werden für vieles gebraucht, auch für Zahnpasta. Und selbst Arten, die aktuell noch nicht direkt genutzt werden, könnten irgendwann einmal nützlich sein. „Manche Wirkstoffe werden erst noch entdeckt.“
Auch Oliven, Äpfel oder Kirschen kann's treffen
Doch auch aus wirtschaftlicher Sicht mache es Sinn, die Vielfalt in der Pflanzenwelt zu erhalten. Beispiel Olivenöl. Die Olivenbäume werden krank, die Preise steigen, kein chemisches Mittel hilft. „Also muss man eine andere Baumart mit der Kulturpflanze kreuzen, um sie so immun gegen den Schädling zu machen.“
Gleiches gilt für Äpfel oder Kirschen. „Wir essen ein paar Hauptsorten, vielleicht zehn verschiedene“, sagt Heuvemann. Doch in Wahrheit gibt es hunderte unterschiedliche Apfelsorten. „Eine Vielfalt, die auch wieder wichtig werden kann.“
Ebenfalls vom Aussterben bedroht ist der Zwillingszähnige Löwenzahn. In Deutschland sind nur sechs Orte bekannt, wo diese Art noch wächst. Mitarbeiter des Botanischen Gartens aber haben begonnen, die Blume wieder auszubringen, also gezüchtete Setzlinge in der Natur anzupflanzen.
Für die Biologen ein Erfolg. „Wir haben in die Natur eingegriffen und vieles zerstört“, sagt Heuvemann. „Deshalb müssen wir auch eingreifen, um Pflanzen zu erhalten.“ Am Ende nämlich spielt es keine Rolle, ob ein Eisbär oder ein Löwenzahn ausstirbt oder überlebt. Für die Natur ist beides von Bedeutung.
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