Investition und Herzenssache: Radteam Herrmann aus Baiersdorf

Katharina Tontsch

Sportredakteurin in Erlangen

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22.10.2018, 18:18 Uhr
Investition und Herzenssache: Radteam Herrmann aus Baiersdorf

© Foto: Marcel Hilger

Herr Herrmann, wünschen Sie sich ein Elixier der Jugend?

Was die Jungs leisten, ob man sich das wünscht, da mitzufahren. (überlegt kurz) Es ist immer schön, mit ihnen zu fahren. Doch es ist extrem, was die Fahrer leisten. Wenn man im Auto hinterher fährt bei 50 Kilometer pro Stunde und sieht, wie sie die Attacken fahren, und so erfolgreich, dann ist es hervorragend.

+++ Im Lokalsportcast: Das Interview mit Stefan Herrmann +++

Ein 20-jähriger Stefan Herrmann hätte da nicht mitgehalten?

Die Frage hat sich bei mir nicht gestellt. Für mich stand damals die Arbeit im Vordergrund. Ich kam erst zum Radsport, als ich älter als 30 war. Dann war zwar der ein oder andere Wettkampf dabei, aber nie auf dem Niveau meiner Jungs. Dafür sind so viele Trainingskilometer nötig. Mitte November beginnt schon wieder die Vorbereitung für die Saison 2019. Ich sehe es gerade an meinem Sohn, er ist 16 Jahre alt, trainiert für die U19. Wenn ich sehe, bei welchem schlechten Wetter er trotzdem draußen ist. Da haben wir im vergangenen Winter oft den Kachelofen angeschürt — und er ist noch gefahren. (lacht)

Sind Sie ein Schönwetter-Fahrer?

Das würde ich so nicht sagen. Aber wenn man es sich einteilen kann, fährt man lieber bei schönem Wetter als bei null Grad und leichtem Schneefall.

Überrascht es Sie, wie weit Sie es mit dem Radteam geschafft haben? Sie haben mit einer Hobby-Mannschaft angefangen.

Klar. Sie sehen hier die Entstehungsgeschichten.

 - - Stefan Herrmann deutet auf seine Wand hinter dem Schreibtisch. Dort hängen zahlreiche Zeitungsartikel, Trikots und Bilder vom Radteam. - - 

2003 sind wir beim Dolomiti gefahren, wir kommen aus dem Hobby-Bereich. Vor vier Jahren habe ich mich gefragt: Was gibt es noch mehr als Hobby? Ich wollte wissen, wie man es professioneller aufziehen kann und habe mich beim Uni-Team Marinbikes informiert. So habe ich auch Peter Renner (nun Vereinsvorsitzender, d. Red.) kennen gelernt. Und ich war bereit, eine gewisse Summe zu investieren.

Wollten Sie Hauptsponsor werden?

Nee. Es hat sich so ergeben. Es gab ein Gespräch, auch mit einem anderen Sponsor. Ich bin jemand, der zügig zu einer Entscheidung kommen will. Doch hier gab es Verzögerungen und Schwierigkeiten. Die Lösung hieß dann: Der Herrmann geht komplett aufs Trikot.

Also war es Ihr Radteam.

Ja.

Und was haben Sie dann gemacht?

Ein Jahr habe ich mir angeschaut, was das Team alles macht. Danach haben wir festgestellt, wo Potenzial da ist. Ich war sehr ehrgeizig, habe mich dafür interessiert, wie wir das Team in Bayern nach vorne bringen. Es musste mehr unternehmerisch gedacht werden, nicht so studentisch. Als neues, junges Team war es nicht leicht. Große Fahrer haben uns belächelt. Doch das hat schnell nachgelassen, als sie gemerkt haben, dass wir schnell fahren können. Wir haben Material aufgerüstet. Wie in meinem Unternehmen auch: Wenn ich Leistung erwarte, muss das Material top sein — damit keine Ausreden da sind.

Investition und Herzenssache: Radteam Herrmann aus Baiersdorf

© Foto: Harald Hofmann

Kann man das Radteam mit einer Firma vergleichen?

Ja. Wir führen das Team sehr unternehmerisch. Das ist in der Radbranche nicht üblich. In anderen Teams ist das Budget zwar hoch. Doch hier bei uns führen Grischa (Janorschke, der Sportdirektor, d. Red) und ich das Team fast nebenbei, wir müssen nicht davon leben. Sehr viel Sponsorengeld geht bei uns deshalb direkt in die Mannschaft. Die Vorbereitung muss passen, das Material, der Mechaniker, der Physiotherapeut. Nur dann kann ich erwarten, dass die Fahrer volle Leistung bringen. Genauso ist es, wenn ich eine Baustelle vorbereite. Die Vorbereitung ist das A und O, damit der Mitarbeiter draußen einen top Job machen kann.

Sie arbeiten im Radteam effizienter als andere?

Deshalb, glaube ich, sind wir so schnell zum Erfolg gekommen. Dabei geht es auch um die Personalplanung. Man muss analysieren, was einem in der vergangenen Saison gefehlt hat. Und dann solche Leute suchen.

Das klingt alles sehr nüchtern. Ich dachte, Sie sind ein absoluter Fahrrad-Freak, der aus purer Leidenschaft sein ganzes Geld in das Team buttert.

Das ganze Geld — das war am Anfang schlimmer. Mittlerweile sind mehrere Unterstützer dabei. Doch man muss sagen: Es ist eine nüchterne Entscheidung. Ich bin Unternehmer. Wenn ich Geld investiere, muss es entsprechend Früchte tragen. Es ist eine andere Art von Werbung. Das kann man nicht für ein Jahr planen, sondern langfristig. Wenn man es macht, muss man es gescheit machen.

"Das Team soll irgendwann auf eigenen Füßen stehen"

Das Radteam ist keine Herzenssache, sondern eine Investition?

Der Schritt, den wir jetzt weiter machen wollen, definitiv. Das Team soll irgendwann in den nächsten Jahren auf eigenen Füßen stehen. Klar, habe ich das initiiert. Der nächste Schritt ist, andere, überregionale, vielleicht europaweit agierenden Sponsoren an Bord zu holen. Für mich als fränkisches Unternehmen hat das Team genug gebracht. Die Radbranche boomt, auch mit der Deutschland-Tour. Die war übrigens ein Riesengrund dafür, dass wir jetzt die Kontinental-Lizenz beantragt haben.

Warum das?

Heuer hat es mich doch angefixt. Von der Bundesliga-Qualifikation her hätten wir bei der Deutschlandtour starten können, doch wir hatten den Status nicht.

Sind Sie bei jedem Rennen dabei?

Nein, ich habe ja noch eine Familie! Der Hauptrennleiter ist Grischa, wenn er nicht kann oder ich doch mal Zeit habe, bin ich dabei. 2017 war ich sehr viel dabei, weil ich wissen wollte, wie die Bundesliga funktioniert. Dieses Jahr habe ich ein wenig zurückgesteckt.

Können Sie das so einfach?

Du fieberst schon mit, klar. Grischa ruft mich für die letzten zehn Minuten des Rennens auch immer aus dem Teamauto an.

Er ruft Sie an?

(lacht) Gerade bei der Deutschen Meisterschaft, ich bin mit meiner Familie auf der Autobahn von Österreich nach Hause gefahren, da waren es die letzten zwei Minuten.

Janorschke brüllt ins Telefon.

Ja. Meine Frau wollte, dass ich lieber rechts ran fahre . . . (lacht) Man ist mit Herzblut dabei.

Das große Vorbild: Bora-hansgrohe

Das klingt nun doch nach Herzenssache. Würden Sie wirklich damit klarkommen, wenn das Radteam irgendwann anders heißt?

Damit hätte ich kein Problem. Die Organisation, die Abwicklung wird immer meins sein. Wir haben in Bayern ein großes Vorbild: Ralph Denk. Er war Radprofi, hat mit einem Fahrradladen angefangen. Jetzt ist sein Team das beste der Welt. Denk steht noch irgendwo klein am Kragen des Trikots. Er ist der Guru, hat die Fäden in der Hand, doch vorne drauf steht: Bora-hansgrohe.

Und in zehn Jahren steht klein auf dem Trikot des besten Teams der Welt: Herrmann?

(lacht) Sag niemals nie. Du hast ja was vor mit dem Teil, mit dem Team. Ob man es so weit schafft, ist die zweite Frage. Die nächsten zwei, drei Jahre ist erst einmal das Ziel, einen überregionalen Sponsor zu finden.

Wie soll es sportlich weiter gehen? Die Deutschland-Tour als großes Highlight und in der Bundesliga geht nach Platz zwei ja nur Platz eins.

Klar. (lacht)

Investition und Herzenssache: Radteam Herrmann aus Baiersdorf

© Foto: Katharina Tontsch

Sind Sie ein Workaholic? Sie haben zwei Söhne und eine Frau, die wollen sicher auch mal was von Ihnen.

Meine Frau fährt auch Fahrrad! Sagen wir es so: Ich habe mich nie vor einer Arbeit gescheut. Aus gewissen Verantwortungen bin ich jetzt raus. Doch dann bin ich der Typ, der immer etwas sucht, dass er am Tag beschäftigt ist. Die Familie gehört absolut dazu, ist auch mal hinten dran. Sie kennen mich. Mittlerweile fahren auch alle vier Fahrrad. Meine Frau, die auch halbe Unternehmerin hier ist, kümmert sich um den Verein, um die Jugend. Darin geht sie auf. Die Jungs nehmen an Rennen teil, stehen auch mal auf dem Podest.

Dann sind Sie stolz als normaler Papa — oder als Team-Chef?

Wie ein normaler Papa. Im Verein ist auch nicht alles Stefan Herrmann. Es gibt so viele, die helfen. Der Verein ist nur so gut wie seine Betreuer. Doch du musst einen Gedanken haben, wie du die Leute immer wieder dazu bringst.

Im Familienurlaub geht’s auch zum Fahrradfahren?

Überwiegend ja. Es wird nur gewählt, welche Reifen, dünn oder dick. Unsere Familie kann einen richtigen Faulenzer-Urlaub nicht genießen, es muss Bewegung dabei sein. Obwohl. (überlegt) Vor zwei Jahren waren wir auf einem Schiff. Da hat sich Lukas dann aber ein Fahrrad für eine Landtour ausgeliehen.

Klassische Urlaubsbilder sucht man auch auf Ihrer Radteam-Wand vergebens. Warum hängen Sie eigentlich alles zur Mannschaft ins Büro?

Ich habe schon immer eine Liste mit persönlichen Zielen, die ich in diesem Jahr erreichen will, an eine Pinnwand gehängt. Hier im Büro habe ich irgendwann angefangen, Bilder aufzuhängen, die immer herumgelegen waren. Immer wenn Sie etwas zum Team schreiben, hänge ich es auf. Meine Fahrer schicken mir auch Artikel aus Zeitungen aus anderen Regionen. Das ist schon drei-, vier-, fünflagig. Und es wächst.

Zur Person

Aufgewachsen ist Stefan Herrmann (48) in Kleinsendelbach, aktuell wohnt er mit seiner Familie in Dormitz. Nach der Schreiner-Ausbildung machte er sich selbstständig, 1998 eröffnete er in Neunkirchen am Brand sein erstes Geschäft. Ein Jahr später heiratete Herrmann seine Frau Carmen. 2001 zog die Firma nach Baiersdorf, 2006 folgte die komplette Verlagerung des Standorts in die Krenstadt. Das Herrmann Radteam wurde ursprünglich im Jahr 2010 unter dem Namen "Marinbikes" gegründet und ging aus dem Nürnberger Verein RC Herpersdorf hervor. 2017 starteten die Baiersdorfer erstmals in der Bundesliga. Im zweiten Jahr, 2018, kam die Mannschaft auf Rang zwei. Dem Team mit Elite-Status fehlte bislang die Lizenz für Profi-Rennen. Das soll sich nun ändern, die Kontinental-Lizenz für 2019 ist beantragt.

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